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Steve Vai : Alben

  Dies ist nur ein Bruchteil der Soloalben von Steve Vai. Eine vollständige Diskographie von Solowerken und Projekten mit anderen Musikern und Bands gibt es über die offziellen Links...


Sound Theories
Typ2 CD / Studio
Jahr2007
LabelEpc (Sony BMG)
Songs [CD 1]
  1. Kill The Guy With The Ball
  2. The God Eaters
  3. Ther Murder Prolog
  4. The Murder
  5. Gentle Ways
  6. Answers
  7. I'm Becoming
  8. Salamanders In The Sun
  9. Liberty
  10. The Attitude Song
[CD 2]
  1. Bangkok
  2. Sparks
  3. Frangelica (Part 1)
  4. Frangelica (Part 2)
  5. Helios And Vesta
  6. Bledsoe Bluvd.

Fire Garden
Typ1 CD / Studio
Jahr1996
LabelEpc (Sony BMG)
Songs
  1. There's A Fire In The House
  2. The Crying Machine
  3. Dyin' Day
  4. Whookam
  5. Blowfish
  6. The Mysterious Murder Of Christian Tiera's Lover
  7. Hand On Heart
  8. Bangkok
  9. Fire Garden Suite
  10. Deepness
  11. Little Alligator
  12. All About Eve
  13. Aching Hunger
  14. Brother
  15. Damn You
  16. When I Was A Little Boy
  17. Genocide
  18. Warm Regards
    Auf den ersten Blick sieht man, daß es auf dieser Scheibe mit dem hellen und gezeichneten Cover mehr Material gibt als auf der Vorgängerscheibe Alien Love Secrets (s.u.) aus dem Jahr zuvor. Hier gibt es mit einer Stunde und fünfzehn Minuten eine amtliche Fülle an Songs und trotz des gleich hohen Niveaus in Sachen Gitarrenarbeit hat sich an der "Allgemeinverträglichkeit" einiges getan...

