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Vanden Plas : Alben

  Dies sind nur die letzten drei Platten der Band. Vollständige Diskographie am besten über die angegebenen Links checken...
The Seraphic Clockwork
Typ1 CD / Studio
Jahr2010
LabelFrontiers Records (Soulfood)
Songs
  1. Frequency
  2. Holes In The Sky
  3. Scar Of An Angel
  4. Sound Of Blood
  5. The Final Murder
  6. Quicksilver
  7. Rush Of Silence
  8. On My Way To Jerusalem
  9. Eleyson

Christ 0
Typ1 CD / Studio
Jahr2006
LabelInside Out
Songs
  1. Christ 0
  2. Postcard To God
  3. Wish You Were Here
  4. Silently
  5. Shadow I Am
  6. Fireroses Dance
  7. Somewhere Alone In The Dark
  8. January Sun
  9. Lost In Silence
  10. Gethsemane (Bonus Track)
    Zunächst zu einer Formalie: das Kringelchen im Albentitel ist eine Null, nicht der Buchstabe O, daher spricht sich der Albentitel korrekt "Chist zero" aus. Wobei genau diese Änhlichkeit volle Absicht ist, denn Ideenvorlage für dieses Konzeptalbum war der Roman Der Graf von Monte Christo von Aléxandre Dumas. Darin finden wir den "Christo" ja schon. Die Anspielung Christ Null gibt die Thematik der Platte vor: jemand, der jahrelang zu Unrecht eingesperrt, isoliert wird, seinen Glauben verliert, Wut und Rachegefühle züchtet. Mit diesem Vorwissen sind wir hinreichend vorbereitet auf das musikalische Epos.

    Der Titelsong Christ 0 (Track #1) bekommt ein paar Sekunden finsterer Synthisounds, bevor er bombastisch mit Chorgesängen losgeht, die mehrmals den "Christ zero" ankündigen. Nach einem druckvollen Intro meldet sich der Protagonist (oder muß man von einem Antagonist sprechen?) selbst zu Wort: "here i stand alone, i'm a sacrifice, like a fallen angel, die here without your love". Der zügige Song bricht gleich mit allem unverholen ins Feld: Wut, Verzweiflung, Hoffnung, dem Flehen nach Liebe und Errettung. Fünfeinhalb Minuten großartigen Intros bringen den Zuhörer also gleich in medias res.
    Die Postcard To God (Track #2) entwickelt sich zur Suche beziehungsweise einer Frage nach einem Gott: "and we're sending out a message, and we're sending out a prayer, and the voices asking every night: is there anybody there?" Vorerst muß das lyrische Ich jedoch verbittert feststellen:"when i pray i can say all my believing in just one word, when i pray then i may sending an unwritten postcard to god". Also bleibt über die sechs Minuten des treibenden Glaubensuchens jede erhoffte Antwort aus.
    In Wish You Where Here (Track #3) brennt die Stimmung. Denn das lyrische Ich wünscht sich seinen Peiniger her, um ihn für alle Qualen leiden zu lassen: "and i wish you where here, i wish you fear - i wish you well and that you're burning there in hell -- instead of me". Inhaltsgemäß ist der Neunminüter recht düster, zwischen den wütenden Choruslines gibt es aber jede Menge Abkühlung, einer resignierten Verzweiflung gleich, da der Protagonist merkt wie hoffnungslos sein Wunsch bleibt.

    Mit Silently (Track #4) kommt eine wunderschöne Ballade. Der Text ist verworren, spricht vom Traum innerhalb eines Traumes, von Freiheit, textliche Anspielungen wie an Das Schweigen der Lämmer mischen sich unter. Die Musik ist lebendig, wirklich ruhig (wie es der Titel angündigt) wird es nur selten. Der Song schaukelt sich in einem epochalen Crescendo und über mehrere Metrum- und Tonartwechsel hoch, ist mein persönlicher Favorit von dieser sowieso durchweg geilen Platte.
    Bei Shadow I Am (Track #5) zeigt die Leidenstour des Protagonisten deutliche Spuren. Es wird über alles und jeden geschimpft, doch das lyrische Ich erkennt sich selbst als einen handlungsunfähigen Schatten im Spiel der Menschheit.
    Abermals ruhig geht es beim Fireroses Dance (Track #6) zu, eigentlich die friedlichste Nummer der Scheibe. In sanfte Pianoklänge und dicke Streicher mischt sich viel Melancholie, in bitterer Verzweiflung erkennt das lyrische Ich die Schönheit der Welt und kann nur bedauern, daß es an allen erkannten Mißständen nichts ändern kann. Nur gegen Ende lebt der sechsminütige Tanz der Feuerrosen ein bißchen auf, bekommt weitläufige Instrumentalparts zur Entfaltung.
    In Somewhere Alone In The Dark (Track #7) wird es wieder schneller. Irgendwie scheint es hier zwischenmenschlicher zu werden, letztlich kann man aber nicht sagen, ob sich das lyrische Ich nicht aus Vereinsamung schon mit sich selbst unterhält.

