Musik > Musiktips > Progressive > Pain Of Salvation

Pain Of Salvation : Alben

Neben diesen Studioalben gibt es weitere Live-, Best-Of-CDs und DVDs! Einsicht der kompletten Diskographie am besten über einen der offiziellen Links !

Road Salt Two
Typ1 CD / Studio
Jahr11.10.2011
LabelInsideOut
Songs
  1. Road Salt Theme
  2. Softly SHe Cries
  3. Conditioned
  4. Healing Now
  5. To The Shoreline
  6. Eleven
  7. 1979
  8. The Deeper Cut
  9. Mortar Grind
  10. Through The Distance
  11. The Physics Of Gridlock
  12. End Credits

Road Salt One
Typ1 CD / Studio
Jahr2010
LabelInsideOut
Songs
  1. No Way
  2. She Likes To Hide
  3. Sisters
  4. Of Dust
  5. Tell Me You Don't Know
  6. Sleeping Under The Stars
  7. Darkness Of Mine
  8. Linoleum
  9. Curiosity
  10. Where It Hurts
  11. Road Salt
  12. Innocence
    Nach dem Beinahe-Ende der Band, von dem die DVD - Ending Themes (2009) [s.u.] mit ihrem unheilsschwangeren Untertitel On The Two Deaths Of Pain Of Salvation erzählen wollte, hat nach einer ungewissen Zeit das Projekt Schweden-Rock glücklicherweise neue Lebensenergie getankt. Für den 2005 aus der Band ausgeschlossenen Kristoffer Gildenlöw (Bass) kam für kurze Zeit ersatzweise ein Herr Simon Andersson, der ohne Angabe von weiteren Gründen gegen den aktuellen Basser Per Schelander ausgetauscht wurde. Für den "second death"-Ausstieg, den achtzehn Jahre schlagwerkprügelnden Johan Langell, der sich vortan ungeteilt seiner jungen Familie widmen möchte, wird nach unzähligen Castings der Drummer Léo Margarit als Ersatz auserwählt.
    Und ich freue mich riesig, als November 2009 plötzlich die EP Linoleum (s.u.) in den Regalen steht, ja, für das frühe 2010 sogar gleich ein Doppelalbum namens Road Salt angekündigt wird. Angeblich sind sogar schon alle Songs lange fertig eingespielt, aber das Label InsideOut kommt wegen einem finanziellen Engpass zunächst mit der Produktion nicht in die Puschen. Es soll aber was werden, denn...

    Mai 2010 steht sie endlich im Laden - wenn auch zur Einzelscheibe geteilt als Road Salt One. Der Rest soll gegen Jahresende folgen. Was haben wir zur erwarten von der personell wiedererstarkten Truppe, die sich in ihrer frühen Phase vom Debüt Entropia (1997) [s.u.] bis zur großartigen Remedy Lane (2002) [s.u.] einen weltweiten Namen als eine führende Truppe des Progressive Metal erspielte, dann mit der leicht überambitionierten, pseudophilosophischen Be (2004) [s.u.] mit einem Schlag Großteile ihres Fanstamms vor den Kopf stößt, das wütend-bissige Ding namens Scarsick (2007) [s.u.] nachschiebt - und anschließend aus Personalnot fast am Ende der Karriere steht?
    So erdig rockend und irgendwie altbacken, wie die EP Linoleum aus dem Vorherbst klingt, so old-fashioned sieht auch das neue Werk aus. Das Cover erinnert in seiner Schlichtheit an die Rock-Urväter aus den siebzigern. Zwischen den vielen Bildern im Booklet muß man die Songtexte schon suchen, die alle auf eine einzige Seite gepresst wurden. Und der Schriftsatz sieht aus wie mit einer altertümlichen Schreibmaschine getippt. Die schwedischen Meister des Progressive die nun ein komplettes Album mit Oldschool Rock abliefern -- kann das sein?!

    No Way (Track #1) drischt mit einer analog-saftigen Gitarre los, deren Verzerrung sich mehr nach einem Overdrive als nach einem metallischen Distortion anhört. Schnell gesellt sich ein ebenso lautes Piano dazu, das mit einfacher Akkordbegleitung - später streckenweise fliessenden Arpeggios - die bluesig phrasierende Leadgitarre unterlegt. Es kommen im Hintergrund freakige Gesangs-Choräle wie wir sie von der Scarsick noch kennen, auf dem Zenit wird kurz rhythmisch wüst experimentiert, aber zwischen Piano, bluesrockigen Vocals und den finalen Hammondorgelklängen überwiegt der altbackene Rock deutlich. Kurz vor Ende stolpert uns - wie zufällig - der Begriff des "road salt" noch kurz bei den Lyrics in den Weg. Hoppla!
    She Likes To Hide (Track #2) ist wesentlich dünner arrangiert, klingt noch eine deutliche Spur mehr nach Blues. Die Stimme von Daniel Gildenlöw und die akzentuierte Leadgitarre spielen sich den Blue-Mood gegenseitig nur so zu!
    Sisters (Track #3), mit sechs Minuten schon zweitlängster Song der Scheibe, ist nun ganz anders - mein Liebling von der Platte. Eine Ballade, die sich gewaschen hat! Harmonisch eng bei einander eine dünne, hohe Pianolinie und der vordergründige Gesang. Ein saftig schwimmender Bass und die Drums liegen nur leicht darunter. Erzählt wird die weinselige Stimmung nach einer Party, bei der sich der Protagonist auf der Straße einen klaren Kopf verschaffen will. Dabei überrascht ihn eine Frau, die Schwester seiner Freundin. Scheinbar entflammt zwischen beiden eine gefährliche Anziehung, die wir aus der Sicht des männlichen Sängers geschildert bekommen. Auf der einen Seite die geliebte Vertrautheit des Bekannten durch die Ähnlichkeit zwischen beiden Geschwistern, auf der anderen Seite die Gefahr, durch ein Nachgeben der Versuchung sein bisheriges Leben unwiderruflich über den Haufen zu werfen. Und - tun sie??? Das Ende bleibt offen, wie wundervoll! In diesen magischen sechs Minuten Balladenzauber erlebt der Zuhörer die Intimität der Szenerie nicht nur durch die erzählte Story, sondern auch durch den feinfühlig ausgearbeiteten Spannungsbogen der Musik. Im Gros plätscher der Song sanft tastend, hat aber auch seine leidenschaftlich aufflammenden Momente, besondere Seele kommt durch den großartigen Gesang. Ein Meisterstück!!!
Gleich mal reinhören? Die zauberhafte Ballade gibts bei YouTube:
Pain Of Salvation - Sisters (Audio only)
    Of Dust (Track #4) ist eine dünn gospelnde Ode zwischen Kirchenorgel und Männerchor. Das Grundgerüst erinnert mich am ehesten an die hymnischen Momente der Scheibe Be, die streckenweise gesprochenen Texte stören die Größe dieser kurzen Glorie keineswegs. Hier tröpfeln in den Lyrics abermals die Elemente des Schmutzes und der Straße, um ans Leitmotiv der Scheibe zu erinnern.
    Tell Me You Don't Know (Track #5) ist noch ein ultrakurzer Zweieinhalbminüter. Zwischen flockigen Banjoklängen und einem belebten Rhythmus läuft die Band in stetigem Crescendo zur Höchstform auf, liegt nahe am Bluegrass. Das Gitarrensolo ist schmierigster Blues pur. Die Lyrics, die sich um Suchen des rechten Weges drehen, erinnern uns erneut an das Plattenthema.
    Sleeping Under The Stars (Track #6) ist schlichtweg kurios. Im Walzerrhythmus, die Instrumentalisierung schon nahe an einer Polka mit Mandoline, trottet der Song stumpfsinnig vor sich hin. Die bitterbösen Lyrics, der mehrstimmige Gesangsstil und der zirkusreife Solopart erinnern mich am ehesten an die Songs des Vorgängeralbums Scarsick, man knüpft semantisch aber ebenso an das Thema von Dea Pecuniae (Be, Track #7) an.
    Darkness Of Mine (Track #7) ist kryptisch und unfassbar schemenhaft. In stetigem Auf und Ab tänzelt der Song, über weite Strecken ist keine durchgehende Instrumentallinie oder Hookline zu finden. Nur im vielstimmigen Chorus aus druckvollem Gesang und schräddelnden Gitarren gibt uns die Band eine Idee Wiedererkennungswert an die Hand.
    Linoleum (Track #8), der bereits im Herbst zuvor als EP ausgekoppelt wurde (s.u.), ist dreckig, energisch und trocken rockig. Eine wahre Wonne. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen:
Das offizielle Video gibts immer noch bei YouTube:
Pain Of Salvation - Linoleum
    Curiosity (Track #9) ist wohl das progressive Highlight der Platte. Das Tempo ist sehr flott, es wird amtlich gerockt. Dabei schlägt der Rhythmus so manch komplizierte Rolle. Viel Druck von Gitarren braucht es für die gute Laune hier nicht, aber das stetig wechselnde Arrangement aller beteiligten Instrumente ist abenteuerlich gut konstruiert.
    Where It Hurts (Track #10) beginnt mit Glockenspiel und beklemmenden Gitarren- und Gesangslinien. Der Song bleibt bis zum Ende ein geisterhafter Leidensweg, bekommt zur Mitte immer wieder Kraftschübe und nach einer psychedelischen Bridge einen Showdown, bei dem sich der Frontmann den besungenen Masochismusschmerz förmlich von der Seele schreit.
    Road Salt (Track #11) bringt kurz vor Torschluß also doch noch den Titelsong - und was für einen geilen! Über die Begleitung eines bluesigen Rhodes singt Daniel Gildenlöw mit dermaßen emotionaler Stimme innerhalb von drei Minuten über die bereits abgelaufenen Straßen, die hinter sich gelassenen Kreuzungen und die noch vor sich liegende Strecke auf der staubigen, endlosen Straße, daß es einem eine Gänsehaut nach der nächsten über den Körper laufen lässt. So dünn, so fragil, so Blues diese Quintessenz der Platte ausfällt, so beeindruckend und charismatisch ist sie. Mit diesem Song bewarb sich die Band für die schwedische Vorauswahl für den Eurovision Song Contest 2010, kam bis ins Halbfinale (siehe angegebes Video). Was immer statt ihnen gewonnen hat; mehr Seele kriegt man in drei Minuten Song einfach nicht rein!
Das Live-Video zu diesem Song von der schwedischen Vorauswahl zum Eurovision Song Contest 2010 bei YouTube:
Pain Of Salvation - Road Salt (Live - Melodifestivalen 2010 Semifinal)
    Der Abschluß Innocence (Track #12) durchbricht als einziger Song knapp die Siebenminutenmarke. Er ist merklich weitläufig, psychedelisch und erinnert stilistisch nochmals an das bizarre Voralbum Scarsick, hier gibt es noch ein paar Rhythmusverschieber und Passagen, die noch am ehesten an die Vergangenheit der Band im Progressive Metal erinnern. Ein im Rahmen dieser Platte deutlich aus der Art schlagender Titel - oder vielleicht doch eher der Cliffhanger für den zweiten Teil, der gegen Jahresende kommen soll?!