    Der Opener There's A Fire In The House (Track #1) beginnt mit einem Knall und Donner, an das sich Sirenen und düstere Synthesizersounds anschliessen, die nur langsam verebben. Es folgt noch ein martialisch klingender Übergang, bei dem sich die Gitarre klanglich vorstellt, doch dann knüppelt ein "ganz normaler" Song los. Es gibt immer wieder unerwartete Themenwechsel und starke Veränderungen im Arrangement, aber mit seinen fünf Minuten macht der Titel in seinem Tempo und der Zugkraft wahrlich Laune auf mehr.
    The Crying Machine (Track #2) beginnt mit einer Stimme, die sich nach den ersten Stimmsequenzern der Achtziger Jahre für Computer anhört, aber es bleibt bei einer knappen Einleitung. Der Song ist harmonisch heiter, nicht zu schnell, nicht zu langsam. Das Arrangement ist unheimlich ausgetüftelt. Mal gibt es gebundene Orgelchords, dann wieder einen funkigen Slapbass im Hintergrund. Die ineinandergreifenden Gitarrenlines sind interessant verpackt und passen gut zur restlichen Bandaufstellung. Kurz vor der Fünfminutengrenze gibt es, nicht sehr häufig bei einem Steve Vai, einen Fadeout.
    Dyin' Day (Track #3) ist eine sehr ohrgängige Sache. Die Harmonien und der Rhythmus haben kleine Überraschungen zu bieten, alles in allem fliesst dieser viereinhalbminütige Song, der ohne Falltüren irgendwie um bitter-süße Tragik herum tänzelt, in einem ungebrochenen Rutsch durch. Toll!
    Whookam (Track #4) ist kein Song, sondern ein sechsunddreißigsekündiges Mysterium. Es wird auch nicht auf der Gitarre jongliert, sondern nur gesprochen. Ob das schlicht rückwärts abgespielte Weisheiten des Gitarristen sind, habe ich noch nicht ausprobiert...
    Blowfish (Track #5) macht in fettem Distortionklang einen wuchtigen Eindruck. Sowohl in tiefen Staccatoläufen als auch in fluenden Läufen auf den hohen Saiten gibt es eine amtliche Portion, unterm Strich eine simpel klingende und rhythmusbetonte, dreckige Rocknummer.
    The Mysterious Murder Of Christian Tiera's Lover (Track #6) hält sich an das Motto "Langer Titel, kurzer Song." Lediglich eine Minute dauert das Spektakel. Das anfängliche Riffing ist düster und urig rockig, wechselt über ein paar Läufe, Percussivnotes und Obertöne in einen Tapping-Showdown - ehe man sich versieht, ist die kleine Zaubervorstellung vorbei.
    Hand On Heart (Track #7) läßt es als Ballade ruhig angehen. Zunächst stellt die schlichte Distortiongitarre das Leitthema alleine vor, es wird unter zunehmender Begleitung aus Bass, dezentem Schlagzeug und Streichern aus dem Synthi wiederholt. Auch wenn ein paar schräpelnde Obertöne die glorreiche Eintracht durchbrechen, bald ein wenig Fahrt dazukommt, bleibt der Fünfeinhalbminüter friedlich und ein Ohrenschmaus.
    Bangkok (Track #8) ist zunächst (!) wieder ein kurioses Intermezzo. Los geht es mit einer einzelnen Fliege, die aufdringlich im linken Kanal summt. Schnell kommt auf dem rechten auch eine dazu - und bald fällt ein irre summender Schwarm über einen her. Der Spuk hat nach wenigen Sekunden ein Ende, der Rest des nicht einmal drei Minuten langen Spuks ist eine Orgie fernöstlicher Klänge, bei der man die Gitarre auch schonmal für eine Sitar halten kann.
    Zur Albenmitte gibt es mit Fire Garden Suite (Track #9) nicht nur den Titelsong des Albums, sondern mit zehn Minuten auch den längsten Song der Platte und eine kleine Reise, die den Untertitel "Suite" wirklich verdient. Die ersten Klänge lassen es zunächst nicht vermuten, denn es geht verzerrt, flott und massiv zur Sache. Aber nach vierzig Sekunden merkt man, wo es hingeht. Wir bekommen wieder orientalische Sitarklänge auf die Gehörgänge. Die Percussions passen sich dem fernöstlichen Stil an, die Rhythmusstruktur ist wahrlich kein Spaziergang! Erst nach einiger Zeit kommt mit einem Klavier ein westlich und "gewohnt" klingendes Instrument dazu, alles wandelt sich. Auf dem Höhepunkt haben wir Bass, Schlagzeug, Synthesizer - und eine verzerrte Sologitarre. Wer aber meint, die zweite Songhälfte würde mit business as usual abgefertig, der irrt. Es ist amtlicher Zunder in allen Instrumenten, doch immer wieder fliessen die anfänglichen orientalischen Strukturen ein. Und gegen Ende haben wir - beinahe war es schon vergessen - den irremachenden Fliegenschwarm wieder in den Ohren. Ein wirklich extravaganter und erschlagender Titelsong, der nicht ohne den kurzen Vorsong gehört werden sollte!

