Joe Bonamassa (live in concert)
• • Jovel Music Hall (Münster) • • 19.November 2009 • •

Konzertbericht

    Mein vierter Besuch des Bluesrockers ist nach vierwöchiger Wartezeit endlich da. Die Tour steht unter dem Stern des neuen (im späten Frühjahr erschienenen) Albums The Ballad Of John Henry. Das Novum: der Bluesrocker tritt erstmals in Fahrradnähe in Münster auf. Schön angepasst hat sich für diesen Abend sogar das Wetter. Noch am Tag zuvor hatte es gestürmt und wie aus Eimern geregnet, an diesem Abend ist der Himmel wolkenlos und für Mitte November mit 14 Grad ungewöhnlich warm. Entsprechend locker radle ich nach dem Abendessen mit der Gewissheit los, das Konzert in trockenen Jeans geniessen zu können. Um kurz vor acht Uhr komme ich nach einer Viertelstunde an der neuen Jovel Music Hall an, auch mein erster Konzertbesuch der neu gestalteten Großraumdisko und Konzerthalle. Der Tourbus steht - wie üblich - direkt und gut sichtbar vor dem Eingang, die Fenster sind allerdings verhangen und keine Menschentraube drum herum, die auf irgendwelche spannenden Ereignisse hoffen lassen würde, daher gehe ich direkt rein. An der Abendkasse stehen vielleicht sechs bis zehn Leute an, auf der Spur für Bereits-Karten-Besitzer geht es ohne Warten und großes Gefilze durch die Türsteher sofort durch. Ich gebe meine Jacke vorn an der Garderobe ab, keine drei Minuten später und zwei Euro weniger in der Hosentasche bin ich das schwere Teil los. Die Konzerthalle macht einen sehr schönen Eindruck, ist zwar etwas hoch und als Disko stelle ich sie mir etwas zu steril vor, aber die breite Bühnenfront ist von überall sehr gut einsehbar, die Barzeilen sind dezent an den Seiten und im hinteren Teil untergebracht. Ich gehe einmal testweise bis vorne zur Bühne durch. In der Halle mit einer Kapazität von bis zu 1500 Besuchern ist schon gut was los, aber es herrscht nirgendwo Gedränge. Auch die Bühne selbst ist um einiges größer als bei den letzten Besuchen des Bluesrockers, vor allem staune ich nicht schlecht, als ich die großen Beschallungstürme rechts und links der Stage sehe. Sie versprechen einiges an Lautstärke, nun fällt mir auch auf, was ich vergessen habe: meine Ohrstöpsel. Nun, es lässt sich nicht mehr ändern. Ich schlendere nochmals Richtung Eingang zurück, um die ausgewiesene Rauchergalerie zu suchen und vor Konzertbeginn noch eine zu qualmen, denn im Konzertsaal selbst ist - wie landesweit kneipenüblich - Rauchen verboten. Die Rauchergalerie ist um einiges gemütlicher als die Konzerthalle, hier stehen zahlreiche bequeme Sofas und mehrere lange Tresen. Allerdings befindet sie sich in einem schlauchigen und nur etwas mehr als zwei Meter hohen Gang, die Luft darin ist so stickig und zum schneiden dick, daß man sich eigentlich gar keine Zigarette mehr selbst anstecken müsste. Das Passivqualmen dort würde jedem noch so abhängigen Raucher das Fingerzittern des Entzugs binnen weniger Minuten vertreiben *grins*. Ich stecke mir meine letzte Kippe an und freue mich besonders über die extrem breite Publikumsspanne. Die jüngesten Konzertbesucher, die in Begleitung ihrer Eltern an diesem Abend da sind, mögen vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre alt sein. Die ältesten Bluesfans, die ich im Saal sehe, sind sicher weit über siebzig Jahre alt. Auch das Verhältnis von Männlein und Weiblein ist scheinbar sehr gut ausgepegelt.
    Nach dem Räucherstäbchen gehe ich zur Bühne zurück, es mögen noch gute fünzehn Minuten bis zum Beginn sein. In der Halle treffe ich einen Münsteraner Bekannten, dem ich vom Auftritt des Bluesrockers am selben Tag erzählt hatte, an dem ich meine Karte besorgt hatte. In seiner Gesellschaft befindet sich eine Horde von Arbeitskollegen und anderen Bluesrockfans, die nach seiner Nachricht sogar weiter aus dem Bundesgebiet angereist sind. Leider hat mein Bekannter ein Rückenleiden, welches ihn und seine Gruppe zwingt, das Konzert von der Seite der Hallenmitte auf dem Hocker sitzend zu verfolgen. Also quatschen wir nur kurz und werden einander bekannt gemacht, bevor ich mich in Richtung Bühne verabschiede und zunächst wieder von der Gruppe trenne. Es ist zwar noch ein wenig voller als bei meiner Ankunft, aber an den Seiten entlang kommt man problemlos in die vierte Reihe, in der sich Jung und Alt schon gespannt gen Bühne wenden. Voll ist es, doch Gedränge gibt es bis in die erste Reihe durch nicht.

