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Jeff Buckley : Alben

  Andere Werke (EPs, Live-CDs, Videos und DVDs etc.) finden sich über die Links !


Mystery White Boy
Typ1 CD / Live-Konzert
Jahr2000
LabelColumbia Records (Sony BMG)
Songs
  1. Dream Brother
  2. I Woke Up In A Strange Place
  3. Mojo Pin
  4. Lilac Wine
  5. What Will You Say
  6. Last Goodbye
  7. Eternal Life
  8. Grace
  9. Moodswing Whiskey
  10. The Man That Got Away
  11. Kanga Roo
  12. Hallelujah /
    I Know It's Over

Sketches For My Sweetheart The Drunk
Typ2 CD / Studio
Jahr1998
LabelColumbia Records (Sony BMG)
Songs
  1. Sky Is a Landfill
  2. Everybody Here Wants You
  3. Opened Once
  4. Nightmares By The Sea
  5. Yard of Blonde Girls
  6. Witches' Rave
  7. New Year's Prayer
  8. Morning Theft
  9. Vancouver
  10. You And I
  11. Nightmares by the Sea
  12. New Year's Prayer
  13. Haven't You Heard
  14. I Know We Could Be So Happy Baby
    (If We Wanted to Be)
  15. Murder Suicide Meteor Slave
  16. Back In N.Y.C.
  17. Demon John
  18. Your Flesh Is So Nice
  19. Jewel Box
  20. Satisfied Mind

Grace
Typ1 CD / Studio
Jahr1994
LabelColumbia Records (Sony BMG)
Songs
  1. Mojo Pin
  2. Grace
  3. Last Goodbye
  4. Lilac Wine
  5. So Real
  6. Hallelujah
  7. Lover, You Should've Come Over
  8. Corpus Christi Carol
  9. Eternal Life
  10. Dream Brother
  11. Forget Her
    Dies ist die einzig wirkliche Studioplatte von Jeff Buckley. Andere Veröffentlichungen sind nachträgliche Releases von EPs oder Livemitschnitten. Das Album besteht hauptsächlich aus Coversongs - mehr dazu in Kürze! Ich besitze auch die beiden anderen Platten, möchte sie im strengen Sinn aber nicht als reguläre Alben von Buckley werten, da sie erst nach seinem Tode aus Livesongs und bestehendem Material erstellt wurden. Diese Platte hier ist das einzige Studiowerk, das er persönlich erstellt, mit gestaltet und so zur Veröffentlichung abgesegnet hat. Ich belasse es also bei dieser einen Rezension.