    Deepness (Track #10) beginnt die zweite Albenhälfte erschreckend knapp und schlicht. Nur eine klare Gitarre und die Stimme von Steve Vai, die einander harmonisch doppeln, bestreiten diesen Fünfundvierzigsekünder, der mit einem gesprochenen bzw. geflüsterten "You are doing fine, we are at the beginning of the end" mysteriös schliesst.
    Little Alligator (Track #11) klingt ungewohnt straight. Die Zutaten: ein schmierig-dreckiges Rockriff, Bass, Schlagzeug und - ja (!) - Gesang. Nach der Mitte wird zwar etwas gefiedelt, aber im Grunde ist es eine dynamische Rocknummer ohne künstliche Pimps, lediglich der Showdown bringt ein paar nette Rhythmustricks mit.
    Auch All About Me (Track #12) kommt wie ein ganz normaler Song rüber. Aufgelöste Rhythmusgitarre und ein markiger Bass, runde Harmonien und eine leicht mystische Stimmung mit Textzeilen wie "it's Voodoo, that you posess" schlängeln sich durch den Song.
    Aching Hunger (Track #13) ist ein stark akzentuierter Titel. Der amtliche Gesang, der mal leidend und schwach, dann wieder energisch bis wütend klingt, ist wesentlich gebundener als die Instrumentallinie. Das Arrangement ist äusserst dünn und setzt toll herausgearbeitete Highlights. Sogar die wenigen Soloparts - man kann kaum von einem Solo sprechen, sollte sie eher als Leadguitareinwürfe bezeichenen - sind wie der Rest schlicht und auf den Punkt gebracht.
    Brother (Track #14) klingt in seinem lockeren Sechsachteltakt einfach nur weich und rund. Von Arrangement und Harmonien her könnte es sich genauso gut um einen Titel von Queen handeln, während in schmachtenden Lyrics Bruder, Vater - wer auch immer sonst noch - um Hilfe in einer schweren Situation angefleht wird. Daß der Eindruck von "romantisch" zu "schmalzig" abrutscht, verhindern wunderbare Bridges, Breaks und Umstellungen in den Harmonien, die weit jenseits des handelsüblichen Pop liegen.
    Damn You (Track #15) peitscht in dreckigem Rocksound exakt in die andere Richtung. Hier wird jemand musikalisch verflucht und in die Pampa geschickt. Daß hier ein hochtechnisierter Gitarrist am Werke ist, kann man bei den Klängen getrost mal überhören, auch wenn mal die Gesangslinie gedoppelt wird. Eigentlich haben wir es hier mit einem Crossover von Rock-, Grunge- und Industrialelementen zu tun.
    When I Was A Little Boy (Track #16) ist ein letzter kleiner Gag, etwas mehr als eine Minute lang. Die Gitarre hat hier wieder nichts zu melden. Es ist quasi ein vertonter Cartoon! Eine quäkig hochgetrimmte Stimme spricht als der "little boy", Soundeffekte, wie sie in jedem Cartoon vorkommen, füllen und kommentieren die kurze Geschichte, in deren Verlauf die Stimme des Erzählers mit wachsendem Alter sich immer weiter der normalen Lage nähert. Die kleinen Ferkeleien, die in der knappen Story behandelt werden, soll sich der interessierte Albenlauscher mal selber raushören *grins*.
    Genocide (Track #17) stampft mit wuchtigen Drums an, über die sich ein Chor aussingt. Ich fühle mich wieder an Queen erinnert. Wenn sich die bratende Riffgitarre langsam einschiesst, kommt noch eine Portion Kiss mit dazu. Dieser vorletzte Vierminüter kommt ohne Brimmborium aus, ist kraftvoll, bringt ganz dezent im Hintergrund noch einmal kurz Sitarklänge mit sich, um uns dezent ein paar Minuten zurückerinnern zu lassen, orientalisch ist in dem gradlinigen Stampfer aber nichts mehr.
    Warm Regards (Track #18) schliesst das Album als Vierminüter noch mit komplett anderen Stilen. Ein speckiger Bass steht dominant im Vordergrund, über ihn legen sich synthetische "Choir-Oooohs" in glatten Akkorden. Das erinnert mich sehr stark an Sounds, wie man sie in jedem dritten Pop-Klassiker - besonders der Achtziger - zu hören bekam. Der Finalizer ist ruhig und getragen, die Leadguitar schön gebunden, zwar mal schneller, aber insgesamt sehr dezent in das Klangpanorama eingebunden. Ein letztes Mal hören wir zum Abschluss des Titels die mehrfach aufgetauchte Synthi-Computerstimme mit einem "Remember: life is good!" und dem zufrieden Ausruf "Pappie!" eines Kleinkindes. Es ist ein unspektakulärer und harmonischer Cool-Down, der dieses lange und abwechslungsreiche Werk abschliesst.

    Bei dieser Platte bringt Steve Vai sein virtuoses Gitarrespiel dezenter verpackt als sonst in die Songstrukturen ein, auch seine Gesangskünste können überzeugen - keine herrausragende Stimme, aber durchaus okay! Diese Scheibe sollte nicht nur für Freunde der Gitarre genügend Material zum Liebgewinnen beinhalten, sondern gleichfalls Liebhaber brillant komponierter und experimentell vielschichtiger Musik fesseln.

    Vielseitig, experimentell und meist sehr ohrgängig. Eine tolle Platte!

Alien Love Secrets
Typ1 CD / Studio
Jahr1995
LabelRel (Sony BMG)
Songs
  1. Bad Horsie
  2. Juice
  3. Die To Live
  4. The Boy From Seattle
  5. Ya-Yo Gakk
  6. Kill The Guy With The Ball / The God Eaters
  7. Tender Surrender
    Der Titel des Albums ist ein Zusammenschnitt aus zwei Songtiteln seines früheren Albums Passion And Warfare (s.u.), hat aber ansonsten keine nachvollziehbare Verbindung zu dem Werk aus 1990.