    Diese personell neue besetzten Pain Of Salvation haben mit dieser Scheibe wieder ein großartiges Werk abgeliefert. Das hat jedoch mit Progressive Metal im Grunde nichts mehr am Hut! In wenigen Momenten blitzen noch proggy Elemente auf, man hört die Ursprünge der Band. Vor allem tänzelt dieses Album konsequent zwischen Oldschool Rock und Blues, hat einen warmen und saftig-vollen Analogklang. Und dies ist kein gewollter Abklatsch, sondern ehrlich und authentisch wirkendes Songwriting.
    Noch merklicher als bei den früheren Platten hatte Frontmann und Songwriter Daniel Gildenlöw hier seine Griffel an allem und jedem, hat nachträglich sogar Instrumentalparts seiner Mitmusiker wieder entfernt und durch seine eigenen ursprünglichen "Schmutzspuren" ersetzt. Wie heisst es im Booklet so schön am Ende jedes Songs bei den Recording-Infos? "Who to blame". Das macht fast den Eindruck einer musikalischen Diktatur. Aber ich sage: wenn das das Ergebnis ist -- bitte! Grundsolides Songwriting war schon immer Markenzeichen des Musikers Gildenlöw, aber vor allem war er noch sie so stark am Mikro wie hier.
    Dieser Teil eins von Road Salt ist definitiv wieder ein Konzeptalbum. Zwar haben wir keine wiederkehrenden Phrasen, alle Songs in ihrer unterschiedlichen Charakeristik funktionieren durchaus allein, aber der musikalische Stil der Platte ist sehr geschlossen. Ausserdem zieht sich das Leitmotiv des staubigen, harten Weges vom Opener bis zum vorletzten Titelsong irgendwie immer durch. Nach dem recht friedlichen, bluesrockigen Albenanfang, dem deutlich agileren zweiten Teil (mal vom Titelsong abgesehen) und dem mysteriösen letzten Cliffhangersong bin ich mehr als gespannt auf die baldige Fortsetzung! Und wehe, das Label hat wieder die Kohle knapp und muss die Produktion nochmal nach hinten verschieben...

    Diese Schweden sitzen bei klassischem Bluesrock ebenso sicher im Sattel wie beim Prog-Metal. Extrem geile Scheibe!

Linoleum
Typ1 CD / Studio (EP)
Jahr2009
LabelInsideOut
Songs
  1. Linoleum
  2. Mortar Grind
  3. If You Wait
  4. Gone
  5. Bonus Track B
  6. Yellow Raven
    Nach dem Vorgänger Scarsick (s.u.) kamen die Besetzungsprobleme in die Band. Und nach der Veröffentlichung der DVD - On The Two Deaths Of Pain Of Salvation (s.u.) im Frühjahr 2009 sah es (auch mal von dem unheilsschwangeren Titel der DVD abgesehen) einige Zeit ziemlich düster für die Schweden aus. Ich persönlich hatte mich schon damit abgefunden, in absehbarer Zeit keine Neuveröffentlichungen mehr zu erleben. Umso erfreuter war ich, als ich mehr durch Zufall vom Release dieser EP im späten November 2009 las, die auch lediglich ein kleiner Lückenfüller sein soll. Denn für Frühjahr 2010, ich meine sogar schon für März, ist denn gleich ein frisches Doppelalbum mit Namen Road Salt angekündigt.
    Entsprechend knapp ist der Umfang dieser EP, nichts desto trotz eine tolle Überraschung kurz vor Jahresende und ein vielversprechender Appetithappen, der auf eine sich weiterentwickelnde und weiterschaffende Bandgeschichte hoffen lässt!

    Linoleum (Track #1) legt mit einem heiser krächzenden Frontmann Daniel Gildenlöw los, der in gebrochenem Deutsch "eins, zwei, drei" ins Mikro schreit, beziehungsweise röchelt. Es setzen schräg sägende E-Gitarren ein, bevor eine abgehackte Hammondorgel, Bass und Schlagzeug urig losrocken. Der Songstil und besonders der Gesang erinnern sehr ans bissige Voralbum, der Sound der Instrumente eher an dreckigen 70er-Jahre Rock. Auch die Produktion ist schlicht, fast im Stil einer garagerockenden Anfängerband gehalten. Sehr charmant! Auf allzu viel Gefrickel in Rhythmus oder an den Gitarren wird verzichtet, aber in der mittigen Bridge des Fünfminüters, die über eine Synthesizerfläche einen neuen Touch in den Song bringt, bevor es zum Showdown geht, wird die Güte der Produktion - übrigens auch im Arrangement der Instrumente und des tollen Gesangs durchweg vorhanden - hörbar.
Gleich reinhören und -sehen? Das offizielle Video zum Titelsong gibt es bei YouTube:
Pain Of Salvation - Linoleum
    Mortar Grind (Track #2) rockt ebenfalls, ist noch eine Spur majestätischer und düsterer. Tonangebend sind ein dreckig schnarrender Bass und die ausdrucksstarke, kräftige Stimme des Frontmanns. Nur ganz weit im Hintergrund zaubern Gitarren und Synthi füllende Flächen in den Song.
    If You Wait (Track #3) ist mit nicht einmal drei Minuten ein kleines Zauberstückchen, das einmal mit mehr Synthesizer, locker hüpfenden Drums, fliessenden Harmonien und einer beinahe soulig-folkigen Gesangslinie einfach nur entzückt.
    Gone (Track #4) erinnert mit der Länge von fast acht Minuten erstmals an die progressive Vergangenheit der Band voller tragisch-romantischer Epen. Auch hier wird technisch wenig nachgeholfen, es wird nicht wüst soliert, aber der Song durchläuft zahlreiche Spannungswechsel, wirkt daher sehr kurzweilig. Da das Grundthema sich nur sehr wenig wandelt, geht besonders seine Hookline gut ins Ohr.
    Bonus Track B (Track #5) ist ein zweieinhalbminütiger Ulk der Band. Hier quatschen und philosophieren die Mitglieder amüsiert über Sinn und Unsinn von Bonustracks bei Musikalben. Besonders witzig ist dieser Gesprächs-Schnipsel, weil direkt im Anschluß nach der Lästerei ein selbiger kommt...
    Yellow Raven (Track #6) heisst jener, es handelt sich um einen Coversong der deutschen Scorpions (Album Virgin Killers, 1976), ein mir bis dato unbekannter früher Balladen-Klassiker jener Band. Mit schwimmenden Synthis und flötenden Gitarren wird der 70er-Rock stilecht nachgespielt, daß auch Led Zeppelin oder Pink Floyd nichts zu meckern hätten. Ein sehr charismatischer und ruhiger Abschluß für die EP.

    Diese EP ist ein verzückender Leckerbissen, der mich ohne Geschnörkel und mit viel Charme des "mittendrin statt nur dabei" erfreut. Trotzdem ist die Produktion wasserdicht, was vor allem einem tollen Songwriting und Arrangement zu verdanken ist. Dank der Coverfassungen und anderen Songs mehr als ein lohnenswerter Ausblick auf das ein halbes Jahr später veröffentlichte Road Salt One (2010) [s.o.]

Scarsick
Typ1 CD / Studio
Jahr2007
LabelInsideOut
Songs
  1. Scarsick
  2. Spitfall
  3. Cribcaged
  4. America
  5. Disco Queen
  6. Kingdom Of Loss
  7. Mrs.Modern Mother Mary
  8. Idiocracy
  9. Flame To The Moth
  10. Enter Rain
    Ich muß gestehen, daß der Kauf dieses Albums eher auf einer Reihe (über-)glücklicher Zufälle beruhte. Nach der Remedy Lane (s.u.) hatte ich die Band und ihr aktives Schaffen ein wenig aus den Augen verloren. Als ich Rezensionen zur Be (s.u.) las, war ich wenig begeistert. Scheinbar hatte die Band einen mächtigen Satz in ihrer musikalischen Ausrichtung gemacht. Von postmodernen Elementen war die Rede, von überdeutlichen Synthesizerflächen und ungewohnten Stilen, mich reizte da wenig.
    Nun, der Weihnachtsmann hatte ein paar Talerchen dagelassen, die möglichst sinnvoll untergebracht werden sollten. Mehr durch Zufall sah ich im Web, daß Pain Of Salvation wieder in Deutschland touren. Da gab es für mich kein Halten. Denn egal was da gespielt würde: diese Musiker darf man sich bei den gegebenen Kondition niemals entgehenlassen. Also - kurzum ab zum Tickethändler des Vertrauens, Karten geholt und alles gut.
    Erst nach dem Kartenkauf merkte ich, daß ein brandneues Album auf dem Markt ist - dieses hier. Eine naheliegende Idee, daß beim Konzert davon was zu hören sein könnte (jaja, manchmal bin ich ein richtiger Sherlock Holmes *grins*). Wegen der Frische des Werkes war im Web nicht viel nachzulesen - gut, dann muß die Sache eben gekauft werden, um sich selbst ein Bild zu machen...