    Der Endspurt beginnt mit January Sun (Track #8), der mit seinen knapp zehn Minuten der längste Song des Albums ist. Der Song entwickelt sich langsam, beginnt ganz sachte. Das lyrische Ich bittet einen Engel, sich an seine Seite zu setzen, überlegt wieder zum Glauben zurückzukehren und zu beten, philosophiert über die Januarsonne, die nach dem kalten und dunklen Dezember wiederkommt. Ein Hauch von Hoffung ist also zu spüren. Musikalisch bleibt der Song verhalten und orchestral, nur ab und an mischt sich ein wenig Druck unter, der auch musikalisch die Aufbruchstimmung zu besseren Zeiten transportiert.
    Und? Bringt Lost In Silence (Track #9) ein Happy End?! Nun ja. Die Freiheit ruft dort nicht, vielmehr scheint sich der leidende Protagonist mit seiner Situation abzufinden, bastelt ganze Städte aus dem Wasser seiner Tränen. Der etwas mehr als vierminütige Leidensweg am Ende schliesst in einer Stille, einem Sich-Abfinden und dadurch zumindest einem geistigen Entfliehen aus der Gefangenschaft. Entsprechend traurig und leise klingt das Werk musikalisch aus. Für Wüterei ist hier kein Platz und keine Energie mehr...

    Der Bonustrack Gethsemane (Track #10) ist eine Coverfassung aus dem Musical Jesus Christ Superstar, einem der Musical, bei dem gleich mehrere der Musiker engagiert waren. Musikalisch und inhaltlich lehnt er sich gut an das Gesamtkonzept an -- oder habe ich da Henne und Ei vertauscht? Zum geplanten Konzept gehört er jedenfalls nicht, ist aber auch kein Störfaktor nach dem Gesamtwerk.

    Großartiges, bombastisches und atmosphärisch dichtes Album. Irrsinn!

Beyond Daylight
Typ1 CD / Studio
Jahr2002
LabelInside Out
Songs
  1. Nightwalker
  2. Cold Wind
  3. Scarlet Flower Fields
  4. Healing Tree
  5. End Of All Days
  6. Free The Fire
  7. Can You Hear Me
  8. Phoenix
  9. Beyond Daylight
    Daß diese Band mächtiges Suchtpotential besitzt, merkte ich, als ich eher durch Zufall einen Song dieses Albums hörte. Es gab nichts zu überlegen: nach einem kurzen Testhören ein paar weiterer Songs war klar: ich habe nicht annähernd so geilen Prog-Metal von einer deutschen Combo gehört. Schon jeder einzelne Song ist ein Highlight für sich, und davon gibt es reichlich auf diesem Album.

    Der Opener Nightwalker (Track #1) zieht bombastisch los, bringt in seinen siebeneinhalb Minuten Tempo, Druck und ohrgängigste Melodien.
    Cold Wind (Track #2) startet mit sanften Pianoklängen, bläht sich aber schnell auf. Quirlig und leicht düster treibend geht er weiter, der mehrstimmige Gesang ist einfach herrlich, das Riffing und die Rhythmiken bis ins letzte Detail ausgetüftelt.
    Die Scarlet Flower Fields (Track #3) sind ruhig, perlende Arpeggios einer Klassikgitarre bringen ins Thema. Auch wenn bald verzerrte Gitarren und mächtige Synthis dazukommen, verliert der Song nichts von seinem charismatisch ruhigen Charakter.
    Auch Healing Tree (Track #4) bleibt friedlich. Ein glasklare Picking-Klampfe arbeitet mit einem sanften Piano zusammen. Der Chorus ist ein vocales Highlight, friedliche fünfeinhalb Minuten Powerballade mit nur wenigen kräftigeren Passagen.

    Zur Albenmitte gibt es einen dicken End Of All Days (Track #5) mit satten siebeneinhalb Minuten. Er legt schnell und markant los, kühlt zur ersten Strophe kurz runter, um sich zu den ohrwurmigen Chorusmelodien wieder aufzuschrauben. Stellenweise prickeln Keyboard-Kapriolen dazwischen, immer ist für Bewegung und Abwechslung gesorgt. Im Mittelteil gibt es ein Keyboardsolo, das in einen ruhigen B-Part übergeht, bevor das Ende nochmals alles gibt.
    Free The Fire (Track #6) hackt mit staubtrockenen Staccato-Riffs der Gitarre los, das Keyboard steigt mit ein, erst der Gesang glättet leicht die Wogen. Die Nummer bleibt uptempo und schiebt mächtig.
    Can You Hear Me (Track #7) ist der Ruhepol des Albums schlechthin. Gute vier Minuten wunderbare Melodie mit einem deutlichen Touch der Tragik und Melancholie in Piano- und sanften Gitarrenklängen.
    Der Phoenix (Track #8) erhebt sich als vorletzter Song aus seinem Aschegrab. Schon die hohen Klavierläufe zu Beginn mit den düsteren Synthisounds ganz weit im Hintergrund verheissen nichts gutes. Und richtig: die Auferstehung des Mythenvogels ist treibend und mit einer merklichen Portion Leid versehen. Doch die Belohnung läßt nicht lange auf sich warten: der Chorus ist breit und majestätisch, auch diese Melodien bekommt man nie wieder aus dem Ohr!
    Der eigentlich letzte Song und Titelpate des Albums ist Beyond Daylight (Track #9). Mit guten zehneinhalb Minuten ist er jedenfalls rein zeitlich schonmal der Überflieger. Auch musikalisch schafft der Titelsong dies problemlos, breite Schichten an Arrangementwechseln und schönen Melodien lassen die Zeit jenseits des Tageslichts wie im Fluge vergehen. Ein paar Infos gibts noch - nach dem Erwähnen des Bonustracks.
    Point Of Know Return (Track #10) ist eine nette Coverversion der Band Kansas, kann aber zum Konzept des Albums wenig bis gar nichts dazusteuern.

