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Nickelback : Alben

    Dies sind die letzten Studioalben der Band. Die vollständige Diskographie gibts auf dem üblichen Weg: check out da official Links!


Here And Now
Typ1 CD / Studio
Jahr18.11.2011
LabelRoadrunner (Warner)
Songs
  1. This Means War
  2. Bottoms Up
  3. When We Stand Together
  4. Midnight Queen
  5. Gotta Get Me Some
  6. Lullaby
  7. Kiss It Goodbye
  8. Trying Not To Love You
  9. Holding On To Heaven
  10. Everything I Wanna Do
  11. Don't Ever Let It End

Dark Horse
Typ1 CD / Studio
Jahr2008
LabelRoadrunner (Warner)
Songs
  1. Something In Your Mouth
  2. Burn It To The Ground
  3. Gotta Be Somebody
  4. I'd Come For You
  5. Next Go Round
  6. Just To Get High
  7. Never Gonna Be Alone
  8. Shakin' Hands
  9. S.E.X.
  10. If Today Was Your Last Day
  11. This Afternoon
    Nach satten drei Jahren melden sich die charttauglichen und preisebeladenen Smartrocker aus Kanada mit dem neuen Werk zurück. Nach langer Zeit haben sie sich für die Aufnahme der Platte einen aussenstehenden Produzenten mit ins Boot geholt. Mit dem gewissen Herrn Robert John Lange fiel die Wahl auf einen seit Jahrzenten bekannten Namen, der von Altrockern wie AC/DC und Def Leppard über Rod Steward, Sting und zuletzt verstärkt (ebenfalls kanadischen) Softrocker Bryan Adams eine beeindruckende Spanne von Referenzen vorzuweisen hat. Auch wenn es keine zu großen hörbaren Sprünge gibt, ist dieser Einfluss aus der Produktion herauszuhören. Mehr dazu gegen Ende nach ein paar Worten zu den einzelnen Songs.
    Kurz noch eine Anmerkung zum Albentitel. Bei dem einfachen Namen Dark Horse gerade in Verbindung mit dem Albencover, auf dem wir eine schwarze Gürtelschnalle in Hufeisenform zu sehen bekommen, war für mich alles klar. Ich sah die vier Kanadier mit Cowboyhüten bedeckt auf ihren rassig-schwarzen Hengsten schon förmlich durch die Prärie (gibt es die in Kanada überhaupt?) galoppieren. Bis ich vor dem Kauf der Scheibe mal die deutsche Seite des Plattenlabels absurfte und dort erfahren durfte, daß der Begriff "dark horse" im Amerikanischen ein umgangssprachlicher Ausdruck für unser deutsches "unbeschriebenes Blatt" ist. Keine allzu wichtige Randinfo, ohne die einem eine Quintessenz entgehen würde, aber gerade in Hinblick auf die Produktionsexperimentierfreude ein treffendes Detail. Die elf enthaltenen Songs geben sich nun wie folgt:

    Something In Your Mouth (Track #1) ledert gleich zu Beginn munter-rockig los, das Riff ist ohrgängig, die Drums schön klar und straight, der Sound insgesamt die gewohnte und bewährte Mischung. Ab und an reduziert sich alles auf rhythmusbetonte Parts, in denen dezent und sehr schön eingebundene Percussions hinzukommen. Zum Songtitel kann ich nur sagen: wer denkt, daß hier Rocker mit eindeutig zweideutigen Klischee-Begriffen hantieren -- der liegt genau richtig!
    Burn It To The Ground (Track #2) ist gleich noch eine flotte Nummer. Er klingt allerdings ein wenig uriger, hat einen altbackenen Stil, aus dem ich persönlich den Produzenten deutlich herauszuhören meine. Unter anderem gröhlt im Chorus eine Menschenmenge im Hintergrund ein sattes "hey, hey" mit, daß man neben den modernen Sounds und Arrangement beinahe einen Hauch troditionellen Punk mitschwingen fühlt.
    Gotta Be Somebody (Track #3) muß nach den zwei schnellen Startsongs beinahe verpflichtend eine Ballade sein. Beim ersten Lesen des Titels hatte ich das so nicht gedacht, dachte eher an eine sozialkritische Nummer, aber nein, es ist eine Ballade -- und was für eine schöne! Songtitel und Textinhalt singen von dem einsamen Vagabunden, der genau fühlt, daß es irgend jemanden geben muß, der wie er selbst fühlt. Mit einer wabernden Tremologitarre legt der Song - mal ein unerwartetes Klangerlebnis, das sich toll bis zum Ende durchzieht - los, nach und nach schichtet sich immer mehr zusammen. Melodiebögen und Arrangement werden gegen Ende in den fliessend getragenen Parts zum Showdown beinahe erschlagend dicht. Diese Ballade ist eine Reissbrettplanung, das ist unüberhörbar, aber die ist dermaßen gelungen, daß ich jedem kreischenden Teeniemädel verzeihen würde. Ein Meisterstück von Rockballade!
    I'd Come For You (Track #4) ist nun gleich noch eine Ballade, sie klingt ein wenig traditioneller. Es wird im Arrangement nicht so dick aufgetragen wie beim Vorsong. Mit variierenden Choruswiederholungen gen Ende und ein paar klassischen Bridges und harmonischen Griffen in die Trickkiste könnte es auch ein Song aus dem Repertoire von Bon Jovi oder Bryan Adams (ob das am Produzenten liegen mag?) sein. Nicht zuletzt wegen Chad Kroeger am Mikro bleibt es aber hörbar ein Nickelback. Im Schatten des bombastischen Vorsongs scheint dieser Song ein wenig unterzugehen, ist aber dank seiner anderen Struktur eine schöne Ergänzung bzw. eine willkommene Ausweichmöglichkeit, wenn man von der "dicken Ballade" schon zu viel in den Ohren hat. Nach den ersten Tagen Erfahrung mit der Platte weiß ich, wovon ich spreche - Ohrwurm lass nach! *grins*
    Next Go Round (Track #5) heizt wieder schön, erinnert angenehm an ältere Flitzer der Band. Die Riffs sind schmierig, der Gesang druckvoll und energisch, es gibt ausserdem erstmals ein längeres Solo für die E-Klampfe.