    Bad Horsie (Track #1) ist ein längerer (knapp unter sechs Minuten) und sehr seltsamer Opener. Zunächst schnaubt und wiehert eine einsame, verzerrte E-Gitarre. Bevor der markante Bass dazustößt, wird ein wirkliches Pferdewiehern eingespielt. Der Sound ist grollend und klingt ziemlich bockig, alles ist sehr schleppend. Die Leadgitarre reitet - um mal in der Semantik zu bleiben - gelegendlich auf Bluenotes herum, ist zwischendurch kurz flott, hält sich aber auch vielfach an schön gedämpfte Percussivschläge. Mir vermittelt der Klang das Bild eines alten, störrischen Gauls, der mit aufflackernden Momenten der Tollwut halbtot seine letzten Schritte macht, bevor er zusammenbricht. Als Krönung des ganzen gibts zum Ende noch das eingespielte Grunzen eines Esels.
Gleich reinsehen und -hören?
Steve Vai - Bad Horsie
    Juice (Track #2) peitsch direkt in die entgegengesetzte Richtung. Flott und saftig geht es voran, lediglich kleine Breaks und Tonartsprünge unterbrechen den heiteren Flitzer, der über seine knapp vier Minuten nicht zu bändigen ist. Am Ende scheint ein genervter Zuhörer den Gitarristen mit den Worten "Stop! We know you can play -- Jesus..." vorzeitig zu unterbrechen. Eine muntere und unkomplizierte Nummer irgendwo zwischen Blues- und Rockstil.
    Die To Live (Track #3) hat einen schön vollen Ton, ist deutlich langsamer als der Vorsong. Dank des dominanten Eigenlebens der Melodien und gebundenen Nuancen der Leadgitarre kommt der Titel mit wenig Begleitung und dünnem Arrangement aus.
    The Boy From Seattle (Track #4) hat eine jazzig-funkige Begleitung, klingt wieder sehr locker und dynamisch. Hier flitzt Steve Vai keine Skalen rauf und runter, sondern zeigt mit einer Cleangitarre seine Qualitäten auf der Rhythmusgitarre. Eine Mischung aus schön akzentuierten und teilgedämpften Anschlägen, Bassläufen und oktavierten Slides machen den Song zu einem spritzigen Seitenausflug.
    Ya-Yo Gakk (Track #5) ist wieder ein sehr abgedrehtes Ding. Die Begleitung klingt beinahe düster und unheilsschwanger, dazu will das, was sich im Songvordergrund abspielt, so überhaupt nicht passen! Da ist ein Kleinkind am Mikro, das noch nicht lange sprechen kann, wie es sich anhört. Ich bin mir nicht sicher, ob es sich um eines oder gar beide Kinder von Steve Vai handelt (Julian Angel und Fire). Jedenfalls quiekt dieses Kind mal vergnügt ein "ya-yo" ins Mikro, für erste Worte wie "Daddy, I see you!" reicht es auch schon. Wahlweise antwortet die Gitarre oder doppelt die Laute und Worte des Kindes. Keine wirklich erfreuliches Klangerlebnis, aber eine eindrucksvolle technische Leistung am Instrument!
    Kill The Guy With The Ball / The God Eaters (Track #6) ist mit sieben Minuten der längste Song der Platte. Los geht es mit einer Stimme, die durch den Vocalizer-Effekt der Gitarre gezogen wird. Was dann kommt, läßt sich mit Worten nicht mehr beschreiben! Es wird sowohl an der Leadgitarre als auch an allen Begleitinstrumenten üblest abgeknüppelt - harmonisch wie rhythmisch. Dieser Mittelteil läßt mich unwillkürlich wieder an Frank Zappa denken. Die letzten zwei Minuten stehen unter einem anderen Stern, denn rhythmisch tut sich hier so gut wie nichts mehr. Es wird sphärisch und mit einem Chor von Stimmen aus dem Synthesizer sehr episch. Die Gitarre zaubert hier nur noch in bebundenen Legato-Melodien über äusserst ungewöhnliche Harmonien. Aber - wie gesagt - beschreiben läßt sich das mit Worten nicht mehr...
    Tender Surrender (Track #7) als (früher!) Abschied ist eine komplett andere Hausnummer. Man muß wohl von einer Ballade sprechen, denke ich. Mit der wabernden Hammondorgel im Hintergrund macht der Song beinahe den Eindruck einer latein-amerikanischen Bigbandnummer. Die Leadgitarre spielt zunächst eine schöne, runde Leitmelodie an, die bald verjazzt und verswingt wird. Auch wenn auf dem Zenit das Tempo noch einmal aufgedreht wird, dominiert eine akzentstarke und harmonisch wunderbare Komponente zwischen Jazz, Swing und Blues. Ein fabelhafter fünfminütiger Schlußsong!
Auch diesen Song gibts auf seinem YouTube-Channel:
Steve Vai - Tender Surrender

