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Steve Vai : Biographie






    Am 6. Juni 1960 kommt Steve Vai unter dem bürgerlichen Namen "Steven Siro Vai" auf Long Island (New York) zur Welt. Schreibt man sein Geburtsdatum einmal anders aus, kommt man auf 6.6.'60 - doch zunächst hat der Mann mit dem leibhaftigen Fürst der Dunkelheit privat wie geschäftlich nichts zu tun. Dies soll sich später noch ändern, mehr dazu an gegebener Stelle... Der junge Steven ist früh musikalisch ambitionert, seine erste Banderfahrung macht er im zarten Alter von sieben Jahren. Zu Beginn überläßt er das Gitarrespiel aber seiner älteren Schwester, mit der er musiziert, probiert sich an Keyboards und verschiedenen Rhythmusinstrumenten und Percussions.
    Als auch er das Gitarrespielen für sich entdeckt, nimmt er einige Jahre Unterricht bei dem vier Jahre älteren Joe Satriani, der schnell prägendes Vorbild in Sachen Virtuosität und technischer Ausrichtung am Instrument werden soll. Jener wird erst einige Zeit nach Steve Vai und dessen Solodebüt Flex-Able (1984) bekannt werden und sich gleichermaßen als Soloperformer an der Gitarre etablieren. Auch viele Jahre später werden beide musikalische Projekte (G3) zusammen absolvieren.

    Steve Vai schliesst im Jahr 1979 sein Musikstudium an der bekannten Berklee School ab, die ihm im Jahr 2000 die Ehrendoktorwürde verleihen wird. Neben seiner Virtuosität an der Gitarre fällt der Student Vai vor allem durch seine besondere Transkriptionsfähigkeit auf. Während seinem Studium transkribiert er vor allem Gitarrensoli des extravaganten Komponisten und Meister-Arrangeurs Frank Zappa. Wegen dessen hochkomplexer Rhyhtmiken und Aufteilungen im Arrangement wahrlich keine Leichtigkeit! Diese Transkriptionen schickt er auch an deren Schöpfer selbst, der sich beeindruckt zeigt. Nach dem abgeschlossenen Studium wird Vai - wie es von Anfang an sein Ziel war - bei Frank Zappa als Gitarrist aufgenommen, der ihn liebevoll wie auch ehrfürchtig als "Stunt-Gitarristen" bezeichnet. In der langjährigen Zusammenarbeit lernen beide Musiker voneinander und ergänzen sich hervorragend. Später wird Steve Vai als Aushilfsgitarrero für so manch andere Band zeit- bzw. albenweise einspringen - wie David Lee Roth oder Whitesnake.

    Neben seinen Band- und Soloalben entwickelt er zusammen mit der Gitarrenfirma Ibanez Modelle der altgedienten Fender Stratocaster weiter. Er spielt übrigens nicht die handelsübliche sechssaitige E-Gitarre, sondern eine Siebensaiter, bei der unter der tiefen E-Saite (die dicke oben) eine weitere, noch tiefere H-Saite liegt. Natürlich erweitert diese das Tonspektrum erheblich, zieht aber ebenso eine Umgewöhnung in der Spielweise (vor allem bei den gängigen Akkorden) nach sich. Die neuen Varianten passen zu seinen technischen und klanglichen Bedürfnissen, sind bis heute als "Signature Modelle" gute Aushängeschilder der Firma. Nach zwei erhaltenen Grammy Awards gründet er im Jahr 2000 ausserdem sein eigenes Plattenstudio namens Favored Nations Entertainment.

    So - und wie war das jetzt mit dem Satan? Anno 1986 verschlägt es den Ausnahmemusiker ins Filmbusiness. In Crossroads spielt er den Handlanger des Teufels, der seine Seele dafür verpfändet hat, der unschlagbar beste und schnellste Gitarrist der Welt zu werden. Als "Jack Butler" tritt er in einem finalen Duell gegen den klassisch- und bluesgelernten Gitarristen "Eugene Martone" (gespielt von Ralph Macchio) an. Die Qualität des Schauspielens - und den Ausgang des Duells um zwei menschliche Seelen - einmal ausser Acht gelassen, holzt er technisch atemberaubend und optisch zumindest interessant einen vom Gitarrenhals. Unnötig zu erwähnen, daß Steve Vai hier beide Parts der unterschiedlichen Duellanten eingespielt hat, wenn sein Gegenspieler auch extra für diesen Film ein halbes Jahr Gitarrenunterricht absolvierte, um es wenigstens echt aussehen (!) zu lassen. Weitere Zusammenarbeiten zwischen dem Gitarristen und der Unterwelt sind mir nicht bekannt!