    Just To Get High (Track #6) klingt gleich zu Beginn schon so ganz anders als die Songs bisher. Langsam tröpfelt er an, es geht um die Ehrfahrung, daß ein guter Freund unaufhaltbar in die Drogenspirale hinabgezogen wird. Eine Spur Alternative mischt sich in die Rocklinie, der Song trägt nicht zu dick auf, bleibt tragisch und bekommt besonders durch den verzweifelt-energischen Gesang eine charismatische Note mit.
    Never Gonna Be Alone (Track #7) ist eine runde Ballade, die teils mit akustischen Gitarren locker und unkompliziert daherkommt. Textlich geht es romantisch bis leicht kitschig zu, aber alles ist nett gebunden und zu einem schönen Paket zeitlich abgepasst.
    Shakin' Hands (Track #8) ist der erste Auftakt zum Showdown. Das Riffing, die Drums und der Gesang sind wunderbar dreckig, das Tempo hält sich in Grenzen. Die Nummer schlängelt sich um das Thema: Händeschütteln - oder wie ich es sonst noch nach ganz oben schaffe. Wie heisst es da so schön? "Wer nach Gold buddelt, der wird auch schmutzig." Zwischen dem urdreckigen Rockerkram braten die Gitarren (es wird auch wieder kurz mit Wah-Wah-Effekt soliert, daß es sich beinahe wie hingerotzt anhört) so saftig, daß es eine wahre Wonne ist.
    S.E.X. (Track #9) dreht sich - man ahnt es - um dasselbe Thema. Jaja, es ist ja bloß eine Abkürzung, wie uns der Text glaubwürdig vermittelt. Den Inhalt mal eben bei Seite gelassen, ist der Song eine flotte und druckvolle Sache. Zum Chorus gibt es rhythmisch wunderbar straight voll auf die zwölf, der Song stampft einfach treibend. Auf dem Höhepunkt gibt es eine brachiale Rhythmusorgie, die Melodien des Titels bekommt man - nicht nur wegen der vielfachen Wiederholung - tagelang nicht wieder aus dem Gehörgang. Um mir weitere Überlegungen zum Text hier zu sparen, zitiere ich kurzerhand die Hauptzeile des Chorus: "Sex is always the answer, it's never a question, 'coz the answer's yes". Eine endgeile Uptemo-Nummer.
    If Today Was Your Last Day (Track #10) ist ein friedlicher Abkühler zum Ende der Platte hin. In abermals runden Melodiebögen und unspektakulärem Arrangement geht es um das, was der Titel sagt: stell Dir vor, heute wäre Dein letzter Tag! Mit Hinterlistigkeiten wartet der Song nicht mehr auf, ist aber auch kein überflüssiger oder gar langweiliger Titel. Gerade an dieser Stelle paßt er wunderbar rein, wenn man sich das Album (bei mir meistens der Fall) in Reihe geschlossen anhört.
    This Afternoon (Track #11) hat als Finalizer noch eine kleine Überraschung im Gepäck. Es geht mit leisem, heiterem Stimmengewirr los, dann kommt eine schon fast entsetzlich gutlaunig klingende Akustikgitarre dazu. Und auf einmal singt Chad Kroeger von "Bob Marley days" und Haschischrauchen?! Nein, es wird keine Ode an den Drogenkonsum, die kanadischen Lieblingsschwiegersöhne wenden das Blatt noch rechtzeitig. Es geht in dem unbeschwerten Song um Abgammeln mit Kumpels, mal einen Nachmittag gezielt verplempern, rausgehen, einfach gute Laune. Der Titel hat keine Falltüren oder versteckte Kritiken, ist einfach mal heiter, ist mit seinen viereinhalb Minuten sogar längster Song der Platte, kommt einem jedoch wesentlich kürzer vor. Vor der Stille kann man sich also noch einmal entspannt zurücklehnen und geniessen. Fein!

