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Amorphis : Biographie






    Diese finnische Band aus der Hauptstadt Helsinki formiert sich 1990. Im ersten Line-Up stehen Tomi Koivusaari (Gitarre und damals noch Gesang), Esa Holopainen (Gitarre), Basser Olli-Pekka Laine und am Trommelwerk Jan Rechberger. Zu dieser Zeit stammen alle Gründungsmitglieder aus diversen Combos vom Speed- und Death Metal, womit die grobe Marschrichtung für den Anfang ziemlich klar ist. Das Quartett hat zunächst noch einen Sänger im Auge, der allerdings nicht zusagt. So übernimmt fürs erste Gitarrist Koivusaari auch den Job am Mikro. Gegeben wird astreiner und unverwaschener Death Metal.
    Im folgenden Jahr 1991 stellt die Truppe ein Demo namens Disment Of Soul mit drei Songs fertig. Zwar sind die Musiker selbst mit dem Sound der zweitägigen Studioarbeit nicht zufrieden, aber die komplette Auflage ist wider Erwarten bereits nach weniger als einem halben Jahr komplett ausverkauft. Kurz nach der Veröffentlichung der Demo bekommt Koivusaari ein Plattenangebot vom amerikanischen Label Relapse Records - allerdings ursprünglich für ein früheres Bandprojekt, das er zugunsten von Amorphis verlassen hat. Kurzerhand schickt er die neuen Demo-Recordings ein, die frische Band bekommt einen Plattenvertrag über fünf Alben bei dem Label. Das LP-Debüt The Karelian Isthmus (1992) wird ein Jahr später fertiggestellt.

    Mit den folgenden Studioalben Tales From The Thousand Lakes (1994) bis Far From The Sun (2003) ist die Band einem stetigen Wechsel in der Besetzung und einem starken Stilwandel unterworfen. Es werden wechselnde Sänger (Ville Tuomi [1994-1995] und Pasi Koskinen [1996-2004]) eingesetzt, die nach und nach Koivusaaris Growls am Mikro zur Gänze verdrängen und durch klaren Gesang ersetzen. Mit den zwei Keyboardern Kasper Mårtenson (1994) und Kim Rantala (1994-1996) sowie zeitweisen Saxophon- und Flötisten wandelt sich die ehemalige Death Metal-Combo schnell in Richtung melodiösen Progressive, was - naturgemäß - einem Großteil des ehemaligen Fanstamms mißhagt.
    Doch die Band mausert sich bald zur erfolgreichsten Heavy Metal-Band (im weitesten Sinne des Genres) aus Finnland. Erfolgreiche Europatouren, 1997 der erste Auftritt beim Wacken Open Air und 2001 eine ausgeweitete Tournee als Vorgruppe der benachbarten Schweden von Opeth seien hier nur kurz als knappe Stationen vermerkt.

    Konstanz zieht für die letzten drei Alben ab der Eclipse (2006) auch im Line-Up ein. Seither mit an Board die beiden Gründungsgitarristen Tomi Koivusaari (nun nicht mehr am Gesang tätig) und Esa Holopainen sowie der wiedergekehrte erste Schlagzeuger Jan Rechberger, der sich von 1996 bis 2001 zunächst aus dem Projekt verabschiedet hatte und für diese Zeit durch einen gewissen Pekka Kasari ersetzt worden war. Seit 2000 auch in der festen Besetzung Basser Niclas Etelävuori und Keyboarder Santeri Kallio. Allem voran hat die Combo besonders für die letzten drei Alben bis zur Skyforger (2009) einen ausgewiesenen Sänger namens Tomi Joutsen. Mit diesem Sänger, der sowohl einen ausdrucksstarken und klaren Gesangsstil hinbekommt, als auch düstere Growls, macht die Band einen halben Schritt zurück zu ihren Wurzeln, kreuzt den melodischen Progressive-Stil der letzten Jahre wieder gelegentlich mit ruppigen Grunzern, brachialen Gitarrenlinien und knüppelharten Drums des Death Metal, ohne dabei die melodische Komponente zu verwaschen - aber mehr dazu unter dem nächsten Punkt...

