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Pain Of Salvation : Biographie





  Diese Band wird 1984 im schwedischen Heimatort Eskilstuna vom damals elfjährigen (!) Frontmann Daniel Gildenlöw (Gesang und Gitarre) gegründet - damals noch unter dem Namen Reality. Mit an Bord sind zunächst noch Joakim Strandberg (Bass), Schlagzeuger Mikael Petterson und an der zweiten Gitarre Daniel Magdic. Um 1990 gibt es zunächst vor allem am Bass einen schnellen Positionswechsel. Für kurze Zeit übernimmt ein gewisser Magnus Johansson rund ein Jahr, bevor Gustaf Hielm für vier Jahre die Saiten zupft. Am Schlagzeug sitzt mittlerweile Johan Langell, der den Job ganze siebzehn Jahre (bis 2007) erledigen wird. Ausserdem nennt sich die Combo nun, 1991, in Pain Of Salvation um.
  Das Debüt Entropia (1997) wird gleich ein dicker Erfolg, der auch die erste musikalische Marschrichtung der Band beschreibt (mehr dazu später bei "Die Musik" [s.u.]). Noch lang vor Erstellen dieses Debüts hat 1994 der Bruder des Frontmanns, Kristoffer Gildenlöw, den Bass übernommen. Ausserdem mit dabei nun der bis heute aktive Keyboarder Fredrik Hermansson.
  Die Band bekommt schnell einen Vertrag bei dem auf Progressive spezialisierten Label InsideOut, die folgenden Studiowerke bis zur Remedy Lane (2002) halten die musikalische Linie. Einer der größten frühen Erfolge der Band ist eine Tour als Vortruppe der kommerziellen Genre-Großmeister Dream Theater, die die Truppe, welche sich in Schweden selbst und im gesamten skandinavischen Raum schon einen großen Namen erspielt hat, in Europa und dem Rest der Welt bekannt werden lässt.

  Mit der Scheibe Be (2004) schlägt die Band weit aus ihrem bisherigen musikalischen Rahmen, sie ist bis heute die unstrittig spaltendste Scheibe für das Fanlager (besonders unter den Fans der frühen Werke). Gemessen an den ersten Platten beschreibt die anschliessende Scarsick (2007) wieder einen halben Weg zurück, zeigt aber doch deutlich andere Nuancen und Wege für die musikalische Zukunft. Neben der musikalischen Orientierung bröckelt es vor allem personell schwer bei der mittlerweile eingespielten Truppe. Der Basser und Bruder des Frontmanns, Kristoffer Gildenlöw, muss auf gemeinsamen Beschluß der Bandmitglieder 2007 die Gruppe verlassen. Für die Zeit der Promo-Tour basst an seiner Stelle Simon Andersson. Im direkten Anschluss an jene Tour hängt der langjährige Drummer Johan Langell seine Sticks endgültig an den Nagel, weil er sein junges Familieglück nicht weiter mit dem stressigen Touralltag belasten möchte.
  Diesen zwei schwerwiegenden Personalverlusten wird auch auf der DVD - Ending Themes (2009) - mit dem wohl alles sagenden Untertitel On The Two Deaths Of Pain Of Salvation - Rechnung getragen.

  Für einige Zeit sieht es ziemlich düster für die Band und die bangende Fanschaft aus. Bis, ja, bis im November 2009 nach relativ kurzfristiger Ankündigung die EP Linoleum (2009) erscheint. Mit im Bandlineup sind hier Per Schelander (Bass) und Léo Margarit (Drums). Sie wird zu einem gezielten Appetithappen, denn für das nächste Jahr ist das Release eines neuen Albums namens Road Salt angekündigt. Zum Zeitpunkt der EP-Veröffentlichung ist angeblich das gesamte Musikmaterial von Seiten der Band schon komplett auf Band, doch wegen eines finanziellen Engpasses kommt das Label mit der Produktion nicht wie gewünscht mit, es wird auf "unbestimmte Zeit" verschoben. Ursprünglich soll die Road Salt als Doppelalbum erscheinen, doch Label und Band entscheiden sich - ob aus Geldmangel oder produktionstechnischen Gründen - für eine Splittung. So kommt (wenigstens!) im Mai 2010 die "einfache" Road Salt One. Musikalisch hat sie eine gänzlich andere Ausrichtung als die Frühwerke, bleibt aber - nicht zuletzt dank des federführenden und singenden starken Frontmanns Daniel Gildenlöw - hörbar ein Kind seiner Eltern. Mit dem Titelsong der Platte nimmt die schwedische Truppe sogar an der Vorauswahl für den Eurovision Song Contest 2010 teil, schafft es - für eine Metalband (im weitesten Sinne) ziemlich beachtlich - sogar bis ins Halbfinale. Die Fortsetzung, ich nehme stark an, daß sie dann Road Salt Two heissen wird, ist für Ende 2010 angekündigt. Totgesagte proggen (oder rocken) glücklicherweise eben doch länger...

