Pain Of Salvation (live in concert)
• • Zeche (Bochum) • • 08.März 2007 • •

Konzertbericht

    Mit betanktem Wagen geht es um 18:00 Uhr nach dem nervenaufreibenden Feierabendinnenstadtverkehr endlich auf die Piste, A 43 Münster - Bochum. Außer mir an Board mein Bruder und ein bekannter Jurastudent. Für Proviant und jede Menge Vorfreude ist reichlich gesorgt.
    Nach reibungsloser Fahrt kommen wir kurz vor 19:00 Uhr an der Bochumer Zeche an - gutes Timing: der Einlaß läuft seit einer halben Stunde, bis zum Programmbeginn ist eine weitere halbe Stunde des Einlebens und Umsehens drin. Nach vorsorglichem Toilettengang peilen wir die Räumlichkeiten. Es ist noch nicht allzu voll, vielleicht auch wegen des ungewöhnlichen Wochentags (Donnerstag) für ein Konzert?! Das Publikum besteht größtenteils aus langhaarigen Bombenlegern, von denen viele - Achtung: Klischee (!) - Gerstensaft in der Hand halten, überall wo man hinsieht einschlägig bekannte Band- und Plattenlogos auf den (überwiegend schwarzen) Klamotten. Etwas verwundert sind wir, als wir überall im Konzertraum Nichtraucherschilder sehen. Bei einem Rockkonzert Rauchverbot? Hm, sei's drum.

    Pünktlich um 19:30 Uhr geht es mit dem Vorprogramm los. Die Vorband kann uns noch nicht vom Hocker reissen. Die Jungs leisten zwar ganze Arbeit, aber der Sound ist breiig. Daß Vorbands nicht denselben Raum und die Zeit für Soundchecks bekommen wie die Main-Acts, ist klar. Aber man hätte mehr draus machen können!
    Kurz nach Ansage des letzten Songs der Vorband beschliessen wir, uns unsere Plätze im mittlerweile doch recht vollen Raum zu suchen. Meine zwei Mitrockaz postieren sich mittig im Raum im zentralen Schalltrichter der Boxen. Ich suche mir zur Linken einen Platz auf einem Podest aus. Zum einen kann ich mich dort an die Wand anlehnen und habe hinter mir keine Drängler, vor allem habe ich einen guten Blick (und Fotowinkel) zur Bühne. Nach kurzem Umbau der Bühne gehen alle Lichter aus, Nebel wird aus vollen Rohren geblasen, die Herren betreten unter tosendem Applaus die Bühne.

    Durch den dicken Nebel strahlen ein paar Spots zu Füßen der Musiker, und der (gleichnamige) Opener der aktuellen Platte Scarsick knüppelt los. Der Drive des Songs zieht gleich alle Anwesenden mit, die Soundqualität ist mehr als gut.
    Ich vermutete zunächst, daß Pain Of Salvation im Grunde ihre aktuelle Scheibe runtermoschen und ein paar ältere Songs als Bonus obendrauflegen. Aber weit gefehlt! Es gibt eine wunderbar alsgepegelte Zeitreise rückwärts durch die Alben. Ein Evergreen jagt das nächste, ein Großteil der anwesenden Fanschar gröhlt begeistert mit.
    Kleinere Texteinlagen und Späßchen der Musiker zwischen den Songs lockern die Atmosphäre immer wieder auf. Ungefähr zur Mitte des Acts gibt es ein lustiges Intermezzo. Gegeben wird gerade der ruhige, charismatische Song Undertow. Im Grunde spielt hier im verhaltenen Blaulicht nur ein melodiöses Piano unter die Textzeilen von Sänger Daniel Gildenlöw. Die anderen Musiker haben sich gesetzt, verschnaufen ein wenig oder schütten sich Wasser in die trockenen Kehlen. Nach vielleicht zwei Minuten des andächtigen Balladen-Klassikers klingelt irgendwo ein Handy im Raum (ich selbst habe es nicht gehört). Das geht natürlich nicht! Gildenlöw bricht den Song ab, meint, das Publikum wäre noch nicht in den richtigen Vibrations für den Song und beginnt die Nummer von vorne, nachdem er seinen Keyboarder angewiesen hat sein Volume am Instrument hochzudrehen. Wie sagte er so schön mit einem hämischen Grinsen: "Okay, seems we have to win this with volume!" Der zweite Anlauf klappt problemlos und ohne störende Handyklingeltöne...