    Jeder Gitarrespieler wird nach dieser (leider nur) halben Stunde mit offenem Mund dasitzen - oder unter Tränen der Verzweiflung seine Gitarre verschrotten. Gut, das haben eigentlich alle Vai-Platten gemeinsam. Wer interessiert an vielseitigen Klängen und irrsinniger Rhythmik und Harmonik ist, dürfte an diesem Album Gefallen finden. Leider wird aufgrund der wenigen Songs nur wenig ohrgängiger "Mainstream" geboten. Für Nichtgitarristen und Nicht-Vai-Fans gilt daher strengstens: Testhören!

         Gitarre extrem in ungewohnter Experimentierfreude.

Passion And Warfare
Typ1 CD / Studio
Jahr1990
LabelRel (Sony BMG)
Songs
  1. Liberty
  2. Erotic Nightmares
  3. The Animal
  4. Answers
  5. The Riddle
  6. Ballerina 12/24
  7. For The Love Of God
  8. The Audience Is Listening
  9. I Would Love To
  10. Blue Powder
  11. Greasy Kid's Stuff
  12. Alien Water Kiss
  13. Sisters
  14. Love Secrets
    Dies ist meine erste Scheibe von Steve Vai gewesen, wenn ich mich recht entsinne auch bis heute seine verkaufsstärkste. Aber zunächst ein paar Worte zu den einzelnen Titel...

    Liberty (Track #1) eröffnet epochal im Charakter einer Hymne, quasi als erhabenes Eingangsportal. Die Melodien sind getragen und fast erschlagend majestätisch. Der Opener ist nur zwei Minuten lang, wird lediglich gegen Ende ein wenig verspielter und lockerer. Und ein kleiner gesprochener Nachsatz ändert den Pomp schlagartig, denn es heisst: "We may be human, but we are still animals". Zusammen mit dem kitschigen Gloria zuvor wird daraus für mich eine (selbst)kritische Schelmerei - ob nun sein Vaterland, dessen Politik oder der Mensch an sich gemeint sein mag, ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl auf dem Teppich zu bleiben.
    Erotic Nightmares (Track #2) bolzt munter an und wir bekommen den "typischen Vai" schnell zu hören. Irrsinnig schnelle Skalenläufe, oktavierte Slides, Tappings, das volle Programm einmal rauf und runter. In Anlehnung an seinen Titel durchläuft der Song einige sehr unterschiedliche Phasen: mal flächig und schwimmend, mal in abgehacktem Staccato und rasenden Läufen zieht einen die Nummer durch eine bizarre Welt aus Harmonien und Rhythmiken.
    The Animal (Track #3) klingt oftmals wirklich animalisch und roh - zumindest das Grundgerüst aus Chord-Gitarren sowie Drums (recht einfach struktiriert) und besonders dem Bass, der schweinös geslappt wird und wüst klingt.
    Answers (Track #4) ist ein rhythmisches Feuerwerk, von Schlagzeug über Bass und Begleitgitarren ist alles punktgenau in abstruse Staccatos aufgeteilt. Einzig die Leadgitarre bindet ab und an in langen Legatos. Die ganze Nummer klingt bizarr und heiter.
    The Riddle (Track #5) ist mit nahezu sechseinhalb Minuten längster Song der Platte. Hintergrund und Arrangement sind sehr schlicht und dünn gehalten. Im Vordergrund stehen die aussergewöhnlichen Harmonien und wechselnden Klangvarianten der Sologitarre. Passagenweise klingt alles beinahe nach Jazz oder Fusion, am Ende wird es verzerrter, wuchtiger und harmonisch sehr orientalisch. In der letzten Minute läuft im Hintergrund eine schauerlich entfremdete (vocale) Lobpreisung seines Heimatlandes in mehreren Stimmen über- und nebeneinander, die mit einem unmenschlich gedrückten "Liberty and justice for all!" endet.
    Ballerina (Track #6) ist das komplette Gegenteil dazu. Nicht einmal zwei Minuten lang ist der kurze, märchenhafte Tanz, der mit dem verzückten Jauchzen eines Babys beginnt. Durch Effekte und Spielweise klingt die Gitarre wie ein Glockenspiel, das ihn höchsten Tönen wie eine kindliche Spielbox vor sich hinklimpert. Bis auf die Gitarre pausiert der Rest des Ensembles, ein extravagantes Intermezzo.