    Nun, freilich haben Nickelback mit dieser Platte nicht das Rad neu erfunden. Erstaunlich finde ich, daß sie das - und meiner Meinung scheinen noch viele andere begeisterte Hörer und Fans weltweit zu sein - nicht müssen. Diese schelmische Art im Umgang mit Texten, althergebrachten Klängen und modernen Einflüssen ist, egal wie kommerziell sie erscheinen mag, immer wieder eine Freude und bietet trotz allen Mainstreams eine unverwechselbare Authentizität in allen Songs.
    Ich kann nicht sagen, wie viel Einfluß der hinzugezogene Produzent bei den einzelnen Songs und dem Gesamtkonzept hatte. In vielen Nuancen klingen Nickelback für mich auf dieser Platte experimentierfreudiger, mal einen Hauch ruppiger als früher, bei den Balladen noch eine Spur schöner und abgerundeter (ich vermeide hier bewusst den Begriff "nett"). Kurz: für mich klingen sie weiterentwickelt und vielleicht wieder eine Spur perfekter? Aber ich kann mir gleichzeitig nicht vorstellen, daß irgendein alter Fan sich von den Neuerungen vor den Kopf gestoßen sieht. Mögen die Jungs Chartplazierungen und Preise säckeweise einheimsem -- nach diesen elf wunderbaren Songs haben sie sich das redlich verdient.

    Elf wunderbare Songs, was für ein tolles Album!