    Pünktlich um 20:30 Uhr geht das Licht aus, nach wenigen Sekunden erklingen unter freudigem Applaus der Menge die ersten Gitarrenklänge vom Titelsong des aktuellen Albums The Ballad Of John Henry in der Dunkelheit, schnell geht das Licht wieder an und die Band positioniert sich bei fortlaufendem Gitarrenintro an ihren Instrumenten. Ein wenig gespannt war ich auf das Line-Up, weil beim Album erstmals ein weiterer Rhythmusgitarrist sowie zwei Bläser dabei waren. Das Line-Up für die Livetour ist aber noch dasselbe wie im letzten Jahr, also stehen zusammen mit Gitarrist, Sänger und Frontmann Joe Bonamassa noch Carmine Rojas am Bass, Rick Melick an den Keyboards und Schlagzeuger Bogie Bowles auf der Bühne. Als klangliche und showmäßige Ergänzung hat sich der Bluesrocker, vielleicht auch als Ersatz für die "fehlenden" Instrumentalisten, ein nettes Feature überlegt, was gleich im ersten Song zum Einsatz kommt: einen aussergewöhnlichen Synthesizer, der am linken Rand der Bühne steht. Es handelt sich um eine einzelne Antenne, an die der Musiker immer wieder zwischendurch geht. Durch das magnetische Schwingungsfeld beider Hände nahe an der Stange regelt Bonamassa Tonhöhe, Lautstärke und Charakteristik der spacingen Töne. Der seltsame und aussergewöhnliche Synthi namens "Theremin" kommt allerdings nicht durchgehend zum Einsatz, nach dem Eröffnungssong im laufenden Konzert nur sehr selten, ist aber in der letzten Zugabe auch in Aktion zu sehen (in meinem Videomitschnitt davon bei YouTube am Ende des ersten Teils, siehe Link unten).
    Nach der Vorstellung des aktuellen Titelsongs wechselt die Setlist schnell wieder zu den gewohnten, älteren Klassikern. Es kommen Songs wie So Many Roads (You And Me, 2006) und So, It's Like That (So, It's Like That, 2002) in Fassungen, die merklich anders klingen als bei früheren Konzerten. Nicht nur die üblichen Intros, obligatorischen Soli und Endjams des Bluesrockers wurden verändert, in viele Songs hat er neue Charakteristika wie Funk oder rhythmische Shuffles eingearbeitet, so daß die Songs zwar schnell erkennbar bleiben, aber in komplett neuem Gewand erscheinen. Extrem gut ist Soundqualität! Die Bässe donnern wuchtig aus den großen Boxentürmen, die Gitarren- und Gesangslinien sind glasklar. Einzig der Keyboarder geht bei den ersten Songs ein wenig unter, doch der Mann am Mischpult bekommt das schnell in den Griff, die wabernden und bindenden Akkorde werden bald angepasst.
    Ein frühes Highlight wird die herzzerreissende Ballade If Heartaches Were Nickels (New Day Yesterday, 2000), bei der mich diesmal besonders die wunderbar gesungenen und Dank der brillanten Soundqualität fein nuancierten Vocals begeistern. Darauf folgt ein atemberaubendes Potpourri aus den zwei älteren Tracks Bridge To Better Days (You And Me, 2006) und Had To Cry Today (Had To Cry Today, 2004). Die Songs werden sowieso sehr druckvoll gespielt, ausserdem noch durch mehrere wuchtige Crescendos gepimpt, so daß es hier sehr energisch wird und eine merkliche Spur Rock in den Blues mit einzieht. Mit langem Gitarrenintro folgt der charismatische Titelsong des Vorgängeralbums Sloe Gin (Sloe Gin, 2007). Der melancholisch-tragische Song wird schwer und rauchig, mit zwei weiteren Soloparts im späteren Songverlauf ein schöner Kontrast zu dem ruppigen Songmix von vorher.
    Erst jetzt nutzt Joe Bonamassa die Gelegenheit für eine kurze Ansprache an das Publikum. Mit einigen eröffnenden Brocken Deutsch erklärt er uns, daß es für ihn immer eine Freude ist, in Deutschland zu spielen. Wie genau es kam, daß er diesmal nicht in den einschlägigen Tourorten spielt, sondern bei dieser Visite lediglich die zwei Städte Mannheim (am Vorabend) und Münster rauspickte, wird nicht ganz klar. Angeblich bekam er vor wenigen Wochen einen Anruf, in dem er gefragt wurde, ob er für die zwei Abende schon was vorhabe. Beim Blick in seinen Kalender habe er gesehen, nein, da hätte ich noch Zeit. Fürs deutsche Publikum spiele ich immer gern. Münster? Ja, klar, ich komme! Wie auch immer, der Bluesrocker steht hier - und das freut alle Anwesenden...