    Anderes als früher macht die Band, soviel war mir nach den ersten Takten von Opener und Titelsong Scarsick (Track #1) gleich klar. Das erste was Sänger Gildenlöw zu den wüsten Klängen ins Mikro schreit ist ein wütendes "sick!". Die Harmonien sind ungewohnt orientalisch, die Musik freakig, von dem ehemaligen Schweden-Pathos nichts zu merken. Was mir beim ersten Hören auffiel - der Eindruck ist bis heute geblieben: der Opener ist mit seinen sieben Minuten zu lang. Das Erstaunliche daran für mich ist, daß ich nicht sagen kann, warum! Es wird nicht ein Thema totgedudelt, ich wüßte nicht, wo man kürzen sollte. Dennoch finde ich die Nummer zu lang. Hm.
    Der Folgesong Spitfall (Track #2) setzt die Stimmung des Openers fort. Düster, ruppig und wütend zieht der Song an, Gildenlöw praktiziert eher Rapcore als daß er singt. Abgesehen vom Chorus, denn da überfluten einen die gewohnten Melodielinien des Frontmanns. Obwohl dieser Song noch ein paar Sekunden länger als der Opener ist, geht das hier alles in Ordnung. Prima Nummer.
    Cribcaged (Track #3) betritt anderes Terrain. Sanfte Klänge zu Beginn, ein paar glückliche Babyquietscher-Samples erklingen im Hintergrund. Die ersten Strophenparts sind butterweich, erinnern an die alte Schwedenmelancholie. Doch der Sechsminüter wird nach und nach verdichtet. Musikalisch entpuppt er sich gen Ende als bitterböse Abrechnung mit der Gesellschaft und den Mitmenschen und einem haßerfüllten Verfluchen von allem und jedem, vor allem aber jenen Menschen, die sich selbst für etwas Besseres halten. Sie werden mit dm Hinweis "you're just people!" auf den Teppich zurückgeholt. Ein unglaublich charismatischer Song!

    Dann wird auf einmal gerockt, America (Track #4) zieht unkontrollierbar ab. Das Metrum des Gesangs ist ungewöhnlich, die abgedrehten Harmonien und seltsamen Instrumentaleinsätze (Saloonpiano, Geigen, Tuba, Banjo etc.) werden zu einem irrwitzigen Lange-Nase-Drehen gegen die Pseudo-Weltsherrifs jenseits des großen Teiches. Was sogar hier nicht fehlen darf: die obligatorische Werbeunterbrechung, die zur Hälfte des Songs mit einem "we'll be back after this short break!" angekündigt wird und einen Break von Sekundenbruchteilen zum Luftholen bedeutet. Zügig geht die Lobeshymne weiter mit Textzeilen wie "Each day a new store, each year a new war." Derartige Späße habe ich niemals zuvor von den Schweden-Proggern gehört.
    Noch bizarrer ist die Disco Queen (Track #5). Die ersten Takte und Harmonien hören sich an, als hätte man Abba eingekreuzt. Der Achtminüter wird zu einem einzigen Theatre Bizarre, denn wenn man sich eine überschminkte Diskobraut in den Achtzigern auf Speed vorstellt, kommt man dem Esprit dieses Songs schon recht nah. Neben der Entrücktheit dieses Songs wird vor allem das Gesangstalent von Frontmann Gildenlöw und der Hintergrundsänger deutlich. Besonders, wenn man die Nummer schon einmal live gehört hat und weiß, daß da nichts gefaket oder technisch aufgepeppt wurde. Das stetige Crescendo innerhalb des Songs findet kurz vor Ende seinen krachenden Höhepunkt, in dem der Titel unglaublich treibt - ohne merklichen Bruch. Ein meisterhaftes Songwriting!

    Die zweite Albenhälfte beginnt mit Kingdom Of Loss (Track #6), einer kleinen Anspielung auf alte Zeiten. Auf der Perfect Element (s.u.) gab es mal den King Of Loss. Musikalisch ist die Anknüpfung genehmigt, die Klänge erinnern an die klassische Skandinavimelancholie. In bitteren Klängen wird mit den heutigen Medien abgerechnet: Talkshows, billige Doku-Soaps und Sensationsgeilheit stehen im Mittelpunkt, wenn Gildenlöw "live on sale!" singt.
    Die Abrechnungswelle setzt sich bei Mrs. Modern Mother Mary (Track #7) fort (anbei: was für eine geile Alliteration für einen Songtitel). Im Fadenkreuz steht hier die Verlogenheit in heutiger Philosophie und Glaube: "life will never be the same, i have a better view since I found god".
    Es folgt die Idiocracy (Track #8), ein bizarr drogenverwaschener Hoffnungsmacher, der uns raten will: "so close your eyes, just take another deep breath now and fantasize, pretend the world we're forming is a paradise". Eine bittere Pille, die die Fähigkeit des Menschen zum Selbstbeschiss bloßstellt. Besonders bitter ist das Songende: tatsächlich waschen einen Ruhe und Seelenfrieden hinfort, daß es eigentlich keinen Grund gibt, sich zu wehren.
    Ein letztes Aufbegehren oder Wachrütteln soll wohl Flame To The Moth (Track #9) bringen, ein letzter Aufruf sich zu wehren - wogegen auch immer. Der ruppige Song bebt vor unterschwelliger Aggression, die Schreie von Gildenlöw erinnern an Nu Metal wie Linkin Park oder Papa Roach. Der Text ist recht unverbindlich, bietet viele Ansätze. Worum es grob geht, verrät uns schon der Titel: die Motte, die zur Flamme fliegt, oder ist es gar die Flamme die zur Motte kommt -- ähnlich wie der Berg, der zu seinem Propheten muß? Fragen über Fragen *grins*.
    Der Ausklang wartet: Enter Rain (Track #10) ist mit zehn Minuten der längste Song des Albums. Vom Klangprofil die alte Schule: düster, getragen, unheilsschwanger und leidend. Denn der Regen, um den es geht, ist der Regen der Apokalypse. Ein Entkommen ist unmöglich, alles wird von der Flut weggewaschen: Sünden, Erinnerungen, du und ich... Die epochale Tragik des Titels ist erdrückend und schaurig schön, das Auf und Ab der einzelnen Parts gut balanciert, so daß er Song sehr kurzweilig ist. Das Ende des weitläufigen Rundumschlag-Albums ist sehr filigran. Nach den Ausklängen des Songs hört man im Hintergrund noch Sirenen von Polizeifahrzeugen vermischt mit ein wenig Atmosphärenklängen. Erst als diese langsam ausblenden, kommen ganz, ganz weit im Hintergrund und irrwitzig leise Streicherklänge aus dem Keyboard, die für wenige Sekunden einsam und kaum merklich getragene Akkorde spielen. Ein tragisch-schöner Abschluß des Werkes.

    Alles und jeder auf dem Prüfstand - was für ein geiles Progalbum voller Biss und bizarrer Komik!

Be
Typ1 CD / Studio
Jahr2004
LabelInsideOut
Songs
  1. Animae Partus
  2. Deus Nova
  3. Imago
  4. Pluvius Aestivus
  5. Lilium Cruentus
  6. Nauticus
  7. Dea Pecuniae
  8. Vocari Dei
  9. Diffidentia
  10. Nihil Morari
  11. Lateritius Valette
  12. Omni
  13. Iter Impius
  14. Martius / Nauticus II
  15. Animae Partus II
  Dieses Album hat bei seinem Erscheinen bei Progfans und speziell bei eingefleischten Pain Of Salvation-Anhängern die Lager gespalten. Ich habe mir die Platte erst nach viel Überlegung und ausgiebigem Lesen anderer Rezensionen zugelegt. Um es vorweg zu sagen: ich verstehe das zwiespältige Verhältnis der Fans zum Werk, bin aber dennoch froh, mir den Silberling gekauft zu haben. Mehr Fazit aber lieber am Ende *grins*.
  Wie der Albentitel Be sagt, geht es um das Sein. Ein philosophisch anmutender Ansatz, auch wenn das bei dieser Band im Grunde unnötig zu erwähnen ist. Doch hier geht es nicht um menschliche Schicksale, Tragödien und kleine Geschichten aus dem Leben. Es geht um das Sein an sich, im Grunde um alles, was da ist, das Woher, das Wie, das Wohin. Für eine Horde wüster "Rocker" ein ziemlich dicker Ansatz, und dann auch noch alle Songtitel in Latein zu verfassen! So wurde dem Masterbrain Daniel Gildenlöw von einigen Seiten Größenwahn vorgeworfen. Laut eigener Aussage, trug er die Ideen und das Konzept für dieses Werk gute zehn Jahre mit sich herum, bis es - ausgereift - zu diesem Album wurde. Ich steige mal wieder über das Äussere ein. In einem düsteren Schwarz präsentiert sich das Cover, der Schriftzug mit dem verschnörkelten Be ist unter dem hellen Bandnamen nur schwer auszumachen. Doch für mich bedeutet dies zunächst nur eine komplette Neutralheit, quasi das Nichts, aus dem alles kommt. Im Booklet gibt es eine Staffelung von durchnummerierten Bilderchen und Ausschnitten, die irgendwie zum jeweiligen Inhalt des Songs passen, ohne hierbei eine zu verbindliche Richtung vorzugeben. Spiel für eigene Gedanken und Assoziationen bleibt immer. Aus dem Nichts entsteht alles, so auch im philosophischen Ansatz der Schwedenprogger:

  Animae Partus (Track #1) ist der Beginn allen Seins. Unter einem Seufzer und Tönen eines Herzschlags entsteht eine Gottheit, die unter gespiegeltem Echo teils von Daniel Gildenlöw gesprochen wird. Aber in gleichen Teilen spricht auch eine Frau, die geschlechtliche Neutralität ist gewahrt. Und dieser zwiegeschlechtliche Gott führt nun quasi ein Selbstgespräch, er weiß nicht, woher er stammt, wer er ist, was seine Aufgaben sind. Also gilt es, die Entwicklung abzuwarten, das eigene Sein zu ergründen. Ach ja: Musik gibt es in der knapp zweiminütigenen Genesis nach Gildenlöw keine!
  Deus Nova (Track #2) eröffnet instrumental mit einem unheilsschwangeren Mischmasch aus Synthesizerklängen und Streichern und Bläsern, die für dieses Album engagiert wurden. Plötzlich sind die bandtypischen Gitarrenriffs und ein Schlagzeug da, ziehen das Tempo an. In dieser Strecke wird eine Auflistung der irdischen Menscheit eingesprochen: von einer Million Menschen um 10.000 vor Christus, einem linearen Anwachsen auf 100 Millionen um Christi Geburt. Ab dort geht es mit dem Wachstum rasant voran, das vorläufige Ende der Menscheitsexplosion wird mit 6 Milliarden Menschen im Jahr 2000 nach Christus beziffert. Und plötzlich ist wieder Ruhe, der zweigeschlechtliche Gott spricht wieder. Er habe die Welt als Spiegelbild für sich selbst geschaffen, ist nun selbst verwirrt. Ist da etwas aus dem Ruder gelaufen? Jedenfalls ist auch die Gottheit gespannt auf die Weiterentwicklung, meint, von der Masse der Menschheit, ihren vielen Ansichten und neuen Götzen etwas lernen zu können. Fiebern wir doch einfach mit...
  Imago (Track #3) scheint eine kleine Reise zurück in der Zeit zu sein. Urige Trommeln stampfen, die instrumentale Linie klingt ein wenig nach Irish Folk, gemischt mit Wikingergeschichten. Ich fühle mich in der Mixtur aus rhythmisch trickreichen Banjoarpeggios, hohen Klavierläufen, Flötentönen und wuchtigen Trommeln zumindest sehr an den Highlander erinnert. Gesungen wird von Wäldern, dem Ozean, dem Wechsel der Jahreszeiten und dem Wunder des Seins, Lernens und Wissens. Der fünfminütige Song ist so ganz anders als alles anderen Sachen die man zuvor von der Band kannte, bietet aber dennoch eine unüberhörbare Schnittmenge und ohrgängige Melodiephrasen! Der Ausklang ist langgezogen, die stampfenden Trommeln klingen in einem beginnenden Regen und Gewitter allmählich aus.
  Pluvius Aestivus (Track #4) beginnt noch mit dem Regen des Vorsongs (der englische Subtitel sagt es mit Of Summer Rain schon), doch der blendet schnell aus. Es tröpfeln an seiner Stelle schöne Klavierläufe, die von hohen, gebundenen Streicherakkorden sowie tiefen, sehr akzentuierten Pizzicatos untermalt werden. Ein leichtes Crescendo ist den gesamten Song über da, letztlich bleibt es ruhig, klassisch und instrumental. Einfach einmal fünf Minuten Ruhe und entspanntes Schwimmen im Reigen klassischer Klänge und Harmonien. Toll!
  Lilium Cruentus (Track #5) bringt auf einmal die althergebrachten Klänge von Pain Of Salvation. Er ist ein fünfminütiger Song, der sich nahtlos an den alten Stil anpasst. Wuchtige Riffs und Drums, energischer Gesang und zahlreiche Rhythmus- und Harmonieumbrüche jagen einander. Ein dünner Bläsersatz (Fagott, Oboe?!) hält nur ganz dezent den bisherigen Stil in der Spur. Auch dieser Song ist in Kapitel unterteilt, deren Titel Gildenlöw wie Regieanweisungen im Hintergrund einspricht. Zum textlichen Inhalt sage ich lieber nichts; ich fürchte, da kann man sich schnell aufs Glatteis begeben. Ich fasse ihn als einen willkürlichen Fokus auf Einzelschicksale und Gefühle auf. Da soll sich jeder lieber seinen Teil zu denken!
  Nauticus (Track #6) schlägt nun wieder in eine komplett unerwartete Richtung. Knappe fünf Minuten bringt der gesamte Track auf, teilt sich hierbei deutlich in zwei Teile. Zu Beginn hören wir kurz dünne Saitenklänge irgenwo zwischen hohen Westerngitarre und Banjo, die Trommeln aus Imago (s.o.) stampfen kurz mit an, hier jedoch nur ganz selten, sie bilden keinen durchgängigen Rhythmus. Den Hauptteil in dem klanglich dünnen Part übernehmen mehrere Gesangsstimmen, die teilweise die bluesige Melodie (es wird auch noch von "Oh Lord" gegospelt!) umsingen und umsummen. Beschreiben könnte ich diese charismatisch dichte Stimmung am ehesten so: man stelle sich eine Horde seefahrender Wikinger allein auf dem Ozean vor, die im tosenden Sturm um sich herum lethargisch den Blues für sich entdecken. Hört sich bizarr an? Naja, die Nummer muß man wohl hören, um es nachhvollziehen zu können.
  Der Schlußteil macht einen scheinbar komplett zusammenhangslosen Zeitsprung ins Hier und Jetzt. Wir finden uns in einem kurzen Hörpspielintermezzo wieder, in dem ein scheinbar gutbetuchter Businessmann mit seinem dicken Schlitten protzt. Er spricht mit einer Frau, der er zwei Optionen eröffnet. Entweder sie fährt sein heisses Auto, oder sie nimmt seinen "echten" Schaltknüppel in die Hand. Vom gottanrufenden Wikingervolk zum Businessmacker? Wie da ein Zusammenhang besteht, verrät uns der nächste Song!

  Auf dem Zenit des Album wartet Dea Pecuniae (Track #7) auf uns, mit ziemlich genau zehn Minuten längster Song überhaupt. In einem geshuffelten Sechsachteltakt zieht der Song gemütlich an, nachdem wir noch den fett motorisierten Wagen haben wegfahren hören. Der Songtitel sowie dessen Protagonist "Mister Money" sagen uns, wie dies alles zusammenhängt. Die momentane Göttin der Menschheit ist Geld, das Business, das Streben nach Erfolg und Ruhm. So zumindest verrät es uns besagter Mister Money. Er feiert sich selbst, seinen Reichtum, er erhebt das Glas, um vor den Versagern um sich herum auf sich selbst anzustossen. Der anfänglich bluesig-getragen angehauchte Song (kleine Zwischensoli besonders zu Beginn haben den Blues gepachtet) bleibt in dem Genre, wächst sich aber nach und nach zu einer wuchtig-monströsen Orgie aus. Auf dem Höhepunkt der Feier wirft der gutgelaunte Mr.Money sein geleertes Glas in Scherben und prophezeit: "am Ende bleibt nichts anderes als Geld". Ist es das also? Das Fazit, die Quintessenz, der Sinn des Lebens? Das Kapitel schließt hier zunächst ohne weitere Cliffhanger, Mr.Money hat ausgefeiert. Wir werden ihm im späteren Verlauf des Albums aber noch wiederbegegnen...