    For The Love Of God (Track #7) auf dem Zenit des Albums ist das schönste und charismatischste Werk, das ich überhaupt von Steve Vai kenne. Der Hintergrund ist zunächst getragen und majestätisch, die Leitmelodie, die unvermittelt einsetzt, geht schnell ins Ohr und ist in ihrem leicht orientalischen Charakter und schönen Melodiebögen wunderbar zusammengestellt. Dieses Leitmotiv kehrt in stetiger Veränderung und zunehmender Verzierung immer wieder. Während sich an der Begleitung wenig tut, baut sich in der Leadgitarre ein unglaubliches Crescendo auf, auf dem Zenit des Songs gibt es rasende Legatoläufe, Vibratoexzesse und flötende Flageoletts, daß das Ohr kaum noch mitkommt. Gegen Ende fährt alles langsam wieder herunter und ebbt in ruhigen Wellen langsam aus. Mit seinem Spannungsbogen und den wechselnden Stimmungen - die teilweise wirklich wie ein flehendes Gebet oder eine religiöse Ekstase rüberkommen - ein Meisterwerk, das mit seinem sakralen Titel nicht zu hoch greift!
    Es gibt eine Videoclip-Fassung davon im Web (s.u.). Leider ist es eine leicht gekürzte Fassung des Songs und mit Steve Vai als kuttetragendem, dreitagebärtigem Sherpa, der im verschneiten Himalaya seinem musikalischen Gebet nachgeht, auch ziemlich pathetisch, doch wer sich einen Eindruck von dem Song machen will, kann dies hier gut tun...
Gleich reinsehen und -hören?
Steve Vai - For The Love Of God

