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Alter Bridge : Alben

III
Typ1 CD / Studio
Jahr2010
LabelRoadrunner Records (Warner)
Songs
  1. Slip To The Void
  2. Isolation
  3. Ghost Of Days Gone By
  4. All Hope Is Gone
  5. Still Remains
  6. Make It Right
  7. Wonderful Life
  8. I Know It Hurts
  9. Show Me A Sign
  10. Fallout
  11. Breathe Again
  12. Coeur D'Alene
  13. Life Must Go On
  14. Words Darker Than Their Wings
    Nach der Wiedervereinigung der Stammband Creed hatte ich zunächst mit einer deutlich längeren Wartezeit bis zu dieser Scheibe gerechnet. Zu Unrecht. Aber würde der Hauptsongschreiber, Gitarrero Mark Tremonti, bei beiden Projekten parallel genügend Output liefern können, der sich auch noch als hörenswert erweist? Soviel vorweg: allerdings.
    Vom Release der Platte hatte ich zwei, drei Wochen vorher erst Wind bekommen. Einen Song (Nummer zwei; Isolation) fand ich als vollständige Hörprobe vorab auf einer Musikplattform. Der Anfixer überzeugte mich gleich, daß der Standard der Band zumindest gehalten wurde, so war ein "Taubkauf" am Releasetag kein wirkliches Risiko. Die Scheibe, meist als AB  III bezeichnet, weil der wirkliche Albentitel III allein wohl doch zu pragmatisch (oder schlicht zu kurz?) klingt, kam als "standardmäßige Ausgabe": reguläres Hardcover, keine vermeintlichen Bonus-Editionen oder dergleichen. So weit, so gut. Das Booklet als Foldout, das einem beim Textemitlesen als länglicher Streifen in den Händen schlabbert, hätte man als geklammertes Büchlein besser machen können. Aber dieser kleine Makel gibt höchstens einen minimalen Abzug in der B-Note, zumal man die Lyrics im Normalfall einmal mitliest und dann intus hat. Dafür sieht das Cover in seinem Antik-Look mit goldenen Lettern einfach fesh aus. Aber nun zum Wichtigsten, die Songs einzeln unter der Lupe...

    Slip To The Void (Track #1) ist ein Opener, der direkt klarmacht, daß diese Platte anders klingt als ihr Vorgänger. Zwischen dünn schwimmenden Keyboardläufen und wenigen Akustikgitarrentönchen ist die Stimme von Myles Kennedy zaghaft tastend, fast mehr flüsternd als singend, sehr ungewohnt auch noch mit einem Flanger-Effekt entfremdet. Dieser mysteriöse Spuk dauert eine gute Minute und plötzlich zimmern einem die treibenden Riffs und mehrstimmingen Hooklines mitreissend um die Ohren. Knappe fünf Minuten kraftvolles Opening, das wirklich Laune auf mehr macht, bis es im Bogenschluß aus dreckig ausbendender Leadgitarre und den bereits zu Anfang gehörten Hammond-Arpeggios schön schließt.
    Isolation (Track #2), den ich wie bereits erwähnt schon vor dem Release hören und lieben lernen konnte, ist einfach nur ein bombastischer Schieber, wohl der härteste Song der Platte. Die Riffs sind heavy, dafür brilliert der Titel mit ohrwurmigen Hooklines en masse, es gibt ein Flitzersolo, wenige saubere Breaks zum Durchschnaufen für den Bruchteil einer Sekunde. Im mächtigen Crescendo zum Showdown ballern einem Melodiebögen, druckvolle Gitarrenlines und versetzter mehrstimmiger Gesang aus allen Richtungen um die Ohren, daß es kein Entkommen gibt. Das Ende des Songs ist eine saubere Punktlandung -- einfach geile Nummer!
    Ghost Of Days Gone By (Track #3) meint es nach den zwei Anbläsern jetzt zunächst friedlicher. Mit übersichtlichen Arpeggios auf den Gitarren und einer mitziehend stampfenden Bassdrum klingt er erstmal wie eine lockere Halb-Ballade. Das ändert sich genau zur Songmitte: es wird psychedelisch, ein rhythmisch und harmonisch unerwarteter B-Part. Am Ende tänzelt der Titel zwischen dem anfänglichen Frieden und krummen Psychedelo-Linien hin und her. Eine schöne erste Wandlung für das Klangbild des Albums.
    All Hope Is Gone (Track #4) ist genauso übersichtlich arrangiert, beginnt auch recht freundlich. Auffällig zu Ohr geht die spanische Harmonie im Chorus. Der Mittelteil bringt mit einer feingliedrigen Bridge und einem schönen Solo neuen Wind, bevor der Song ganz langsam vor sich hin auströpfelt.
    Still Remains (Track #5) knüpft mit orientalischem Touch an, tatsächlich säuselt Frontmann Myles Kennedy im Intro fast wie ein Muezzin. Der Song selbst wird wieder sehr straight und ohrgängig, fast metallern: schön die staubtrockene Strophe aus Staccato-Riffs der Gitarre, deutlichem Bass und in Nuancen verspielten Drums, dann eine harmonisch extravagante Bridge und ein gebundener Chorus. Als Bridge gibt es ein düsteres Wechselspiel zwischen Gitarre und Bass, der nach einem abrupten Endriffing auch schnarzend den Song ausklingen lässt.