All The Right Reasons
Typ1 CD / Studio
Jahr2005
LabelRoadrunner (Warner)
Songs
  1. Follow You Home
  2. Fight For All The Wrong Reasons
  3. Photograph
  4. Animals
  5. Savin' Me
  6. Far Away
  7. Next Contestant
  8. Side Of A Bullet
  9. If Everyone Cared
  10. Someone That You're With
  11. Rockstar
    Follow You Home (Track #1) öffnet die Pforten zum bislang letzten Studioalbum mit einer kurzen Schlagzeug-Explosion. Danach wird schnell und ohne Bremse in mittlerem Tempo gebraten. Passend zum textlichen Inhalt: egal, was du mir antust, du wirst mich nicht mehr los. Mit an Stalking grenzenden Inhalten dominiert aber die bedingungslose Liebe zur besungenen Frau, für die sogar ein breit grinsender Tod denkbar wäre. Ohne zu doll auf die Tube zu drücken marschiert der Song unbeirrbar durch.
    Fight For All The Wrong Reasons (Track #2) behandelt wieder die Liebe des Rockers an sich, knüpft ja doch irgendwie an den Albentitel an, verdreht ihn seltsamerweise komplett. Der Text erzählt uns von einer irgendwie missglückten Beziehung, bei der sich jemand fragt, ob er die ganze Zeit für die falschen Dinge gekämpft hat. Er kommt aber zu dem Schluss, daß es letztlich nicht so sein kann; man war zumindest im Bett ein tolles Team. Joa, that's Rock, folks! Auch die Musik ist Rock pur, geht runter wie Öl, hat aber auch ein paar Finessen in der Hinterhand. Eine lockere Nummer, die trotz ihrer schweren Elemente gute Laune macht.
    Nostalgie pur gefällig? Photograph (Track #3) kann damit dienen. Perlende Westernklampfen, dezenter Bass und Drums, weit hinten im Klangraum stehende E-Gitarren, mehrstimmiger Gesang in ohrwurmigen Hooklines, flockige Arpeggios zwischendurch, schwimmende Atmosphäre und das alles ohne unnötigen Schmalzfaktor. Das hört sich doch so an, als wäre der Band damit ein chartpflichtiger Titel gelungen! Hmmm, war die Single irgendwann mal in den Charts *grübel* ?! Definitiv eine der geilsten Rockballaden der letzten Jahre!
    Die Romantik in Animals (Track #4) hat eine etwas andere Basis als das Ansehen alter Fotos. Um beim Thema "Bild" zu bleiben, liefere ich ein paar Ausschnitte aus dem Text. Mann auf dem Fahrersitz des Autos, eine Frau auf dem Beifahrersitz, ihre Hand irgendwo zwischen seinen Beinen. Im Chorus Sprüche wie "mach weiter, wir sind doch auch nur Tiere". Man könnte meinen, es geht um Schweinszeug! Nähme man das an, müsste man diesen Song unter Einbeziehung der instrumentalen Charakteristik als endgeilen Dreiminuten-Quicky bezeichnen.
    Anrührend wirkt Savin' Me (Track #5) im direkten Anschluß: die hilflose Unschuld in Person fleht singend um Hilfe, Erziehung und Orientierung. Das alles über eine ruhige Musikspur in dicht gepacktem und melodischem Ohrwurmformat. Wie süß!
    Und noch einen ruhiger wird Far Away (Track #6). Die Nummer müsste auch aus dem Radio bekannt sein. Es perlt überall, in tragikbeladenem Gesang will man uns das Pipi in die Augenwinkel treiben. Von echoreichen Hintergrundstimmen über Streicher bis hin zur klassischen Ganztontransponation vor dem letzten Songdrittel fehlt kein Merkmal der Rock-Schmalzette. Einzig der deutliche Bass und wenige Drum-Fills ziehen stimmungsmäßig ein wenig nach oben hinaus. Auch wenn sich das jetzt unbegeistert anhört, der Song ist in der passenden Stimmung unerreichbar geil und beneidenswert gut gemacht. Also: Nase putzen und weiter gehts in die zweite Hälfte!
    Next Contestant (Track #7) knüppelt wieder angemessen. Da muß ein Typ reihenweise vor Eifersucht brodeln, weil sich ohne Unterlass andere Macker an seine Tussi in der Disco ranschmeissen, ihr Drinks austun, bald - wie zufällig - deren Hand auf ihrem Knie landet. Der Titel drückt energisch, ist aber nicht zu schnell, ist mit seinen dreieinhalb Minuten zeitlich gut abgepasst.
    In Side Of A Bullet (Track #8) gönnt man sich eine sozialkritische Komponente. Es geht um jemanden, der ansah, wie jemand eine Waffe zog und jemand anderen erschoss. Jener Beobachter sitzt jetzt voller Wut und Fragen allein, sieht die Szene immer wieder wie in Zeitlupe vor seinem geistigen Auge ablaufen und ritzt den Namen des Erschossenen in die Seite einer Patrone. Jaja, die Amis mit ihrem Waffenrecht, Kreislauf der Gewalt und so. Der Song ist knappe drei Minuten lang, ruppig dreschend, im Solo wird sogar mal getappt. Ob die Gewaltspirale sich weiter dreht, verrät uns der Song nicht mehr, er endet im offenen Ende - ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt.
    If Everyone Cared (Track #9) bringt scharfen Kontrast. Hier liegt ein Pärchen überglücklich unter nächtlichem Sternenhimmel und besingt das Leben, ist einfach glücklich, wünscht sich den Weltfrieden und allen Menschen Glück und Liebe. Es trällert ein Piano zum Intro, stellenweise lebt der Song auf, wird nicht triefig. Dreieinhalb Minuten Lebensfreude und Dankbarkeit in Vertonung.
    Noch ein flotter Rocker ist Someone That You're With (Track #10). In schnellen und klar akzentuierten Licks und Riffs singt da einer von seinem missglückten Versuch, sich eine Frau zu angeln. Was bleibt ihm nun anderes, als sich zu wünschen derjenige zu sein, mit dem sie nun irgendwo zusammen ist. Ein schmissiges, vierminütiges "Dumm gelaufen".
    Der finale Rockstar (Track #11) ist der Brüller schlechthin! In einer lockeren Atmosphäre von klassischem Slow-Rock quängelt ein (junger?!) Möchtegern, daß er doch so gerne Rockstar wäre, wie er sich das Leben als solcher erträumt. So ziemlich jedes Klischee (Kohle ohne Ende, dicke Autos, Drogen, billige Schlampen im Dutzend) wird hier im Zeitraffer einmal angeschnitten. Das Beste allerdings ist die Zweitstimme, denn hier gibt der alte und erfahrene Rockstar seine gelangweilten Kommentare zu dem ein oder anderen Statement des Greenhorns. Die Nummer läßt einem gute vier Minuten das breite Grinsen nicht von der Visage verschwinden, ist musikalisch einfach nett und als Finalizer des Albums perfekt.