Pain Of Salvation : Die Musik





  Auf die musikalische Qualität einzugehen ist bei Progressive-Leuten im Grunde überflüssig; die haben ihre Fingerübungen alle brav gemacht. Aber diese Band hat auf ihrem musikalischen Werdegang wahrlich eine weite Strecke zurückgelegt!
  Vom Debüt Entropia (1997) bis zur vierten Studioplatte Remedy Lane (2002), die bis heute noch mein persönliches Highlight der Band ist und definitiv unter den Top-Five meiner Lieblingsalben überhaupt rangiert, ist der Stil sehr durchgehend. Es handelt sich um einen gitarrelastigen Progressive Metal, der vor Melodiebögen, vetrackten Rhythmusstrukturen und Stimmungswechseln nur so überquillt. Technisch definitiv oberstes Skalenende, vor allem, weil die Band ihre komplexen Songs nicht nur im Studio einholzt, sondern auch live in unglaublicher Güte fast eins zu eins performen kann. Neben der technischen Brillanz leben diese alten Scheiben der Band vor allem durch einen jeweils durchgehenden roten Faden, der Begriff Konzeptalbum ist bis heute zutreffend für alle Werke der Schweden. Dabei besaßen diese alten Platten eine stets bittersüße Mischung aus Tragik, skandinavischer Schwermut, aber ebenso Verträumtheit, Romantik und zauberischem Spieltrieb. Das alles sowohl durch die ohrgängigen Melodien, die teils majestätische Druckkraft und - vor allem - durch die Songtexte transportiert, die, wenn auch nicht immer wirklich autobiographisch angelehnt, zumindest doch immer nachvollziehbar, gefühlsstark und gut zur Musik passend sind.

  Mit der Platte Be (2004) wagte Frontmann Gildenlöw einen deutlichen Ausbruch aus diesem Genre, der bis heute die Fanlager spaltet. Mit einem kleinen Sinfonieorchester stellte er ein Werk auf die Beine, das so gar nichts gemein mit dem bisherigen Prog-Metal zu haben scheint. In weiten Strecken gibt sich die Platte philosophisch, verrennt sich mal in dünne Instrumentalspielereien, dann wieder in unerwarteten Irish-Folk. Ich habe mir diese Platte erst wesentlich später zugelegt. Ich finde sie sehr interessant, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Idee hinter der Scheibe ein wenig überambitionert war. Neben dem extremen Wechsel im Klangbild vermisse ich besonders bei dieser Platte das Gefühl persönlicher Nähe und Authentizität. In vielen Passagen blitzt das Genie des Songwriters - wie in alten Zeiten - auch hier auf, für mich ist sie ein buntes Mosaiksteinchen, das die Vielfalt des Frontmanns zeigt, aber eben kein emotional ergreifendes Klangwerk.

  Die folgende Scarsick (2007) macht zunächst einen Schritt zurück, zumindest wird hier wieder wüst auf die Gitarrensaiten eingedroschen, gesungen und musiziert. Aber von der Charakteristik unterscheidet sie sich beinahe ebenso von den ersten Werken wie ihr Vorgänger Be. Denn von der melodisch-tragisch-romantischen Schwermut ist auch hier nichts zu finden. Dafür ist die Scarsick roh, wütend und bissig. Ohne es übertrieben zu haben (finde zumindest ich!), legt sich der Frontmann mal mit der Gesellschaft, mal mit Staatsselbstverständnissen (Amerika ist doch immer ein dankbarer Grundstein für sowas *grins*) oder bizarren Geschmacksverirrungen an. Wo früher persönliche Schicksale und Leiden im Mittelpunkt standen, geht es hier einen Hauch politischer und kritischer zu. Das Album quillt vor bizarrer Komik, Ironie und Bissigkeit nur so über. Der musikalische Stil ist komplett anders als früher, aber dafür noch vielfältiger (was da für Klänge und Stilmittel lauern!) und mit den teils bitterbösen Lyrics eine wieder persönlich nachvollziehbarere Sache.
  Was die EP Linoleum im November 2009 ankündigt, bestätigt die im Mai 2010 erscheinende Road Salt One wiederum; abermals ein starker Stilwandel! Um ehrlich zu sein: hätte ich die Platte als erste gehört, ich wäre nie auf die Idee gekommen, sie unter Progressive einzusortieren! Klanglich (vom Mastering) wie von Songwriting und sogar dem Plattenlayout handelt es sich eher um altbackenen Rock, durchzogen von dicken Spuren Blues. Eine ungewohnte Mischung für diese Schweden, aber dank des brillanten Frontmanns am Mikro, der bei diesem Album eine noch deutlichere Einzelstellung einnimmt, und den teils wirklich ergreifenden Songs und Strukturen ein tolles Werk - nachdem viele bereits das Ende dieser Band hatten kommen sehen.

  Ob und in welcher Facette diese Schweden nochmal astreinen Progressive Metal liefern, kann wohl niemand sagen. Sagen kann man immer nur: diese Band war stets für Überraschungen gut. Ungeachtet des musikalischen Reviers, in dem jeweils gewildert wurde, war auch die Musik immer handwerklich gut gemacht. Für Leute, die sich interessieren: mal gründlich in meine jeweiligen Rezensionen reinlesen oder im Web nach anderen Reviews, Videos und Hörproben umsehen. Es lohnt!

  Diese Schweden liefern musikalische Vielfalt mit stets gleichbleibender Qualität!