  Vocari Dei (Track #8) springt nun aus der Feierlaune komplett heraus, ist genau das, was der Titel uns sagt: ein "Anrufen Gottes". Verschiedene Fans der Band sprechen hier unterschiedliche Dinge ins Telefon an einen Gott, der sich das - hoffentlich - am anderen Ende zumindest anhört. Es gibt kurze Danksagungen an diesen Gott, Bitten verzweifelter Menschen, kleine Anekdoten, Entschuldigungen oder Nachfragen. All dies unterlegt von einem leichten und unaufdringlichen Mischmasch aus Klavier, gezupften Gitarren und Orchester. Hier heißt es vier Minuten zuhören, mal schmunzeln, mal mit hoffen. Die Vielfalt der Menschen, ihrer Sorgen und Bedürfnisse ist schön eingefangen und einfach nett zusammengesetzt.
  Diffidentia (Track #9) stellt einen Wandel dieser Perspektive. Es setzt ein Klavier ein, das wie ein roter Faden hohe Akkorde durch den Siebenminüter zieht. Wuchtige, langsame und verzerrte Gitarrenchords bringen uns zusammen mit Daniel Gildenlöws Gesang in die "traditionelle" Klangsphäre der Band. Der textliche Inhalt dreht sich um das vorwurfsvolle Anrufen eines Gottes durch die Menschen, der seinerseits nicht zu antworten scheint, einer beiderseitigen Entfernung zu einander, die im langsamen Untergang oder Ertrinken zu enden droht. Die inhaltliche Kluft wird durch die musikalische Linie unterstützt, denn zwischen den tragisch-brachialen Stellen, die durch die wuchtigen Distortiongitarren getragen werden, gibt es viele Stellen, die instrumental stark ausdünnen, nur noch durch das konstante Piano, einige Streicherklänge und Gesang gehalten werden. Der Ausklang ist gedehnt, nach und nach ebben alle Instrumente ab, bis nur noch das anfängliche Klavier die letzten dünnen Töne einwirft.
  Mit Nihil Morari (Track #10) kommen wir der "alten Schule" wohl am nächsten. Das Songprofil klingt, abgesehen von gebundenen Streichern im Hintergrund, nach den alten schaurig-schönen Titeln der Voralben. Es wird in breiten Riffs gedrückt, Tonart und Metrum brechen mehrfach, der Instrumentenschwerpunkt wandert fliessend. Die grobe Überschrift ist die Populationsexplosion, ein "Überleben des Stärksten" letztlich ein unkontrollierbares Wirrwarr. Auf dem Höhepunkt des Songs peitschen uns unzählige Stimmen um die Ohren, es herrscht musikalische Hektik, der Populationszähler aus Deus Nova (Track #2) [s.o.] schnellt auf eine satte 9,1 Milliarden Menschen im Jahr 2050 hoch. Dazu bekommen wir -natürlich- passend das musikalische Thema aus dem zweiten Titel wieder zu hören. Zum Ende dünnt das Ensemble merklich aus, nur Orchester und eine leichte, melodische Gesangslinie tragen uns aus diesem Höhepunkt bzw. Bodycount.
  Latericius Valete (Track #11) ist langsam und orchestral dominiert. Er wirkt wie ein Ruhepunkt in all dem Chaos, und es gibt in der überschaubaren Musiklinie nur eine gesprochene Zeile, die uns mitteilt, daß es einen nicht näher beschriebenen GAU gegeben haben muß, denn wir befinden uns im Jahr 2060 n.Chr., in dem auf einmal nur noch 1,2 Millionen Menschen auf der Erde sind.
  Der kurze Omni (Track #12) besteht zunächst hauptsächlich aus einer Kirchenorgel, die einen langgezogenen Basston und wenige hohe Melodieakzente spielt, die harmonisch nur schwer auf den Grundton passen wollen. Dann kommt erstmal eine Gesangslinie von Gildenlöw darüber, die sich um die Melodieakzente der Orgel schlängelt - irgendwie immer mit leicht merklichem Hang zum Schiefliegen. Auf dem Zenit des Songs vervielfachen sich Orgel und Gesanglinien auf einen choralen Moll-Akkord, der wie in einer riesigen Kathedrale unheilsschwanger ausklingt.
  Iter Impius (Track #13) legt mit zaghaften Pianoarpeggios los, ein leiser, weicher und nachdenklicher Gesang setzt ein. Hier spricht ein alter Bekannter zu uns: es ist jener Mr.Money, der die große Katastrophe überlebt hat. Er steht, bar jeder Erklärung für das Geschehene, in landschaftlicher wie musikalischer Trümmerlandschaft. Spürbar mischen sich Verzweiflung, Ratlosigkeit und die Gewissheit, doch irgendwie weitermachen zu müssen, in einander. Es gibt einen schönen B-Part in diesem langsamen, nachdenklichen Sechseinhalbminüter, der mit dezenten Solomelodien der Gitarre zwischen Piano, Orchester und Restband vermittelt. Hier rückt unser einstiger Partylöwe nochmals in unseren Fokus, wird hier jedoch zum tragischen Helden, dessen weiterer Lebensweg uns verborgen bleibt.
  Martius / Nauticus II (Track #14) führt diesen herrausfahrenden Fokus schlüssig fort. Im ersten Teil bekommen wir Orchester und Band zusammen mit dem Gesang als ein Ensemble, das über einen selbstreflektierenden Gott erzählt, bevor es bald zum zweiten Teil Nauticus II geht. Und, klar, hier hören wir die Phrasen und Themen des Irish Folk in seiner Leichtigkeit wieder. Es ist ein unverkennbare Zusammenlegung aus Imgao (Track #3) [s.o.] und Nauticus (Track #6) [s.o.], die nur leicht variiert und gesteigert werden. Noch einmal flitzen die Jahreszeiten, die Erde, die Ozeane, das ganze Sein in ohrgängigen Melodien und mit stampfenden Wikingertrommeln an uns vorüber, schaffen einen versöhnlichen Abschluß.
  Animae Partus II (Track #15) besteht nur noch aus unserer weiblen Gottesstimme, die, um den Kreisschluß zwischen Alpha und Omega zu vollenden, kurz ein "I am!" spricht, das in der Ewigkeit verhallt...

  So, was nun. Ein Werk mit philosophischem Ansatz, das Kreise vom Entstehen der Gott- und Menscheit mit einem Brennpunkt auf dem aktuellen Hier und Jetzt schließt, dann wieder mit der Kamera herausfährt und uns alles und doch nichts erklärt. Oder doch nur Größenwahn des Frontmanns Daniel Gildenlöw?
  Ich sage: beides! Je nachdem, wie man das Werk auffasst. Ich habe es mir nach reiflicher Überlegung erst nachträglich zugelegt. Und ich verstehe die vielen Stimmen aus dem Fanlager, die sich entsetzt gaben, ein wenig. Denn wenn ich mir vorstelle, ich hätte nach dem großartigen Voralbum Remedy Lane (s.u.) heiss und innig auf eine neue Scheibe gewartet und dann diese hier erstmals gehört, ich denke, ich wäre auch nicht begeistert gewesen. Der Stil hat sich zu den Voralben stark gewandelt, ist ein scheinbar krasser Genre-Sprung. Und doch hört man allerorten den alten Stil der Band überdeutlich heraus. Außerdem ist sie ein für mich schlüssiges Werk, das die Entwicklung der Band zum Nachfolger Scarsick (s.o.) unüberhörbar erklärt. Während die tragisch-melodiösen Anknüfungen an die Voralben nicht sehr zahlreich sind, zeigt diese Platte musikalisch und inhaltlich die Tendenzen von Gesellschaftskritik, bissigem Humor (Sarkasmus?!) und musikalisch experimentellen Elementen, die mir beim der Scarsick völlig ungewohnt unterkamen.
  Es ist ein Album, für das man die Zeit mitbringen sollte, in dessen vielfältigen und kurios gemischten Klängen und Ideen (ich möchte nicht zwangsweise von "Weisheiten" sprechen, denn ich denke, so weit würde Frontmann Gildenlöw selbst nicht gehen) man eine satte Stunde versinken kann. Ich persönlich bin froh, mir die Platte doch zugelegt zu haben. Sie wird wegen ihrer musikalischen und bandinternen Exzentrik vielleicht nicht so oft runtergerappelt wie die anderen Werke, aber sie ist eine Platte, die eine Brücke zwischen den Stilen der Band darstellt und bei jedem gezielten Geniessen sicher dauerhaft Freude macht! Wer zweifelt -- testhören und selbst entscheiden...

  Ganz anders und doch hörbar Pain Of Salvation. Ein toller Philosophie-Exkurs!

Remedy Lane
Typ1 CD / Studio
Jahr2002
LabelInsideOut
Songs
  1. Of Two Beginnings
  2. Ending Theme
  3. Fandango
  4. A Trace Of Blood
  5. This Heart Of Mine
  6. Undertow
  7. Rope Ends
  8. Chain Sling
  9. Dryad Of The Woods
  10. Remedy Lane
  11. Waking Every God
  12. Second Love
  13. Beyond The Pale
    Thematisch und musikalisch liegt die Remedy Lane beim Vorgänger Perfect Element (s.u.). Was liegt also näher, als bei der Rezension genauso vorzugehen!
    Auf dem Cover sind zwei stylisierte menschliche Körper (respektvollen Gruß an die Designer/Graphiker!), einer davon männlich, einer weiblich. Die Haltung der Figuren zu einander kann vielfältig ausgelegt werden - aber perfekte Harmonie sieht anders aus. Hmmm...
    Was sagt uns der Albentitel Remedy Lane: der "Weg des Leidens"? Ob die Musik das alles schlüssig zusammenbringen kann? Soviel vorweg: ja, sie wird.

    Harmonisch geht es bei Of Two Beginnings (Track #1) los, zwei Anfänge, zwei Personen, eine davon männlich, eine weiblich. Aber was sucht die Düsternis in den Klängen? Textzeilen wie "she is twelve, i'm only ten" erzählen von einer Verführung eines zehnjährigen Jungen durch ein zwölfjähriges Mädchen. Das lyrische ich gibt sich (versuchen wir einmal, uns an diese Zeit unseres Lebens zurückzuerinnern!) verständlicherweise verwirrt: "she's so old - already twelve and I am only ten". Aber bevor Jugenschützer auf den Plan gerufen werden: nein, es kommt nicht zum Schweinskram zwischen den Kindern. Der verzweifelte Junge möchte die Nähe, spürt, daß da mehr ist, kann mit der Situation letztlich nicht umgehen. Das tragisch-bizarre Szenario, das sich in einem Hotel in Budapest ereignet, erklärt die Känge, die der nicht einmal zweineinhalbminütige Opener mit sich bringt.
    Und mal wieder ein fließender Übergang ins Ending Theme (Track #2). Witzig allein schon, einen Titel wie diesen an den Anfang eines Albums zu setzen. Der Song dreht ein wenig mehr auf, was die Sounds angeht, bleibt aber im Grunde auch theatralisch düster. Im Text ist von einer späteren Wiederkehr in jenes Hotel die Rede und vom "first step down Remedy Lane", bringt neben der inhaltlichen Verknüpfung an den Opener schon Vorschau auf kommende Themen - Details erspare ich mir und dem geneigten Leser aus guten Gründen... jeder erträgliche Rahmen würde ansonsten gesprengt. Belassen wir es dabei, daß der "Anfang vom Ende" sich früh zu erkennen gibt.
Einmal reinsehen und -hören? Das offizielle Video (Live-Fassung) gibt's hier:
Pain Of Salvation - Ending Theme [Live] (Offizielles Video)
    Nahtlos hüpfen wir in den Fandango (Track #3). Hüpfen deswegen, weil es sich scheinbar um einen Tanz handelt: "watch them dance" singt Daniel Gildenlöw zumindest zu Beginn mehrfach. Dieser fast sechsminütige Tanz ist weltweit einzigartig! So einfach die Chorusline ist (fast schon poppig schmalzig!), so abartig ist das komplette Metrum des Songs. Ich glaube, daß man alleine darüber eine Doktorarbeit der Musikwissenschaft verfassen könnte!
    A Trace Of Blood (Track #4) ist verglichen damit schon wieder platt. Musikalisch grenzt die Nummer stellenweise an Metal, zieht die bisherige Tragik in Textzeilen wie "two young souls in misery" und deutlichen Tonartbrüchen irgendwie doch mit.