    Nach der kurzen, aber persönlichen Quasselei kommt erstmals wieder ein Block aus zwei Songs des aktuellen Albums. Der sehr persönliche und bitter-süße Song Happier Times ist live natürlich noch um einiges atmosphärischer und wirkungsvoller als von Platte. Zum Beginn vom rhythmischen Story Of A Quarryman animieren Drummer Bowles und Frontmann Bonamassa gemeinsam die Zuhörerschaft zum Mitklatschen, das erst nach einigen Minuten langsam abebbt.
    Erst zum vorläufigen Ende zieht der Blueser sein Jacket aus und lässt sich seine akustische Gitarre anreichen. Es gibt den Klassiker Woke Up Dreaming (Blues Deluxe, 2003), den ich schon beim letzten Konzertbesuch auf Video mitgeschnitten habe (auf meinem YouTube-Channel zu sehen). Der Song selbst ist der Fassung meines Mitschnitts sehr ähnlich, wobei mir das Endsolo bei meinem Clip noch besser gefallen hat als dieses Mal live. Allerdings schön hier: es gibt ein weitläufiges Intro mit merklichen Anleihen beim Flamenco! Diesen Akustiker performt Bonamassa alleine auf der Bühne, die anderen Musiker haben sich bereits nach hinten verkrümelt und schütten wohl literweise Wasser in sich rein. Mit dem Songende gehen die Lichter aus, der regulärer Auftritt endet.
    Bis zur Zugabe lässt sich die Combo nicht lange bitten. Noch im Dunkel kommen von hinter der Bühne wieder erste Gitarrenklänge. Für die Zugabe hat sich der Blueser wohl ein Besondere-Gitarrentypen-Feature vorgenommen. Die ersten Saitenklänge im Dunkeln klingen nach akustischer Westerngitarre, so, als habe Bonamassa noch dieselbe Klampfe um wie bei Song zuvor. Doch - Überraschung -, er kommt mit einer grünen Zweihalsgitarre zurück (siehe erste Bilder, letzte Reihe unten). Ein kleiner Poser-Gag, denn er spielt nur die obere davon, aber dennoch eine witzige Überraschung. Und das war noch nicht alles! Für die letzte, gut zehnminütige Zugabe lässt er sich - ich staune nicht schlecht - die Posergitarre der Achtziger- und Neunzigerjahre schlechthin anreichen, eine Flying-V. Für seine Verhältnisse ein ungewohnter Anblick, da diese freaky Gitarrenart so gar nicht zu Bluesern passt. Es gibt eine rockige Version des ZZ-Top Coversongs Just Got Paid, also geht auch dieser Spaß am Ende stilistisch in Ordnung.
    Die Verabschiedung (bei meinem Videoclip Ende Part 2, zweiter Link unten im Anhang) fällt sehr kurz aus. Die Band wird kurz komplett vorgestellt, sich kurz verbeugt, doch dann sind alle vier schnell unter dem tosenden Beifall verschwunden. Nun, es ist 22:30 Uhr durch, also haben die Herren volle zwei Stunden ohne Pause für jede Menge gute Laune und tolle Musik gesorgt...