Amorphis : Die Musik


    Alles begann in den Neunzigern mit düsterem Death Metal, wandelte sich dann schnell zu verschnörkeltem Progressive mit aalglattem Gesang und vertrackter musikalischer Komplexität. So weit kenne ich den musikalischen Werdegang zumindest theoretisch vom Lesen, denn ich kann eigentlich nur über die neuesten Alben ab 2006 etwas Näheres sagen.
    Irgendwo im Web, nachdem ich die ersten Songs bei MySpace gelauscht und ein paar Clips bei YouTube mit Freuden gehört und gesehen hatte, mich detailierter über die Band informierte, fand ich die Truppe in einem Onlinemagazin unter dem bizarr anmutenden Genre Folk-Metal gelistet. Mittlerweile finde ich diese Bezeichnung sehr zutreffend. Allem voran arbeitet die Band mit stets melodielastiger Arbeit an ihren Songs. Nicht selten haben sie einen folkloristischen Charakter, was hervorragend zu den Texten passt, denn viel dreht sich um Mythen (wie aus dem finnischen Nationalepos Kalevala), keltische Epen, Sagen oder Gedichtszyklen (Kullervon Tarina). Neben den nationalen folkloristischen Einschlägen finden sich - genretypische - Miteinflüsse wie orientalische oder iberische Skalen, so daß es einen gesunden Mix aus der nordischen Musikkultur wie auch den gängigen internationalen Einflüssen zu hören gibt.
    Die melodische und oft epochale Struktur wird vielfach von den ruppigen Elementen des Death Metal ergänzt. In wunderbar runde Gesangslinien ballern schonmal die Doublebass des Schlagzeugs, dreschen auf einmal brettharte Gitarrenlinien und es kommen gutturale Grunzer vom Frontmann. Jedoch zerschlagen die wüsten Parts nie die melodielastige und ohrgängige Dominanz eines Songs, Balladen werden mit druckvollen Teilen aufgepeppt, die wirklich düsteren Songs entgleiten nie komplett in extrem schwarze Gefilde, sondern bleiben sehr ohrgängig und abwechslungsreich.
    Nun, gelistet habe ich diese Band unter Progressive. Die progressiven Elemente sind letztlich bei dieser Band unverkennbar, ob es um "schräge" Taktwechsel, sich verschiebende Metren, Stimmungsumbrüche innerhalb der Songs oder die brillant eingebundenen Keyboards geht. Besonders erfrischend finde ich bei dieser Truppe, daß es (wie gesagt, ich kenne nur die neuesten Platten) niemals verkopft wird, kein Instrument nach irgendeinem Schema eine Poserstelle zugewiesen bekommt, kein Instrumentalist aus der Reihe tanzt, sondern alle Stimmungs- und Partwechsel sehr natürlich und songdienlich passieren. Das Prädikat Progressive gibt es aus meiner Sicht quasi als Sahnehäubchen oben drauf, obwohl es bei dieser großartigen Musik kaum noch eine Rolle spielt, ob man sie als progressiv verstehen will oder nicht.

    Wer auf Melodie, saubere Instrumentalarbeit und wirklich glänzendes Songwriting steht, wer sich für Heavy- oder Progressive Metal interessiert und dabei keine panische Angst vor gelegentlichen düsteren Einschlägen hat, sollte sich auf jeden Fall ein paar Hörproben oder Videoclips im Web zu Gemüte führen. Vielleicht helfen ja auch schon meine Albenrezensionen oder die dort angegebenen Links weiter. Neben den benachbarten Schweden von Opeth, die nominell im selben Genre arbeiten, sich letztlich doch stark inhaltlich und musikalisch von dieser Truppe hier absetzen, ist die Entdeckung von Amorphis eine der schönsten und bereicherndsten für mich aus diesem Bereich innerhalb der letzten Jahre, denn wo hier thematisch oft epochale Düsternis und tragisch-romantische Schwermut angekündigt werden (ob im Songtitel oder in den Lyrics), sprudelt die Musik voller Leben, Quirligkeit und Abwechslung über, daß es eine wahre Wonne ist.

    Wuchtig-melodischer Folk-Prog-Metal mit viel Epos, Seele und garantierter Ohrgängigkeit!