    Dann kommen Ruhe und Frieden in The Heart Of Mine (Track #5). Eine zuckersüße Ballade. Zwischen den Zeilen (das lyrische Ich beobachtet eine schlafende Frau neben sich in Entzücken: "i lie awake watching your shoulders move so softly as you breathe") geht es ums Altern und Sterben, das Fazit ist jedoch: komme was da wolle, solange du bei mir bleibst: "with every breathe you're growing older, but that is fine if you're with me". Ein angenehmer Ruhepol auf dem Leidensweg!
    Daß auf dem Weg der Leiden solche Freuden die Ausnahme bleiben, bestätigt Undertow (Track #6). In zappendüsterer Stimmung sing ein verzweifelter Gildenlöw zunächst noch bittende Zeilen wie "let me go, let me seek the answer that I need to know, let me find a way, let me walk away through the undertow", bis am Ende aller Lebenswille hin ist und er nur noch schreit: "let me die... let me out, let me fade into that pitch-black velvet night". Nach einem verhaltenen Intro baut sich der Song zauberhaft auf.
Auch hierzu gibt's ein offizielles Video:
Pain Of Salvation - Undertow (Offizielles Video)
    Das Senario wechselt, das Thema bleibt dasselbe: Rope Ends (Track #7) erzählt in zerhackstückelter Rhythmik vom vergeblichen Selbstmordversuch einer jungen Frau, die sich mehrfach in ihrem Bad zu erhängen versucht. In herrlichem Kontrast steht der mehrstimmige Gesang zu den düster verzerrten Gitarren. Vom Tempo ist der Song eher unterdurchschnittlich, baut aber durch die Atmosphäre und Tragik jede Menge Druck auf - ein kompositorisches Meisterstück!
    Wir kehren in Chain Sling (Track #8) irgendwie zu unserem Tanz zurück. Von einem jungen tanzenden Paar ist die Rede, das durch das Schicksal mit einander verbunden wurde. Dieser Tanzrhythmus ist nicht ganz so schräg wie der bei Fandango, aber hier arbeiten Gesang und Instrumente haarfrein zu einander, haben sozusagen ihren eigenen Tanz.

    Wieder kommen Ruhe und Besinnung, denn das fünfminütige Dryad Of The Woods (Track #9) ist instrumental und friedvoll, schlägt völlig aus der Art. Zwischen den leichten Gitarrenpickings kommt ab und an ein flockiges Piano.
    Und dann kommt der Titelsong Remedy Lane (Track #10). Wie gibt sich der Namenspate? Etwa ein zehnminütiger Opus-Kracher? Nein, das Gegenteil: zwei Minuten lang tobt sich ein Synthesizer harmonisch aus - die Nummer ist auch instrumental.
    Aber immer mit der Ruhe: denn seine Schlußklänge gehen in Waking Every God (Track #11) über. Der ist der melodiöse Opus-Kracher mit dickem Crescendo - auch wenn er nur fünf Minuten lang ist!

    Noch eine Ballade kommt mit Second Love (Track #12). Auch wenn sich das im Zusammenhang mit dieser Band fast wie Blasphemie anhört: der Song ist unkompliziert, romantisch und schön.
    Das Finale: Beyond The Pale (Track #13), und wieder einmal das dicke Ende. Beinahe zehn Minuten entfaltet sich der Abschlußtitel. Natürlich wollen sich die Musiker hier keine Blöße geben. Inhaltlich und musikalisch gibt es einen Rückblick, einen Überbau, eine letzte Verknüpfung aller Elemente auf dem Leidensweg.
    Zum Fazit flüstert Gildenlöw mehrfach hinter einander über die ausklingenden Instrumente: "we are so much more human than we wish to be".

    Die Dichte und die verworrene Komplexität dieses Konzeptalbums ist erschreckend. Wo die Musik nicht weiterkommt, hilft der technisch brillante Sänger Daniel Gildenlöw mit seiner charismatischen Stimme aus. Viele Progger mögen es dick, wuchtig, monströs, und gerade die Skandinavier dieser Sparte auch theatralisch, tragisch und/oder düster. Und ich kenne einige Alben anderer Bands, die nahe an diese Scheibe rankommen, was den Leidensfaktor, gepaart mit musikalisch-technischer und kompositorischer Endstation angeht. Aber müßte ich mich festlegen: kein anderes Album berührt mich emotional und musikalisch so schlüssig als ganze Einheit in bittersüßer Tragik wie dieses!
    Als abschließendes Rezensions-Statement möchte ich einen Spruch zitieren, den ich im Zusammenhang mit diesem Album bereits im Web las, der mein Geschwafel in dieser Hinsicht kurz auf einen Punkt bringt:

    Wer hier nicht mitleidet, ist taub - oder schon tot.

The Perfect Element Pt.1
Typ1 CD / Studio
Jahr2000
LabelInsideOut
Songs
  1. Used
  2. In The Flesh
  3. Ashes
  4. Morning On Earth
  5. Idioglossia
  6. Her Voices
  7. Dedication
  8. King Of Loss
  9. Reconciliation
  10. Song For The Innocent
  11. Falling
  12. The Perfect Element
    Lassen wir uns zunächst vom äußeren Erscheinungsbild der Perfect Element berieseln: auf dem Cover ist ein Kinderpaar. Im weitesten Sinne sehen wir hier die Thematik vom Konzeptalbum. Denn es geht ums Älterwerden, das Reifen, die kleinen Freuden und Leiden, die jeder zu durchlaufen hat.
    Wie der Vorgänger One Hour By The Concrete Lake (s.u.) geht es um ein Grunthema. Diese Platte ist jedoch vom Konzept noch geschlossener, alles ist noch dichter an- und mit einander verknüpft. Noch enger liegen Parts hintereinander, die zwischen ruhigen, melodischen und druckvollen Sounds pendeln. Konrekt geht das so:

    Der Opener Used (Track #1) fackelt nicht lange. Gleichzeitig steigen Keyboard, Gitarren, Bass und Drums zum pompösen Intro ein. Die ersten Strophenparts mit Gesang sind verhaltener: der Schwerpunkt liegt auf der komplexen Rhythmik. Schon fast erschreckend poppig klingt zum Ausgleich der Chorus mit seiner ohrwurmigen, mehrstimmigen Melodie. In den fast fünfeinhalb Minuten entfalten sich alle Instrumente und der Gesang zum Warmwerden.
    Und es fließt wieder, zwischen dem Opener und In The Flesh (Track #2) gibt es keinen Bruch. Der zweite Song ist über acht Minuten lang, etwas melancholischer und friedlicher. Sänger Daniel Gildenlöw philosophiert skandinavisch-theatralisch zu den perlenden Arpeggios der Cleangitarre. Nur in wenigen Chorusparts wird das Tempo kurzfristig angezogen. In der Mitte gibt es einen deutlichen Timeshift mit versetztem Metrum, auf den ein lebendiger Instrumentalpart folgt, der den Song mit quirligen Pianoklängen und etwas druckvolleren Gitarren aufpeppt, bevor ein ganz sachtes Ende kommt.
    Die letzten dreißig Sekunden blenden schon über zum neuen Song Ashes (Track #3). Dieser kurze Song ist düsterer, tiefe Synthisounds unterlegen die moll-lastigen Harmonien. Bei Textzeilen wie "as we walk through the ashes you whisper my name" und Choruslines wie "let's burn together" wäre jede andere Stimmung fehl am Platze.
    Die qualmdende Asche ist noch präsent bei Morning On Earth (Track #4), denn das Leitthema hat nicht gewechselt. Dennoch mischt sich in alle Bitterkeit eine Spur von Optimismus und Hoffnung, viele verspielte Details bringen einen bizarr schönen Hauch Leben auf die verbrannte Erde.

    Erstmals bricht alles ab; der zweite Akt geht mit Idioglossia (Track #5) flott los. Dieser Titel ist mal wieder bis unters Dach vollgestopft. Druck, Arrangement und Metrum wechseln derart schnell, daß man nicht mitkommt. Daß wir in einem geschlossenen Konzept stecken, will uns der Song vor Augen (bzw. Ohren) halten, denn lyrische und melodische Parts der Vorsongs werden zur Erinnerung rezitiert. Krönung des achteinhalbminütigen Opus ist eine Solo- und Rhythmuspassage zu Beginn des letzten Songdrittels. Das Ende haut einem aus allen Richtungen um die Ohren.
    Her Voice (Track #6) startet sanft., hoche Pianoläufe untermalen Gildenlöws zuckersüßen, weichen Gesang. Zur Mitte hin - dies ist wieder ein knapper Achtminüter - wird es leicht energischer, der zweite Teil fällt mit Percussions und fast latinohaften Rhythmen und Melodien auf Gitarre und Piano merklich aus dem bisherigen Rahmen. Zum theatralisch dichten Ende gesellt sich eine Geige ins sowieso schon vollgestopfte Arrangement. Wahnsinig geile Nummer!
    Nach dem Zenit kommt ein besinnliches Dedication (Track #7). Mit seinen knappen vier Minuten wirkt der Song wie der Schmetterling, der unbekümmert über die verbrannte Erde gleitet: leicht, dünn und erfrischend unscheinbar.
    Das Ende des zweiten Kapitels gehört dem King Of Loss (Track #8), einer der Perlen des Albums. Es beginnt so harmlos, aber die Atmosphäre vermittelt von Anfang an aufgestauten Druck, der raus muß. Zeit dafür ist reichlich vorhanden: der Titel kommt auf neun Minuten und fünfundvierzig Sekunden. Ein ständiges Auf und Ab sorgt für reichlich Bewegung, letztlich steigert sich die Nummer aber konstant. Das letzte Songdrittel ist orchestral und wird von einem herrlich passenden Gitarrensolo verziert, das mit einem pfeifenden Flageolett ins hardrockige Ende überleitet.