Steve Vai : Die Musik




    Wenn ein Mann zehn bis zwölf Stunden täglich (!) mit dem Erlernen und Üben eines Instruments zubringt (laut eigener Aussage in einem früheren MTV-Interview), dann muß das natürlich zu etwas führen. Daß die Basistechniken für Fortgeschrittene (Sweeping, Economy-Picking, Tapping etc.) nebst hochpräzisem Anspiel sitzen, versteht sich beinahe von selber.
    In Sachen Harmonie und Rhythmik hat Steve Vai sich seit den frühesten Jahren ebenfalls einiges antrainiert, später durch die verschiedenen Banderfahrungen - nicht zuletzt durch den virtuosen (abgedrehten?) Frank Zappa - noch so manchen Kniff dazugelernt.

    Gut, so weit zu den Basics. Aber wie jeder bekannte Gitarrist hat er einige typische Eigenarten im Spiel, die ihn technisch wie klanglich einzigartig und unverwechselbar machen. Zunächst hat er eine sehr eigentümliche Vibratotechnik beim Solospiel. Auf der E-Gitarre wird meist das horizontale Vibrato (das abwechselnde Schieben und Ziehen einer Saite innerhalb eines Bundes) benutzt, da es zu einem starken und deutlichen Vibrato im Ton führt. Eine dezentere Art ist das vertikale Vibrato (auch als "Geigenvibrato" bekannt), das sehr dezent und fein arbeitet, nur eine minimale Tonänderung zur Folge hat. Steve Vai hingegen spielt sehr häufig eine Kombination aus beiden; er läßt den Finger seiner linken Hand kreisen, verbindet auf diese Weise beide Stile miteinander.
    Auch die Verwendung des Tremolo (alias "Whammy bar") spielt bei ihm eine wichtige Rolle. Mal rührt er exzessiv daran herum, daß ein starkes Dauerwabern im Ton entsteht. Vielfach benutzt er den Hebel auch, um mit Up- und Down-Bends Töne zu verschieben, die folgen "sauber angespielt" werden. Quasi eine fliessende Tondopplung. Sehr punktueller Einsatz des Tremolo führt wahlweise zu ultrakurzen Tonwacklern oder zu langen, pfeifenden Feedbacks (Rückkopplungen). Dies ergibt zusammen mit Slides (Rutschen mit der linken Spielhand auf dem Griffbrett), Flageoletts (Obertöne) und seinem tollen Legato-Spiel eine oft flötende, gebundene und sehr extravagante Klangcharakteristik, die weit über das schnelle Geschräddel vieler anderer technisch versierter Gitarristen hinausgeht. Nicht zuletzt deshalb hat er zusammen mit der Firma Ibanez die althergebrachten E-Gitarrenmodelle weiterentwickelt und zusammen mit seinen bevorzugten Verstärkern und Effektkombinationen zu einem Unikum gebracht.

    Seine musikalischen Urspünge sind Rock, Jazz und Blues. Für eine klangliche Vielfalt sorgen immer wieder die Einkreuzungen aus Stilrichtungen wie Funk oder Fusion, vor allem aber eine harmonisch sehr interessante Verwendung modaler Kirchentonarten (Phryisch, Hypophrygisch, Mixolydisch etc.), die mal einen orientalischen, dann wieder einen abstrakt-sakralen Charakter in die Sololinien bringen, eine ausgefeilte Rhythmik wird fast immer mitgeliefert.
    Mit dem Einsatz all dieser Techniken und Stilmittel bringt auch ein Steve Vai seine Gitarre auf Wunsch zum Weinen, Jauchzen, Stöhnen, läßt sie animalisch quieken oder wie ein Baby schreien. Dies sind dieselben Grundideen, wie sie einst schon ein Jimi Hendrix verfolgte; die Gitarre wird mehr als ein bloßes Musikinstrument. Sie wird wahlweise auch zum Tier, zur zweiten Stimme eines Menschen oder zum mysteriösen Zauberstab, aus dem Töne kommen, die man nicht vermutet hätte!

    Natürlich begeistert Steve Vai vor allem Gitarrespieler. So wie ich es in den letzten Absätzen versucht habe es zu erklären, so findet man für alles was der Mann macht eine menschliche oder technische Erklärung. Aber seine extreme Präzision auf dem Instrument und - nicht zuletzt - seine allgemeine musikalische Vielfalt und Begabung sollten auch Nichtgitarristen zum Staunen bringen - wenn vielleicht auch nicht so sehr, daß es zum Kaufen und regelmäßigen Hören seiner Platten reicht (?). Dank dem Internet gibt es aber zahlreiche Möglichkeiten (auch ausserhalb dieses Musiktips), sich unverbindlich weiter zu informieren oder sich einen Einblick/-hör zu verschaffen...

    Musikalische Höchstbegabung und technisches Können: eine gitarristische Grenzerfahrung!