    Zum letzten Drittel des Konzerts gibt es für mich noch ein witziges Intermezzo. Mein Bruder gesellt sich zu mir aufs Podest, nachdem ein paar der neben mir stehenden jungen Mädels abgerückt waren. Zur kurzen Begrüßung und einem knappen Zwischenfazit gröhlen wir uns während des laufenden Songs ein paar Worte ins Ohr, verstehen selber kaum ein Wort wegen der Lautstärke. Als ich ein paar Sekunden nach dem Umarrangieren in unserer Standposition beinahe rechts vom Podest zu kippen drohe, ich stehe nur noch mit einem halben rechten Fuß, will ich meinen Bruder kurz auf den Mißstand hinweisen und muß etwas wie ein gutturales "hey!" zusammen mit wildem Gestikulieren in Richtung meines wackelig stehenden Fußes in seine Richtung gerufen haben.
    Das ist dem unterhalb von mir stehenden Metaller scheinbar zuviel der Störung. Der Typ ist ein Brecher - hoch wie breit, der mit indianischem Narbengesicht und langer brauner Matte im Unterhemd seinen dichten Brustpelz und seinen übermäßig tattowierten Oberkörper stolz durch die Gegend trägt. Er wirft uns einen erboßten Blick zu und ermahnt uns gestikulierend zur Ruhe. Wie gesagt: das alles bei vollem Soundgebläse aus den nicht einmal fünf Meter vor uns stehenenden Boxen.
    Daß er es mit der Etikette nicht immer so genau nimmt, beweist er ein paar Minuten darauf, als er sich wider Verbot einen Kotzbalken anzündet. Tststs...

    Als sich das Ende des Acts neigt, bemerkt auch Frontmann Gildenlöw, daß es noch Zeit wäre, ein paar Songs des aktuellen Albums zu geben. Außer dem Opener hatten wir nur America bekommen. Die sabbernde Masse gröhlt immer wieder Titel in die Stille zwischen den Songs. Vor allem der Ohrwurm Spitfall war noch nicht da. Zunächst gibt es aber die Disco Queen, einen köstlich witzigen Song, für den tatsächlich auch die Diskokugel unter der Saaldecke erstmals angemacht wird.

    Der Auftritt wird abgeschlossen. Die Menge johlt lautstark, und - natürlich - gibt es Zugabe, hier lassen sich die Musiker nicht lumpen. Die allergeilste Überraschung in der Zugabe für mich: es kommt Hallelujah in der Coverfassung des verstorbenen Folkrockers und Gesangshalbgotts Jeff Buckley [siehe Link unten]. Ich hatte noch in den letzten Tagen beim Durchsurfen der Bandhomepage gelesen, daß Buckley als Einfluß irgendwo gelistet ist. Aber ich hätte mit so ziemlich allem gerechnet - nur nicht mit einem Buckley-Cover bei einem Pain Of Salvation-Gig. Wer Laune hat dazu was gegenzulesen: beide Bands sind in meinem Musikuniversum gelistet.
    Die Version von Pain Of Salvation rockt ziemlich - ganz anders als das Original, wird ein überraschendes Highlight des Konzerts. Wenn sich eine Combo an diese Gesangslines ranwagen kann, dann die Prog-Schweden!
    Der Spitfall kommt leider nicht mehr. Vielleicht wäre das zu platt und mainstreamig gewesen. Es gibt aber noch weitere Zugaben, und der Abend endet in einem wahnsinnigen Prog-Vollrausch.

    Ich bin seit Jahren begeisterter Anhänger dieser Band, habe sie zuvor nie live gesehen. Ich muß resümmieren: das hat sich mehr als gelohnt! Es ist erschreckend, wie geil diese Band alle Songs ihrer Alben live umsetzt. Besonders am Gesang können sie on stage überzeugen - nicht nur Frontmann Gildenlöw. Dazu gibt es jede Menge amtliche Instrumentenarbeit, charismatische Songs, dichte Stimmung und - zumindest in diesem Fall - eine hervorragende Lightshow und unterhaltsame Einlagen. Eine Reise, die ich immer wieder machen würde.

    Best of Schweden-Prog live in concert!

Bilder

Links

Pain Of Salvation - die offizielle Homepage der Progger
http://www.painofsalvation.com

Zeche - Homepage des Veranstalters in Bochum
http://www.zeche.com

Musiktip - zu Pain Of Salvation im Musik-Universum
http://www.honartists.de/musik/musiktips/pain_of_salvation/

POS - Hallelujah - die Jeff Buckley-Coverfassung ein paar Tage zuvor in Milan on stage gespielt
http://youtube.com/watch?v=_s2YXyxZtew