    Großes Rocktheater mit jeder Menge Romantik, Biss und Witz!

The Long Road
Typ1 CD / Studio
Jahr2003
LabelRoadrunner (Warner)
Songs
  1. Flat On The Floor
  2. Do This Anymore
  3. Someday
  4. Believe It Or Not
  5. Feelin' Way Too Damn Good
  6. Because Of You
  7. Figured You Out
  8. Should've Listened
  9. Throw Yourself Away
  10. Another Hole In My Head
  11. See You At The Show
    Flat On The Floor (Track #1) ist ein zweiminütiger Einheizer, der in einem Affenzahl und manischem Druck ins Album drückt.
    Do This Anymore (Track #2) schaltet zwei Gänge zurück, bekommt die doppelte Spielzeit. Die Gitarren röhren zwar im Chorus deftig, aber im Ganzen ist der Titel sphärischer und entfaltet mit Lyrics von Umorientierung und neuer Lebensausrichtung eine schöne Atmosphäre.
    Klare Westerngitarren starten Someday (Track #3), der sich als Singleauskopplung in so mancher Chartliste festsetzen konnte. Die verzerrten Gitarren, die später dazukommen, halten sich in Tempo und Druck weitesgehend zurück, auch wenn sie streckenweise die akustischen und Cleangitarren überlagern. Der Song ist melodisch, gemütlich und vom Arrangement bis unter die Dachkante vollgestopft, gute drei Minuten netten Easylistenings.
    Believe It Or Not (Track #4) baut gleich zu Beginn auf mehr Druck, wenn die schräddeligen E-Gitarren das Strophenriff vorstellen. Zum Chorus hin kommt ein leichtes Crescendo, toll ist der Rhythmusakzent zu Beginn des hooklinestarken Chorus. Zusätzlich füllt eine eigenständige Zweitstimme den Refrain, sorgt für ein breiteres Klangpanorama, eine ruhige Bridge mit gezupften Arpeggiogitarren und leisen Slides der Leadgitarre im Hintergrund erfreut kurz nach der Songmitte. Mal wieder vier Minuten amtlicher Rockarbeit.
    Bei Feelin' Way Too Damn Good (Track #5) bekommen wir eine Gratwanderung zwischen Ballade und Rock. Es geht um eine schnelle Beziehung, sich entwickelnde Gefühle und eine schlimme Vorahnung, daß irgend etwas Schlimmes bevorsteht, weil seltsamerweise alles "zu verdammt gut" läuft. Klare Gitarren, drückende Overdriver, sogar Leadgitarreneinwürfe mit WahWah peitschen einem in mäßigem Tempo aus allen Richtungen um die Trommelfelle.
    Because Of You (Track #6) ist ein knallharter Driver. Gleich zu Beginn zimmern die staubtrockenen Gitarren los, das Arrangement wandelt, dünnt mal auf eine Drum- und Basspassage aus, der Chorus ist melodisch und vollgestopft, die konstante Energie läßt einen zu keinem Zeitpunkt verschnaufen. Mit seinen dreieinhalb Minuten ist der Titel eine ideal positionierte Hardrockorgie auf dem Höhepunkt des Albums.

    Wieder eine Liebeserklärung gibt es in Figured You Out (Track #7). Schmalz und heile Welt?! Eher nicht. Der Titel ist eine Hommage an eine wunderbare Hassliebe, ein herablassendes Besingen, mehr ein Aufzählen von Negativa der betreffenden Sie, die vor Ihm kniet. Doch trotz aller Abscheu scheint es [sie] zu gefallen, denn all die mühselig gesammelten Makel zeugen von einer langen (wenn auch vielleicht nicht immer glücklichen) Beziehung. Die instrumentale Linie ist mindestens genauso dreckig-schmierig wie der Text. Ein tolles Gute-Laune-Intermezzo, das wenigstens ein hämisches Grinsen wert ist!
    Auch in Should've Listened (Track #8) geht es um Beziehung zwischen Mann und Frau. Doch hier haben wir einen musikalisch toll eingefangenen Schnappschuss. Männe kommt nach Hause, Wohnung verwüstet, Lippenstift auf dem Spiegel, Kreditkarte weg - und er versteht nicht recht was los ist. Das zumindest lügt er sich und uns vor. Denn die Einsicht "ich hätte besser hinhören sollen" kommt schliesslich in Chorus und sogar im Songtitel vor! Der Song ist langsamer, mit perlenden Westerngitarren, einem getragenen Bass, leichten Blues-Phrasen. Ein gut passender Perspektivwechsel zum hassliebenden Vorsong.
    Throw Yourself Away (Track #9) will den Blues irgendwie nicht loslassen, dabei wird hier wieder mächtig in die Saiten gedroschen. Wir haben quasi einen Nu Metal Blues! Er vereint musikalisch die Abscheu des vorletzten und die Bluesdramaturgie vom vorhergehenden Song. Das mag sich jetzt komisch anhören, ich kann das aber nicht besser beschreiben. Vielleicht wieder so ein Beispiel von: lesen ist gut, selbst anhören unerlässlich. Eine geile und charismatische Mischung jedenfalls.
    Another Hole In The Head (Track #10) kehrt merklich zu den Wurzeln des straighten Hardrock zurück. Nochmals das Thema "gescheiterte Beziehung", hier aber in beiderseitigem Einvernehmen. Man trennt sich unter Anschreien, Türenknallen und Sprüchen wie "ich brauch dich genauso sehr wie ein weiteres Loch im Kopf". Die Beziehung als Kopfschuss *grins*. Der Song rockt heiter, für Bewegung sorgen rhythmische Bridge und stampfende Staccatoteile in der zweiten Songhälfte, der Showdown ist ein wüstes Geshoute, das in ausklingenden Gitarrenchords endet.
    Für das Ende (*) hat man sich mit See You At The Show (Track #11) zu einem eher klassisch-melodischen Rocker entschieden. Quintessenz des Titels, der ebenfalls so manche Chartplatzierung und Radio-totnudelung erfahren hat: wir sehen uns bei der nächsten Show -- oder eben nicht. Wenn du nicht kommst, hast du was verpasst, aber die Show läuft auch ohne dich. Zwischen klaren Gitarren stampfen urige Drums, der Bass ist markig, es wird mit amtlichem Overdrive gedroschen, dann wieder bluesharmonisch soliert. Wasserdichte Produktion in Reinform und ein schönes Finish für das Album.