    Es geht los mit Mojo Pin (Track #1), einem von zwei selbstkomponierten Songs. Klanglich und von der Songstruktur zeigt er genau, was wir auf dem Werk zu hören bekommen. Eine gut gespielte Schlaggitarre, einen deutlichen Bass, ein Schlagzeug und eine grandiose (!!!) Stimme. Das Songwriting bewegt sich zwischen Jazz, Folk und Folkrock. Es gibt auf diesem Werk keine technischen Spielereien, die Musik ist einfach nur "echt". Immer steht das Songwriting im Zentrum, Soli gibt es keine, stattdessen werden die Songs durch Rhythmusparts und unzählige Wechsel in Akkordfolge und Stimmung zum Leben erweckt. Der Opener nimmt sich mit zwanzig Sekunden einen ausgedehnten Einstieg, bis überhaupt Nennenswertes zu hören kommt. Einige klare Gitarren picken übereinander, weich und sehr verhalten beginnt der Gesang. Alle Titel (abgesehen von Corups Christi Carol [s.u.]) bewegen sich um oder über der Fünfminutengrenze. Das zeigt, daß Buckley ein inneres Richtmaß für die Entwicklung und Entfaltung eines Liedes brauchte, ob nun bei Eigenkompositionen oder auf seine Bedürfnisse umkomponierte Coversongs. Immer weiter steigert sich diese Eigenkomposition, baut bis zum Ende jedoch nicht zuviel Fahrt auf. Es bleibt bei einer netten folkrockigen Nummer.
    Der Titelsong Grace (Track #2) fährt schneller an: das Picking ist flott, bevor ein polternder Bass und sehr straighte Drums dazukommen. Der Song ist von einer belebten Dynamik, hat ungewöhnliche harmonische Kniffe (in Chords und dem mehrstimmigen Gesang) zu bieten. Das Arrangement ist ganz zart durch Elemente wie Staccatostreicher und dünne Keyboardsounds aufgepeppt, im Zentrum steht jedoch die (vollkommen schmalzfreie!) Tragik dieses Uptemposongs. Nach einigen Rhythmusparts steigert sich der Titel in einen dicht gepackten Showdown zwischen musikalischer Grazie und nicht zu bändigender Ekstase.
Gleich reinhören und sehen? Ein Video zum Titelsong gibt's bei YouTube:
Jeff Buckley - Grace (Live)
    Last Goodbye (Track #3) beginnt mit kleinen Gitarrenspielereien (Slide-Intro), hat ebenfalls wieder im Hintergrund einige Streicher, die in langsamen Arpeggios füllen, ist im Ganzen aber ein wenig dünner. Die Ausgewogenheit zwischen Ballade und dynamischen Folkrock ist fein gelungen, so daß dieser Abschied nicht zu schmerzlich erscheint. Harmonisch endet der Song mit einem Open End, der auf den Songtitel bezogen die Frage berechtigt, ob dieser Abschied wirklich der endgültige war. Ein gelungener Griff in die musikalische Trickkiste.
    Ein wirklich noch nach oben aus der Reihe springendes Highlight des Albums ist Lilac Wine (Track #4) [das Origninal stammt von James Alan Shelton]. Mit weichen und langsamen Gitarrenchords und leisen Kopfstimmenvocals erzählt Buckley vom sinnesraubenden Rausch, den er sich über den Verlust einer Liebe antrinkt. Über das hinzukommende Arrangement meint man den Rausch als Hörer beinahe selbst zu spüren: extrem hohe Slidetöne einer zweiten Gitarre tröpfeln im Hintergrund, das Schlagzeug beschränkt sich auf ein paar Jazzbesenelemente auf Snare und Ridebecken. Langsam versinkt alles im gutmütigen Rausch, bis am Ende ein nicht glückliches, aber wenigstens schmerzbetäubtes Ausklingen mit hoher Stimme erlöst.
    So Real (Track #5) ist subtil und wieder harmonisch extravagant. Mit psychedelischen Akkordfolgen (ein hauchzarter Rock-Einschlag ist vor allem beim Intro noch zu hören) entwickelt sich die erste Strophe. Und wenn man dabei an den Songtitel "so real" denkt, muß man schon überlegen, wie das zusammenpasst. Doch zum Überlegen bleibt wenig Zeit, im Mittelteil entgleist so ziemlich alles: der Songfluss kommt ins Stocken, mal wird abrupt gewütet, dann bricht für Sekundenbruchteile Stille ein, teilweise röchelt Buckley, um plötzlich wieder energisch zu schreien. Nach dem musikalischen Wutausbruch wird ein "I love you" geflüstert, es geht wieder zum "normalen" Turnus zurück. Der Schluß ist umso überraschender: glatt, einfach und, ja, real. Eine kleine musikalische Zauberillusion in gut viereinhalb Minuten.