    Weil an der Garderobe unheiliges Gedränge herrscht, gehe ich mit meinem Bekannten und seinen Leuten noch in die Rauchergalerie, um ein Weilchen zu warten. Wir haben von da das hintere Ende des Tourbusses im Blick, sehen auch die Roadcrew das Equipment verstauen. Eine ganze Zeit später geht das Gerücht, der Bluesrocker gebe Autogramme vor dem Bus. Also gehe ich in der Hoffnung raus, abermals mein Ticket signiert zu bekommen. Einige Leute stehen noch vor dem Bus, dessen Motor schon läuft. Ob der Blueser jetzt drin ist oder nicht, weiss keiner so genau. Die Tür geht immer mal wieder auf und zu, ansonsten ist durch die verhangenen Fenster nichts auszumachen. Ich meine zwar, den Bassisten kurz zu sehen, doch der einzige, der noch einmal rauskommt, ist ein Roady, der uns freundlicherweise einen Sixpack gut gekühlter 0,5-Liter-Dosen Finkbräu schenkt. Für jeden der Wartenden genau eine. Wir stoßen zufrieden auf das tolle Konzert an, der Bus jedoch fährt nach einigen Minuten dann ab - also war die gesamte Horde schon eine Weile drin.
    Das Konzert war eine schöne und runde Sache - wie auch alle vorherigen Konzerte des Bluesrockers Joe Bonamassa. Besonders gut ausgetüftelt fand ich die Setlist, denn auch wenn es sich um eine Promotiontour der aktuellen Scheibe The Ballad Of John Henry (2009) handelt, wurden dessen Songs nicht übermäßig in den Vordergrund gestellt, sondern stimmig als passende Ergänzung zu den älteren Bluessongs aufgenommen. Als Fazit für meinen ersten Besuch der neuen Jovel Music Hall kann ich sagen: als Diskothek stelle ich mir die hohe Halle mit Fliesenboden ein wenig steril und unpersönlich vor. Als Auftrittsort für mittelgroße Konzerte ist sie ideal, die Soundqualität war wirklich hervorragend! Als einziger Makel des Abends: die Lichtshow ist durchaus verbesserbar. Für die Größe der Bühne und die ständige Lichteinwirkung aus dem Hinterraum durch die Barzeilen reicht der momentane Aufbau an Scheinwerfern nicht für eine ausdrucksstarke Untermalung der gebotenen Musik mit passenden optischen Einflüssen. Das habe ich in kleineren Konzerthallen schon wesentlich schöner gesehen. Für einen brillanten Act wie Joe Bonamassa ist dieser kleine Mangel aber schlimmstenfalls eine Randnotiz, die für minimale Abzüge in der B-Note sorgt...

Bilder



Links

Joe Bonamassa - Just Got Paid (live) Part 1 - mein Mitschnitt der letzten Zugabe des Abends (erster Teil)
http://www.youtube.com/watch?v=jwMBQtIvMn8

Joe Bonamassa - Just Got Paid (live) Part 2 - Teil zwei und Verabschiedung nach Konzertende
http://www.youtube.com/watch?v=gi4AO911U4Q

Joe Bonamassa - die offizielle Homepage des Bluesrockers
http://www.jbonamassa.com

Bonamassa MySpace - offizieller Auftritt des Musikers beim Musikportal
http://www.myspace.com/jbonamassa

Jovel Music Hall - Homepage des Veranstalters in Münster
http://www.jovel.de/

Musiktip - zu Bonamassa im Musik-Universum
http://www.honartists.de/musik/musiktips/bonamassa