    (*) Ich besitze das Erstrelease der Platte. Auf späteren Veröffentlichungen sind bis zu drei Bonustracks dabei. Verständlicherweise kann ich dazu nicht viel schreiben.

    Eine Spur ruppiger als der Vorgänger, elf komplett abnutzungsresistente Songs.

Silver Side Up
Typ1 CD / Studio & Live
Jahr2001
LabelRoadrunner (Warner)
Songs
  1. Never Again
  2. How You Remind Me
  3. Woke Up The Morning
  4. Too Bad
  5. Just For
  6. Hollywood
  7. Look What Your Money Bought
  8. Where Do I Hide
  9. Hangnail
  10. Good Times Gone
    Der Opener Never Again (Track #1) steigt gleich mit einem etwas beklemmenden Thema ein. Der dauerbesoffene Halbstarke verprügelt seine Freundin. Anschliessend geht es darum, sich mit der Geschlagenen eine passende Ausrede für die eventuell fragende Krankenschwester zu überlegen. Man einigt sich auf den Klassiker "ausgerutscht und gestürzt". Glücklicherweise folgt die unterweisende Erziehung durch einen reiferen Herrn in der Bridge, der quasi sagt "Hey, Rostlöffel, bleib ruhig. Frauen schlägt man nicht!" Der Song schiebt basslastig und ruppig, der zweistimmige Gesang liegt perfekt auf der aggressiven Stimmung des Songinhalts.
    How You Remind Me (Track #2) wanderte durch so manche Chartliste, ist im Grunde eine Ballade. Auch hier geht es um eine unglückliche Beziehung, jemanden, der sich für seine Fehler entschuldigt, flehend bittet, nicht verlassen zu werden. Der Song ist ein wenig ruhiger, jedoch weit weg von Schmalz und Gewinsel. Vielmehr dominieren Energie und Entschlusskraft den im Gehen begriffenen Partner zu halten.
    Ein Perspetivwechsel dazu könnte Woke Up This Morning (Track #3) sein. Es singt jemand, daß er alles um sich herum satt hat, Schnauze voll, so gehts nicht weiter. Der Titel schiebt wieder ein bißchen mehr, hat kleine Elemente, die an Alternative erinnern, ist rhythmisch komplex, hat ein längeres Intro und instrumentale Füllparts.
    Voller Weltschmerz gibt sich Too Bad (Track #4). Es wird über das armselige Leben nachgedacht, der Vater schuftet sich die Finger wund, die Mutter serviert Essen, alles dreht sich um das Am-Leben-bleiben der Unterschicht. Und das lyrische Ich sucht in all dem Elend als einzigen Trost einen Menschen, mit dem es spazierengehen und ein wenig reden kann. Das Arrangement ist dünner, hat wieder alternative Spuren, die Rhythmusabteilung aus Bass und Drums dominiert die Strophen, lediglich im Chorus rocken die Gitarren mit schmierigem Overdrive dazwischen.
    Just For You (Track #5) ist die Liebeserklärung der anderen Art. Mit ordentlich Zunder breschen die Gitarren den Song an, er bleibt flott und energisch. Es geht um die Liebe zu einer Frau, die schon einen anderen Lover hat. Der ist - selbstredend - nicht gut genug für sie. So knüppelt der Song zwischen der inbrünstigen Liebeserklärung zur ihr und der brennenden Eifersucht gegenüber ihrem Liebhaber.