    The Audience Is Listening (Track #8) ist ein urkomisches kleines Theaterstückchen, das uns in die Jungend des Gitarristen zurückversetzt. Der kleine Steve soll scheinbar als Schüler bei einer Veranstaltung mit einer "eigenen Komposition" auftreten. So erklärt es uns die Lehrerin, die den "nice little boy" freudig ankündigt. Der entpuppt sich jedoch schnell als Satansbraten; zunächst pflichtet er seiner Lehrerin akustisch bei (nicht mit der Stimme, sondern mit der Gitarre!), dann hören wir von einem kleinen Jungen noch ein gesprochenes "...it's gonna be loud!" und ein flottes Rockgewitter bricht los. Im Verlauf der fünfeinhalbminütigen, erfrischend straighten Rockernummer meckert jene Lehrerin immer wieder im Hintergrund über Wüstheit und Lautstärke, geantwortet wird nur noch von der höhnisch quiekenden oder zufrieden jauchzenden Gitarre. Ein Mordsspaß!
    I Would Love To (Track #9) ist locker und quirlig, die Leadgitarre verliert sich in heiteren Dur-Harmonien, gute dreieinhalb Minuten ungetrübten Frohsinns.
    Blue Powder (Track #10) beginnt wieder mit einer Kinderstimme, die da verkündet: "This is a ballade, I wrote - so it's about peace and love and heavier stuff..." Der Beginn ist episch, langsam und melodiös schmachtend, obwohl instrumental nicht sonderlich dick aufgetragen wird. Nach und nach bauen sich funkige und jazzige Elemente im Hintergrund auf. Im Mittelteil bekommen wir unerwartet einen Slapbass zu hören, gegen Ende zaubert der Meister auf akzentuiert fiependen Flageoletts und gebundenen Sweeping- und Tappingläufen, bevor es einen feuerwerksgleichen Showdown gibt. Erstaunlicherweise behält der Song trotz seiner sehr unterschiedlichen Parts und nicht wiederkehrenden Leitthemen einen schlüssigen Charakter.
Eine längere Songfassung von seiner Doppel-DVD bei YouTube:
Steve Vai - Blue Powder ( Live At The Astoria, London 2001)
    Greasy Kid's Stuff (Track #11) hält musikalisch, was sein Titel ankündigt: er ist flott, oftmals rotzig und harmonisch wie rhythmisch nicht zu bändigen. Eine knapp dreiminütige Vertonung kindlicher Heiterkeit und Unbeschwertheit.
    Alien Water Kiss (Track #12) ist mit einer Minute und zehn Sekunden das kürzeste Machwerk der Platte. Ja, von einem "Song" kann man bei der Nummer nicht wirklich sprechen. Es werden alle Effektregister einmal gezogen, wüßte man nicht, daß da ein Gitarrist am Werke ist, man müßte sich fragen welche Drogen der Soundmischer zu sich genommen hat. Mal schräddelt es tief und rauh, dann fiepen wieder hohe Töne, daß jede Fledermaus ihren Spaß hätte. Kurz: der Track ist so verwirrend und seltsam wie sein Titel, doch an einigen Stellen hört auch der Nichtgitarrist das Instrument durch - eine beeindruckende Demonstration, was man mit einer Gitarre für Geräusche machen kann.
    Sisters (Track #13) legt mit einer locker-flockig gezupften Gitarre los, die dank Akustiksimulation beinahe wie eine klassische Nylonklampfe klingt. In den vier Minuten wird überhaupt nicht in elektrischen Klängen soliert und gedroschen, es bleibt bodenständig und klassisch angehaucht, die kleinen Zauberein und Nuancen der halb und halb Rhythmus-/Leadgitarrenverschmelzung machen den Song angenehm hörbar und abwechslungsreich.
    Love Secrets (Track #14) zu guter Letzt ist wahrlich kein Abschied aus dem Bereich Easy-Listening! Er ähnelt in vielerlei Hinsicht dem bizarren vorletzten Song (#12). Es werden wieder die abstrusesten Klänge auf der Gitarre gezaubert. Nur an einigen Stellen scheint es auf eine klare Songstruktur hinauszulaufen, man hört häufiger die gespielte Gitarre und Harmonien. Doch ehe man sich versieht, wirft einen der Soundmischmasch in die nächste klangliche Verwirrung. Eine sehr zappaeske Komposition.

    Puh! So, wie leite ich nach alledem in ein Fazit oder Schlußwort über? Es ist immer schwierig, über Musik zu schreiben und sie möglichst verständlich erklären zu wollen. Wenn es - wie hier bei Steve Vai - auch noch um einen instrumentalen Musiker geht, bei dem man keine Texte hat, die man mit der Musik verbinden kann, so macht es das natürlich noch schwieriger. Ich hoffe, dennoch ein paar Hinweise oder grobe Eindrücke an Interessierte vermittelt zu haben.
    Der Ausnahmegitarrist Steve Vai ist jemand, der auch unter "seiner Zielgruppe", sprich den Saitendreschern, arg die Lager spaltet. Er ist ein überaus technisch orientierter Musiker und vielen gefällt diese Perfektionskomponente nicht. Wie zu sehen ist, besitze auch ich nur noch die zwei Folgealben (s.o.), fand es danach genug. Denn ein musikalisches Easy-Listening ist bei seinen Werken nur selten möglich. Speziell diese Platte hier hat aber eine dermaßen große Vielfalt und auch klangliche Emotion, daß ich sie allen als vorrangiges Hörexempel nahelegen möchte. Nicht nur deshalb, weil es meine erste Platte von ihm war, sondern weil sie auch internetweit bei anderen Plattformen und Rezensenten am besten abschneidet. Wer keine Lust oder Gelegenheit zum Testhören der ganzen CD hat, kann über einschlägige Videoportale viele Songs hören - oft, was eigentlich noch interessanter ist als die Titel als Studiofassung nur zu hören, auch Live-Fassungen sehen.

    Ein unterhaltsames technisches und kompositorisches Meisterwerk!

Flex-Able
Typ1 CD / Studio
Jahr1984
LabelImport (Megaphon Importservice)
Songs
  1. Little Green Men
  2. Viv Woman
  3. Lovers Are Crazy
  4. Salamanders In The Sun
  5. Boy/Girl Song
  6. Attitude Song
  7. Call It Sleep
  8. Junkie
  9. Bill's Privte Parts
  10. Next Stop Earth
  11. There's Something Dead In Here