    Die wohl bekannteste Coverversion des Albums ist Hallelujah (Track #6), im Original von Leonard Cohen, an deren Beispiel eindrucksvoll erkennbar wird, was es für Jeff Buckley hieß, Songs zu covern. Das Original zieht sich theatralisch in einem waltzerähnlichen 3/4-Takt dahin. Buckley verlegt das Metrum auf einen wesentlich dynamischeren 6/8. Die wichtigsten Änderungen kommen jedoch bei den Lyrics. Aus Cohens Liebesschmalzette macht Buckley eine textliche Verbindung, die die Beziehung zwischen dem Göttlichen der Liebe und der Göttlichkeit und der Liebe zur Musik beschreibt. Dies ist nicht einmal schlicht mein persönlicher Eindruck, denn in der ersten Strophe erklärt der Text zunächst musiktheoretisch, wie ein Akkord zu konstruieren sei, der sogar Gott gefällt. Danach spricht das lyrische Ich des Textes vom "The baffled king composing Hallelujah" - zu deutsch etwa: "hier komponiert der durchgeknallte König Hallelujah". Wenn man sich diesen Song einmal anhört, gibt es keinen Zweifel, daß das zu hundert Prozent autobiographisch erarbeitete Weisheiten sind, die der Musiker uns mit verschmitztem Augenzwinkern mitteilt! Die Instrumentalisierung ist erschreckend dünn; nur eine wunderbar gezupfte Gitarre und Buckleys Stimme, beide mit einem bindenden Hall unterlegt. Das Lebendige entsteht durch wechselnde Zupfstärke und fein auf den Gesang abgestimmte Tonläufe (wahlweise auf Bass- oder hohen Melodienoten). Den Start zum Song macht ein Seufzer irgendwo zwischen Schmerz und Erlösung, für den man schon sehr, sehr genau hinhören muß, um ihn zu registrieren. Kurz vor Songende zieht Buckley einen gesungenen Ton dermaßen in die Länge, daß einem allein vom Zuhören schwindelig werden kann. Es ist wirklich furchteinflössend, wie man auf diese Weise derart charismatische Songs hinbekommt! Nebenbei ist er mit sechs Minuten und fünfzig der längste der Platte, auch wenn er gefühlt immer noch zu kurz ist. Dieser Titel ist für mich persönlich nicht nur das Highlight dieses Albums, sondern definitiv der zauberhafteste Song, den ich je kennenlernen durfte.
Auch von diesem wundervollen Titel gibt es ein Video:
Jeff Buckley - Hallelujah
    Auch der nächste Song Lover, You Should've Come Over (Track #7) ist eine Ballade, doch hier geht es musikalisch belebter zu, die volle Bandspanne kommt wieder zum Einsatz. Über einen angeshuffelten 6/8-Takt zieht sich die bittersüße Tragik von Lyrics wie "maybe i'm too young to keep good love from going wrong" oder "it's never over, my kingdom for a kiss upon her shoulder" in schwermütiger Gebundenheit. Die deutlichsten Akzente bilden dezente Bassläufe und stellenweises Aufleben des Schlagzeugs, wenn es den schlichten Rimshot-Trott der Strophe durchbricht, auf dem Zenit des Songs gospelt ein weiblicher Chor einen Hauch Bluesfeeling in den Klanghintergrund. Für Leute, die sich auf die Schnelle in Buckley reinhören wollen (gebe ich hier etwa gerade Tips für eine Todsünde?!), seien der Vortitel Hallelujah (s.o.) und dieser Song hier hintereinander weg zum Testhören empfohlen.
    Kurios ist Corpus Christi Carol (Track #8), das Original wurde einst von Benjamin Britten als Weihnachtslied komponiert, der Text zeugt unmißverständlich davon. Die Instrumentenspanne ist wieder hauchfein: ein klare Gitarre wird ruhig gezupft - und eine Harfe (oder ist es doch eine klassische Nylongitarre?) mischt sich stellenweise mit unter. Und ganz, ganz oben singt Buckley in einem Tonbereich, in dem so manche Frau ins Schwimmen kommt. Dieser kurze Titel entwickelt eine wunderbare Andacht ohne jede Effekthascherei, die mal wieder so richtig zum Albentitel passt.
    Anschliessend gibt es mit Eternal Life (Track #9) die zweite und letzte Eigenkomposition, bei der Buckley sich von seiner rockigeren Seite präsentiert. In gut zügigem Tempo und mit schnarrendem Bass- und Gitarrensound zieht der Song an, bringt eine enorme Dynamik zustande. Klangerweiternde Streicherkeyboards füllen Teile des Song, auch wenn mal aus der Tonart gesprungen wird, behält der Titel eine grade Linie mit ruppig-entfesseltem Ur-Folkrockstil und druckvollen Vocals. Eine kraftvolle und ausdrucksstarke Komposition, die in flötendem Feedback und Bassgrummeln ausklingt.
    Beim letzten Song Dream Brother (Track #10) [je nach CD-Version! Der Track #11 kam erst bei Re-Releases als Bonustrack dazu, ist auf meiner Fassung nicht mit dabei] wird harmonisch und in Sachen Crescendo noch einmal tief in die Trickkiste gegriffen. Zunächst bekommen wir Sitarklänge beim Intro zu hören, unter die einleitende Arpeggio-Gitarre mischen sich Percussions. Der Song bekommt eine schwimmende und ein wenig psychedelische Note, was durch die links-rechts-getrennte Dopplung des Gesangs unterstützt wird, orientalische Skalen mischen sich mit westlichen Akkordfolgen. So endet das Album in einem musikalischen Drogenrausch.