    Konzept? Davon war bislang noch keine Rede! Richtig, und das zurecht. Im Grunde ist jeder Song für sich ein Einzelkunstwerk. Das Konzept besteht nicht wie bei anderen Alben vieler Genregenossen aus einer geschlossenen Handlung, die Songs sind thematisch und musikalisch nicht aneinander gebunden.
    Aber der Schlußsong Beyond Daylight, der uns mit seiner Textzeile "follow me into my world" mitreissen will, greift musikalische Themen des Openers Nightwalker wieder auf. Auch semantisch sind beide Songtitel erkennbar mit einander verwandt. Eine schöne Anmerkung dazu habe ich kürzlich im Web von einem anderen Rezensenten gelesen, der sich durch dieses Album an Stephen Kings namenlosen Wanderer erinnert fühlte. Ein schöner Vergleich - ob man das entsprechende King-Werk nun kennt oder nicht. Denn denselben Eindruck habe ich auch: alle Songs leben für sich, haben aber inhaltlich und strukturell einen gemeinsamen Überbau, eine einheitliche Schiene.
    Auch wenn man sich vor Melodien und Abwechslung nicht retten kann, ist alles aus einem Guss. Wenn man einmal drin ist, ist man drin. Das Erstaunliche für mich an gerade diesem Album war, daß es sofort gewirkt und - ich übertreibe nicht! - süchtig gemacht hat. Man braucht keine Anlaufphase des Warmhörens für diese Scheibe. Und trotzdem ist sie jedesmal aufs neue eine wahre Wonne. Obwohl das Album wie kaum ein anderes in den ersten Monaten bei mir durch die Ohren gepustet ist, habe ich keinen Song, keine Passage, die ich mir ansatzweise leidgehört hätte. In diesem Umfang hat das noch kein anderes Album hingekriegt. Naja, den Nachfolger Christ 0 (s.o.) vielleicht ausgenommen. *grins*

    Astreine Show mit Pepp, Melodie, Drive und jeder Menge Suchtfaktor!

Spirit Of Live
Typ1 CD / Live
Jahr2000
LabelInside Out
Songs
  1. I Can See
  2. Into The Sun
  3. Soul Survives
  4. How Many Tears
  5. Don't Miss You
  6. Journey To Paris
  7. Spirit Of Life
  8. Iodic Rain
  9. Far Off Grace
  10. Kiss Of Death
  11. Rainmaker
    Ich muß gestehen, daß ich zunächst skeptisch war, mir dieses Album zu kaufen. Einerseits kannte ich bis zum Kauf nur die Beyond Daylight (s.o.), von den älteren Songs nichts, andererseits bin ich eigentlich kein Fan von Live-Platten, der Klangqualität wegen. Einmal mehr wurde meine Risikofreude in allen Belangen belohnt.

    Vom zügigen Opener I Can See (Track #1) an ist klar, daß die Soundqualität für einen Livemitschitt gut ist. Die Songs, die hier bei einem Konzert in Paris im Jahr 2000 gespielt werden, sind ein netter Mix aus Songs der vier vorhergegangenen Studioalben.
    Es ist immer merklich Leben in der Bude (Elysée Montmartre), die Band performt die Songs astrein, die Stimmung ist gut. Eine deutliche Duftmarke setzt die Band, indem sie den Gig auf das französische Publikum ausrichtet (bereits in der Band-Bio ist erwähnt, daß sie dort einen merklich größeren Fanstamm haben als hierzulande): es gibt einen Keyboard-Solo-Song namens Journey To Paris (Track #6) vor dem instrumentalen Spirit Of Life (Track #7), einige Aufforderungen zum Mitsingen und Textpassagen sind französisch.

    Die Balance der Songs ist schön gewählt. Zwischen den schnelleren Tracks kommen wohldosiert die ruhigeren Sachen wie I Don't Miss You (Track #5).oder Far Off Grace (Track #9).
    Das Ende des Gigs haut mit Kiss Of Death (Track #10) und Rainmaker (Track #11) noch einmal rockig voll auf die zwölf (Gastmusiker Don Dokken und Patrick Rondat spielen hier mit), so daß keine Wünsche offenbleiben.

    Mehr als eine Stunde geilsten Deutsch-Prog-Metals live.