    Hollywood (Track #6) steigt im Stil eines Nu Rock-Titels ein. Es geht um die Traumfabrik und (vor allem) ihre Schattenseiten: rasendes Leben unter Leistungsdruck, Drogen- und Medikamentenmissbrauch bis hin zur totalen Selbstzerstörung. Über die gerade Instrumentenspur bringt der Gesang eine passend psychedelische Note. In den Strophen wird die Spur der Gitarre in verschobenen Harmonien aufgenommen, immer wieder fliessen effektentfremdete Stimmen dazwischen.
    Bitterböse bleibt auch Money Bought (Track #7) in ähnlicher Ecke. Im Mittelpunkt steht die "high society", die hier auf ein junges Mädel fokussiert. Die kann sich mit der Kohle von Mom und Daddy zwar alles leisten, was ihr die Kataloge als Trend präsentieren, kann sich mit anderen Menschen ihrer Liga auf Parties köstlich über das arme Pack amüsieren, nur zu menschlicher Nähe ist sie nicht fähig. Die ordentliche Portion Verachtung, die aus den Textzeilen quillt, ist in der hardrockigen Instrumentallinie des Songs gleichermaßen zu merken.
    Where Do I Hide (Track #8) erzählt von der Flucht eines Mannes, der die Staatsgrenze überqueren will, schon so manchen Eintrag in seinem Polizeiregister hat und ein Versteck braucht. Mit schmierigem Riffing im Intro entwickelt sich der Hardrocker zu einem konstant treibenden Titel mit sehr schönen Akzenten in der Rhythmik.
    Hangnail (Track #9) mutete teilweilse autobiographisch an. Mit Weisheiten wie "nächstes Mal bevor du klaust, frag, ob du es leihen darfst", "ich kann nicht singen, also schreie ich" oder "such dir besser Dinge, die zu dir passen" in den Lyrics könnte der harte Weg ins Musikbusiness erzählt werden. Die Gitarren röhren wieder mächtig mit Schmierfaktor, die Struktur des Titels ist sauber gegliedert, längere Instrumentalparts strecken und sorgen für Abwechslung.
    Good Times Gone (Track #10) ist mit fünf Minuten zwanzig zum Ende der Platte der weit längste Song. Wen wundert es bei diesem Songtitel, daß es ein wenig nostalgischer zugeht? Hier fragt sich jemand, wo all der Unfug hin ist, den man früher getrieben hat, all die kleinen Dinge, die einem einst Freude machten. Musikalisch bildet die Nummer einen kleinen Seitensprung: zwar ist die Basis rockend, doch das gewisse Bluesfeeling, das sehr gut zur Stimmung des Inhalts passt, bringt eine schöne Slidegitarre. Sie bekommt auch ein ausgedehntes Outro, für das sich kein hauptberuflicher Bluesman schämen müsste. Ein überraschender und schön gemachter Auslauf für die Platte.

    Toller Rock in vielen Facetten und mit kleinen Spritzern Sozialkritik. Sehr schöne Scheibe!