    Leider mußte der Mann beim Schwimmen im Missisippi ableben, nachdem dieses Album fertig war. Ansonsten wäre sicher noch einiges gekommen. Auch wenn er selber es nicht mitbekommen hat, er hat ein vielgelobtes Highlight der Neunziger geschaffen, das immer wieder bei Referenzen anderer Musiker verschiedenster Muskrichtungen Erwähnung findet. Irgendwo las ich bei ersten Recherchen zum Werk, daß es sogar zum Werk des Jahrhunderts (!) ausgezeichnet wurde. Ich habe mittlerweile allerdings keinen Plan mehr, von welcher Institution das kam. Eine Auszeichnung, die ich voll und ganz nachvollziehen könnte -- bei diesem Musiker allerdings nicht mehr brauche und nur noch als verdiente Randnotiz zur Kenntnis nehme.

    Grandios, großartig, traumaft, göttlich!

Jeff Buckley : DVD

Live In Chicago
Typ1 DVD / Live-Konzert
Jahr2004
LabelColumbia Records (Sony BMG)
DVD • Bildformat: Pal, Widescreen
• Tonformat: Dolby Digital 5.1 Surround
• Sprache: Englisch

• Spieldauer: ca. 125 Minuten
Songs
  1. Dream Brother
  2. Lover, You Should've Come Over
  3. Mojo Pin
  4. So Real
  5. Last Goodbye
  6. Eternal Life
  7. Kick Out The Jams
  8. Lilac Wine
  9. What Will You Say
  10. Grace
  11. Vancouver
  12. Kanga Roo
  13. Hallelujah
Bonus Tracks:
  • So Real (Acoustic)
  • Last Goodbye (Acoustic)
    Der Meister live in concert, eine Gelegenheit, einen passionierten Musiker bei der Arbeit zu sehen. Es handelt sich um die Aufzeichnung eines Livekonzerts im The Cabaret Metro in Chicago am 13. Mai 1995 während der Mystery White Boy-Tour.
    Mit Jeff Buckley stehen auf der Bühne Michael Tighe (Gitarre), Basser Mick Grondahl und Matt Johnson (Drums). Es ist ein kleiner Club, da Buckley zu Lebzeiten immer nur als Insider-Tip gehandelt wurde, es gibt einen Zusammenschnitt von Songs der Sketches For My Sweetheart The Drunk und dem Studioalbum Grace (s.o.).

    Besonders nett an der Aufzeichnung sind die kleinen Details, die mit der Musik nur am Rande zu tun haben. Da wird schonmal zwischen den Songs an der verstimmten Gitarre rumgeschraubt, mit dem Roady geflirtet, eine Zigarette gequalmt, der ein oder andere Gag gemacht oder spitzfindige Kommentar von Buckley gegeben.
    So wie auch die Musik selbst durch diese anheimelnde Atmosphäre eines kleinen Auftritts an Dynamik gewinnt, viele Titel sind wesentlich schneller und lebendiger als bei den Studioaufnahmen, merkt man die Interaktion zwischen dem Künstler und dem Publikum. Auf gekünstelte oder einstudierte Elemente wird bewußt verzichtet, da sich alles aus der Situation heraus entwickelt: Auftrittsverlauf wie jeder einzelne Song. Die Energie, die Buckley in Musik inverstiert hat und wenigstens in gleichem Maße aus ihr zog, wird durch seine Gestik, Mimik, Motorik, sein Gitarrespiel und seinen Gesang überdeutlich. Wegen des überschaubaren Auftrittorts, der guten - teils nahen - Kameraführung und Schnitte entgeht dem Betrachter kein Detail. Dank digitaler Nachbearbeitung sind Bild- und (vor allem) Tonqualität hervorragend und lassen keine Wünsche offen.

    Das Erlebnis dauert gute zwei Stunden, und so kurz dieser Einblick in sein Leben ist, man meint Jeff Buckley ein Stück kennenzulernen und noch ein wenig mehr aus seinem musikalischen Werk verstehen und mitnehmen zu können. Je nach DVD-Fassung ist teilweise auch noch die nach seinem Tod veröffentlichte CD Mystery White Boy (s.o.) als Bonus dabei. So oder so bleibt nur das schlüssige Fazit:

    Ein Muss für jeden Buckley-Fan!