    Es gibt ein, zwei Sekunden der Stille, quasi das musikalische Äquivalent zur filmischen Schwarzblende; wird betreten den letzten Akt mit Reconciliation (Track #9). Der Grundthenor ist revativ (!) straight, klingt beinahe nach purem Metal, was zu Textzeilen wie "i hate these hands soaked in blood, i hate what these eyes have seen" ganz gut paßt. Einige abenteuerliche Tonartwechsel retten die treibende Nummer aber deutlich ans Prog-Ufer!
    Der Song For The Innocent (Track #10) ist mit seinen drei Minuten ein kurzer Gewaltakt zwischen Frieden und Krieg, der übergeht ins instrumentale Intermezzo Falling (Track #11). In unter zwei Minuten gibt es ungebrochenen sphärischen Frieden, ein meisterhaftes Gitarrensolo kommt ohne unnötige Protzerei daher, gibt gebunden Zeit zum Durchschnaufen für das große Finale.
    Und schließlich sind wir beim Titelsong The Perfect Element (Track #12), der mit seinen zehn Minuten und acht Sekunden auch der zeitliche Überflieger des Konzeptalbums ist. Hier bricht alles bisherige nochmals über den Hörer herein: Tragik, Verzweiflung, Wut und Hoffnung. Ob der Schlußkracher inhaltlich ein gelungenes Happy End bedeutet, muß jeder Hörer mit sich selbst ausmachen - musikalisch ist es das auf jeden Fall!

    Puh! So weit, so wunderbar. Aber: was hat das Part 1 im Albentitel zu bedeuten? Ja, es gibt eine Fortsetzung! Aber die gleich beim nächsten Album zu präsentieren, wäre ja eine unglaubliche Plattitüde. *grins*
    Das Studioalbum Scarsick (s.o.) aus 2007 soll der reguläre Thronfolger sein. Ich habe die beiden Werke darauf noch nicht inhaltlich abgesucht. Ein Indiz, was zumindest eine Verwandschaft zeigt: aus dem Song King Of Loss (Track #8) wurde ein Kingdom Of Loss zur Scasick, ein gewaltiges Wachstum also. Letztlich spielt die Verknüpfbarkeit beider Alben und deren Inhalte für mich persönlich eine zu vernachlässigende Rolle; beide sind einfach geil...

    Was für ein unglaublich geschlossenes Prog-Werk!

One Hour By The Concrete Lake
Typ1 CD / Studio
Jahr1997
LabelInsideOut
Songs
  1. Spirit Of The Land
  2. Inside
  3. The Big Machine
  4. New Year's Eve
  5. Handful Of Nothing
  6. Water
  7. Home
  8. Black Hills
  9. Pilgrim
  10. Shore Serenity
  11. Inside Out
    Dies ist das erste Album, das in Deutschland von der Band erhältlich war, insgesamt das zweite Studioalbum; aber wie heißt es so schön: "Besser spät als gar nicht!", was vor allem für diese Progband gelten muß.
    Um einen Preview vor der detailierten Rezension vorweckzuschicken: es gibt jede Menge Weltschmerz, Verzweiflung, Bitterkeit, dann aber wieder Kampfeswille und Druck auf diesem Album. Das selbstredend verpackt in wasserdichte Instrumentalarbeit und charismatischen Gesang. Aber nun einen Blick auf den musikalischen Trip:

    Spirit Of The Land (Track #1) flötet sanft mit (deutlichen!) Synthesizersphären, die nach Panflöte klingen sollen. Eine vierzigsekündige Eintrittsphase quasi, die nahtlos in Inside (Track #2) übergeht. Auch hier geht es sachte ans Werk; lange bringt sich ein filigranes Schlagzeug ins Spiel, die Gitarren klingen zusammen mit dem verhaltenen Bass zwischen die Synthisounds, bevor nach über eineinhalb Minuten (eeeeendlich!) der erste Gesang von Daniel Gildenlöw Leben in die Bude bringt. Der Sechsminüter baut sich ganz langsam auf, nur nach und nach schieben Gitarren und Drums ein wenig mehr, textliche Inhalte und melodische Themenfitzel geben schon jetzt einen Ausblick auf die kommenden Songs des Albums. Gesangs- und Instrumentalparts mischen sich locker unter einander.
    Bei The Big Machine (Track #3) wird es düsterer, die Gitarren schwammig verzerrt, nur auflockernde Stellen werden clean eingestreut. Der Gesang wird teilweise in ganzen Chorälen eingeworfen, die dominierende Lyricfrage bleibt die Chorus-Textzeile "What if we lose control?".
    Der New Year's Eve (Track #4) kommt nicht viel heiterer rüber, aber in seine Grundstimmung mischen sich perlende Gitarrensounds und lebhafte Drums in abenteuerlichen Timeshifts und Akzenten. Kurz vor Ende kommt ein unerwarteter Stimmungsumbruch durch ein Piano und fast niedlich verspielt klingende Gitarren.
    Und Zeit zum Tempoanstieg: Handful Of Nothing (Track #5) rast mit irrem Schlagzeug los. Von Krach ist jedoch keine Spur, denn die Drums sind hauchfein, man sieht die Sticks quasi über die Ridebecken steppen. Der Chorus ist choral und sphärisch bis unters Dach vollgestopft, aber immer wieder ebbt die Fülle ab zum anfänglich flitzenden Stil. Wer einmal eine musikalische Herausforderung beim Musikhören will - der sollte versuchen, das Metrum des Songs mit dem Fuß mitzuwippen. Viel Spaß!

    Die Handvoll nichts fließt (Achtung: Wortspiel!) ins Water (Track #6) über; Metrum, Harmonie und Stimmung vom Vorsong bilden das neue Intro, bei dem der wummernde Bass am deutlichsten ist. Schon nach wenigen Takten kippt alles in Ruhe und flüssige Lockerheit. Nur der Chorus nimmt sich abermals Brachialität zwischen den lockeren Strophen und vertrackten Bridges und B-Parts. Eine irre fünfminütige Wildwasserfahrt, die jedoch am sicheren Ufer ihr Ende hat.
    Denn ohne merklichen Bruch heißt es: Home (Track #7). Im Grunde ist dieser Song ein einziger B-Teil des Vorsongs, aber gerade am Anfang knüppelt dieser deutlich markiger als Water. Zum Ausgleich sind weite Strecken des Mittelteils ruhig und melancholisch melodiös. Das Solo, das das letzte Songdrittel anwirft, zieht rasend an einem vorbei. Zuhause angekommen, gibt es wirklich ein "Tür zu, verschnaufen!", tatsächlich ist nach einem ulkigen Songende (das kann man nicht mit Worten beschreiben, das muß man sich anhören) kurz Stille.

    Koffer gepackt und ab in die Black Hills (Track #8). Aus wadenstraffendem Marsch über blühende Almwiesen wird jedoch nichts, vielmehr wähnt man sich auf einem staubig windigen Lavamarsch. Der sechseinhalbminütige Song ist langsam, schleppend und tragikschwanger. Der Marsch ist größtenteils instrumental, glänzt kurz vor Ende mit einem quirligen Einwurf durchs Piano - haben wir das Gipfelkreuz erreicht?
    Der Pilgrim (Track #9) ist ruhig, melodiös und nachdenklich. Getragene Streicherklänge (Cello?!) untermalen die philosophischen Fragen des Gesangs, die klare Gitarre perlt schöne Arpeggios im Hintergrund.

    Shore Serenity (Track #10) knüppelt anfangs lebendig los, verirrt sich kurzfristig in die perlende Stimmung des Pilgrim zurück. Aber Stück für Stück kocht es, brodelt, die "Big Machine" kommt wieder, ein bizarrer Trip in den jüngste Vergangenheit. Das Ende des Dreiminüters drischt.
    Und das dicke Ende kommt: Inside Out (Track #11), der gut dreizehnminütige Abschluß des Albums. Wie soll man die Nummer beschreiben? Ich mache es mir mal einfach: scheinbar war Shore Serenity nicht Rückblick genug. Denn bei diesem letzten Song bekommen wir noch eine deutliche Rückschau auf die eben erlebten Themen. Ausgelassen und sphärisch wird mal geknüppelt, dann wieder ruhig melodiert. So kehren wir nach der anfänglichen Reise ins Innere wieder in die normale Welt - nach draußen - zurück.

    Was beim Progressive eigentlich immer der Fall ist, trifft noch in besonderem Maße auf diese Band zu! Ein schnelles Testhören birgt Risiken. Diese Scheibe (wie auch die anderen der Band) sollte man wenigstens fünf bis zehnmal am Stück genossen haben, um nicht durch die Vielfalt erschlagen zu werden, sondern das Gesamtwerk auf sich wirken lassen zu können.
    Während andere Bands wie Dream Theater noch viele "unabhängige Songs" im Repertoir haben, man da also auch Glück haben kann, sollte man sich gerade bei Pain Of Salvation im Klaren sein, daß man ein wenig Zeit mitbringen sollte.
    Aber, hey, wir sprechen hier nicht von Arbeit sondern Musik. Die Belohnung, die hinter den "Mühen" steckt, steht in keinem Verhältnis!

    Eine grandiose einstündige Reise, die sich immer lohnt!

Entropia
Typ1 CD / Studio
Jahr1997
LabelInsideOut
Songs
  1. ! (Foreword)
  2. Welcome To Entropia
  3. Winning A War
  4. People Passing By
  5. Oblivion Ocean
  6. Stress
  7. Revival
  8. Void Of Her
  9. To The End
  10. Circles
  11. Nightmist
  12. Plains Of Dawn
  13. Leaving Entropia (Epilogue)

Pain Of Salvation : DVD

Ending Themes -
On The Two Deaths Of Pain Of Salvation
Typ2 DVD / Dokumentation + Live-Konzert
Jahr2009
LabelSPV
DVD • Bildformat: PAL 4:3 / 1.33:1
• Tonformat: Dolby Digital 2.0 Stereo, Dolby Digital 5.1
• Sprachen: Englisch
• Regionalcodes: alle
• Spieldauer: 263 Minuten
Tracks DVD -1- Sixworlds/Eightdays (Documentary)
  1. The Pilot: Foreword
  2. Final Rehearsal
  3. Leaving Entropia
  4. Should We Say 'Hi' First?
  5. Put A Lock On Your Mouth
  6. Suspicious Minds
  7. Stay Humble
  8. Busy With Metal
  9. Onehundredandsixteendecibel
  10. Epilogue: The First Death Of
    (+ Bonus Features)
DVD -2- Touching You Harder (Live in Amsterdam)
  1. Scarsick
  2. America
  3. Nightmist
  4. ! (Foreword)
  5. Handful Of Nothing
  6. New Year's Eve
  7. Ashes
  8. Undertow
  9. Brickworks 1 (Parts II - IV)
  10. Chain Sling
  11. Diffidentia
  12. Flame To The Moth
  13. Disco Queen
  14. Hallelujah
  15. Cribcaged
  16. Used
    (+ Bonus Features)
    Der Titel Ending Themes der DVD und besonders der Untertitel On The Two Deaths Of Pain Of Salvation sprechen eine deutliche Sprache, die kein künstliches Auf-Düster-Getue ist, sondern auf das tatsächlich nahe Ende der Band hinweist. Denn nach langer und erfolgreicher Zusammenarbeit muss Basser Kristoffer Gildenlöw, Bruder des Frontmanns Daniel Gildenlöw, auf Beschluss der Restmitglieder seinen Posten räumen. Ein großer weiterer Verlust für die Combo ist das Ausscheiden von Johan Langell, dem achtzehn Jahre dabeigewesenen Schlagzeuger, der nach der 2007er Promotiontour zur Scarsick (2007) [s.o.] aus eigenem Willen die Sticks niederlegt, um sich ohne Tourstress um seine junge Familie kümmern zu können.
    Am Bass übernimmt für kurze Zeit ein gewisser Simon Andersson - doch nach der Scarsick sieht es für einige Zeit zappenduster für die Band aus. Im November 2009 erscheint überraschend die EP Linoleum (2009), die als kleiner Appetithappen für das kommende Album Road Salt One (2010) [s.o.] fungiert (welches eigentlich als Doppelalbum angekündigt war, dann aber doch im Mai mit dem ersten Teil kommt, der Rest soll Ende 2010 folgen). Hier ist ohne weitere Angabe von Gründen der Ersatzbasser ersetzt worden durch Per Schelander. Er sowie der neue Drummer Léo Margarit haben sich unter unzähligen Bewerbern in langwierigen Castings durchgesetzt. Beide sind auf dieser DVD noch nicht vertreten, es scheint aber im Moment, als sollten sie für (hoffentlich noch viele!) weitere Projekte fest eingeplant zu sein.
    Zum Inhalt der DVD...

DVD 1 - Sixworlds/Eightdays (Documentary)
    Im Startmenü plätschert musikalisch das ruhige Iter Impius von der Scheibe Be (2004) [s.o.], während deren Promotion-Tour diese Dokumentation entstand, die erste Headlinertour für die Band. Bei den ersten Bildern sehen wir die Band bei letzten Proben in einem kleinen schwedischen Vereinsheim, dem Abbau des Equipments und letzten telefonischen Planungen unmittelbar vor der Tour. Ausserdem sehen wir kurz eine Mama Gildenlöw, die über ihre zwei wesensunterschiedlichen Musikersöhne spricht.
    Wir begleiten die Band durch das deutsche Essen (19.Aril 2005, Zeche Carl), das holländische Zoetemeer, einen auftrittsfreien Tag in Utrecht und tags darauf in Helmond, dann weiter durch das belgische Gavere, wo sie ausnahmsweise nicht allein spielen, sondern Teilnehmer eines größeren Festivals sind, bis hin zum letzten Auftritt in Paris (im La Loco).
    Es wird leider wenig (bis gar nichts) von den entsprechenden Gigs gezeigt. Dafür bekommen wir die Band hautnah beim Reisen, Auf- und Abbau und Warmspielen mit. Sprich: es wir konzentrierter Touralltag geboten. In vielen Schnipseln bekommt man einen Einblick, was dieser für Planungsaufwand, Flexibilität und nicht zuletzt körperliche und geistige Anstrengung für eine Band bedeutet. Von technischen Anpassungen an den jeweiligen Club, spezielle Wünsche des Veranstalters betreffend der Setlist, bis hin zum logistischen Aufwand für genügend vorrätigen Fanstuff für den allabendlichen Verkauf kriegen wir alles mit. Dazwischen gibt es immer ein paar locker einfliessende Statements der Bandmitglieder zu den jeweiligen Gigs oder Locations, Frontmann Daniel Gildenlöw spricht mal kurz über die Songs und deren Hintergrund und Entstehung.
    Vor allem aufgelockert wird die Szenerie durch kleine Gags, Szenen wie denen, in der wir die Musiker beim nachmittäglichen Rennwettbewerb mit Überraschungseier-Autos oder entspannt im Café nach einer Shoppingtour am spielfreien Tag erleben. Auch ein paar Hardcorefans, darunter eine Französin, die alle fünf Gigs bis hin zu dem in Paris parallel zur Band mitreist!, kommen immer wieder zu Wort.
    Ein paar längere Szenen von den Auftritten wären schön gewesen, aber zum näheren Kennenlernen der schwedischen Band, Crew und Tourorganisation taugt diese kurzweilige Doku gut.

DVD 2 - Touching You Harder (Live in Amsterdam)
    Auf dieser Scheibe konzentriert man sich auf die Musik - naja, fast zumindest. Der erste große Ulk kommt schon, sobald man die DVD eingelegt hat! Es erscheint der schwarze Bildschirm mit weisser Beschriftung und einem dicken, roten "Warning!" zu oberst. Der "übliche" Copyright-Hinweis. Aber -- nicht ganz soooo üblich. Denn der komplette Text auf dem Bildschirm laut nur: " bla bla bla bla bla....". Nur im Zentrum ein wenig fetter ein deutliches: "If you copy this DVD we will fucking kill you!". Diese Schweden, man muss sie lieben *grins*.
    Das DVD-Menü inklusive Song-, Sound- und Bonusmaterialauswahl ist schön und optisch ansprechend designt. Geboten wird nun der Mitschnitt eines kompletten Konzerts vom 02.März 2007 in Amsterdam, die Promotion-Tour zur Scheibe Scarsick (2007) [s.o.].
    Entsprechend beginnt der Auftritt mit dem brachialen Titelsong Scarsick und dem schnellen und rotzig-bissigen America. Anschliessend wird kurz der Ersatzbassero Simon Andersson dem Publikum vorgestellt. Doch die Band verrennt sich in diesem eher kleinen und bis auf den letzten Millimeter mit Fans vollgestopften Club keineswegs in einen "Verkaufsgig" für die neue Platte. Nach den zwei brandneuen Openern geht es mit Nightmist und ! (Foreword) sogar zurück zum Debüt Entropia (1997) [s.o.] der Band. Auch im Zenit des Konzerts gibt es von Ashes bis zu Chain Sling ausschließlich die großen, melodischen und extrem progressiven Hymnen von der Remedy Lane (2002) [s.o.].
    Erst in deren Anschluss kommen noch ein paar Songs der aktuellen Scarsick, und im direkten Vergleich hört man deutlich die Unterschiede. Die neuen Songs sind ruppiger, bissiger, bringen aber viele neue Stilrichtungen mit sich. Besonders hier sieht und hört man die Qualitäten aller Musiker wieder deutlich, wenn fliessend zwischen verschiedenen Genres innerhalb eines Songs gewechselt wird und besonders am Gesang aller Musiker (bis auf den neuen Basser), der - wie bei Frontmann Gildenlöw an der ersten Stimme - weit, weit über dem Durchschnitt anderer Bands liegt!
    Wie auch sechs Tage später, als ich die Band in der Zeche Bochum sah (siehe Konzertberichte), ich staunte damals nicht schlecht, gibt es hier als erste Zugabe das Leonard Cohen -bzw. genauer: Jeff Buckley-Cover - von Hallelujah. Ganz anders als das Original, aber mit viel Druck, majestätischem Epos, angeheizter Zuschauerunterstützung und nicht zuletzt der tollen Stimme von Daniel Gildenlöw sehr sehens- und hörenswert!
    Nach dem letzten aktuellen Song Cribcaged, bei dem der Frontmann ausnahmsweise mit einer Slideröhre auf seiner Klampfe spielt, gibt es mit dem melodischen, zunächst ruhigen, sich dann stark aufbäumenden Used von der Platte Remedy Lane einen überaus passenden Ausklang für das Konzert.

    Wie gesagt, dieser Gig ist alles andere als eine lieblos runtergerappelte Verkaufsshow! Die Größe des Gigs ist moderat, man bekommt immer alles mit, die Güte der Musiker an ihren Instrumenten und an den Mikros ist erschreckend gut. Die Auswahl der Setlist lässt auch für Liebhaber der älteren Platten keine Wünsche offen. Darüber hinaus gibt es noch so manchen unterhaltsamen Schnickschnack bei dem Bonusmaterial zu erkunden.
    Einziger Kritikpunkt meinerseits: das Soundmastering an sich ist gut, aber das Stereopanning ist zu extrem ausgefallen. So wie wir die Band auf der Bühne sehen, hören wir den zweiten Gitarrero Johan Hallgren auch komplett nur über die rechte Box. Das stört nicht nur über Kopfhörer, sondern auch, wenn man statt dem Fernsehton seine Anlage laufen lässt. Das hätte man galanter lösen können. Ansonsten geniesst diese DVD in regelmäßigen Abständen immer wieder meine ungetrübte Freude.

    Ein Muss für jeden Fan des Progressive Metal und speziell dieser Band!