    Make It Right (Track #6) ist fließend und von den Harmonien extrem wohlwollend, vorwiegend weiche Dur-Chords dominieren. Die nette Atmosphäre wird durch eine besonders schöne Bridge gewandelt, die einen vollen Showdown einleitet, in dem auch ein flitzendes Solo unmittelbar vor dem instrumentalen Ende nicht fehlen darf.
    Wonderful Life (Track #7) auf dem Albenzenit überschreitet erstmals die Fünfminutenmarke. Epochal stellt das Intro eines der Leitmotive vor, bevor es dünn und leise wird. Eine fliessende Westernklampfe arpeggiert flockig über die schmachtenden Vocals. Es wird von "I loved you so", "I miss you so", "I will never love like this again" und der schönen Vergangenheit gesungen. Also eine schmalzige Standard-Ballade? Es geht hier nicht um die große Liebe, sondern um eine gerade endende Freundschaft, eine Danksagung an die gemeinsame Vergangenheit. Die Schmalzgrenze wird hart angeschrammt, aber für meinen Geschmack nicht überschritten, zumal wieder eine extraordinäre Bridge aus dem ansonsten weichspülenden Trott reisst. Eine überwiegend sonnige Schein-Ballade, die in ihrer Länge und an dieser Position gut platziert ist.
    I Know It Hurts (Track #8) drischt daran gemessen im Intro wieder gut an, zerfließt aber schnell in leichteres Picking, eine etwas friedlichere Strophe. In den Lyrics heisst es quasi "Jeder fällt mal auf die Fresse, da bist Du nicht der erste - und ich weiss wie weh es tut!". Eine Mischung aus motivierendem Anschiss und Trost also, dem entsprechend wandelt die Nummer stets zwischen Druck und Wohlwollen, ist extrem dynamisch. Das Arrangement mit den fluenden Läufen der Leadgitarre ab der zweiten Strophe ist schlicht atemberaubend!
    Show Me A Sign (Track #9) beginnt mit orientalischen Distortiongitarren und Glockenschlägen, ist leicht düster angehaucht. Der Effekt des rückwärtigen Halls auf der Stimme vor der Chorusüberleitung erinnert mich stark an Phrasen von Geoff Tate (Queensrÿche) aus dem 1990er Album Empire. Eine kleine Hommage?! Mit knapp unter sechs MInuten der deutlich längste Song der Scheibe, kein Überflieger für das Ohr, aber mit seiner geheimnisvollen Strophe und dem (abermals) ohrgängigen Chorus auch nicht überdehnt.
    Fallout (Track #10) ist hingegen wieder ein richtiges Highlight für mich. Aus fliessenden Gitarrenlines und ruhiger Dynamik entfaltet sich ein Song um Einsamkeit und Tragik. Der druckvollere Chorus aus Distortiongitarren und anklagendem Gesang geht wunderbar ins Ohr. Der Titel durchläuft einen tollen Spannungsbogen mit vielen unterschiedlichen Phasen, verliert dabei aber nie den roten Faden. Toll!
    Breath Again (Track #11) gibt sich locker-flockig und optimistisch, eine Spur Feierlichkeit belebt im Chorus. Durch ein konstantes Crescendo eine schöne Verschnaufpase, die im heiteren Duett von Bluesskalen der Sologitarre und kraftvollem Gesang ausklingt.
    Coeur D'Alene (Track #12) ist kurz vor Ende eine wirklich durchtriebene Nummer! Ein etwas gedehntes Gitarrenintro (höre ich da Anlehnungen an den instrumentalen Boogie Man von Aerosmith?) aus orientalischen Läufen bricht urplötzlich in hartes Metal-Riffing um, kehrt aber nach der Vorstellung des Riffs zunächst wieder ins harmlose Picking zurück. Der gesamte Song ist lauernd, kriechend, unterschwellig bitterböse, Melodie und Wechselbäder zwischen den Parts kommen jedoch nie zu kurz. Dieser Titel ist nicht durchgehend so treibend wie Isolation (Track #2), aber mit seiner fesselnden Atmosphäre und dem brillanten Riffing einfach ein wirkliches Glanzlicht.
    Life Must Go On (Track #13) auf der "Unglücksnummer" entpuppt sich - der Songtitel verspricht nichts Falsches! - als die Abfeier der bisherigen musikalischen Reise, ist für mich persönlich eigentlich der Abschluß des Albums. Frieden, positive Stimmung, runde Harmonien, nach all den bisherigen Halb-Balladen und friedlichen Andeutungen, die doch immer ihre kleinen Widerhaken hatten, kommt hier letztlich das epochale Feuerwerk guter Laune. Die Kitschgrenze wird hier wohl bewusst umtänzelt, der Höhepunkt des Songs ist wuchtig und mitreissend, bevor es zum Songende wieder den Bogen zum langsamen Ausklingen gibt. Eine Rockballade, wie sie stilistisch auch von schmalzigeren Vertretern des Genres stammen könnte, aber ich finde den Song einfach nur schön!
    Words Darker Than Their Wings (Track #14) ist demnach, auch wenn nichts so angekündigt, für mich eher ein halber Bonustrack. Der Song kommt wegen seiner über fünf Minuten nur langsam in die Puschen. Direkt hörbarer Unterschied zu den anderen Songs: es singt auch Hauptsongwriter und Gitarrero Mark Tremonti einmal! Nicht allein, sondern in einem schön harmonierenden Duett mit dem Frontmann. Er macht seine Sache gar nicht schlecht, wirklich toll klingt es aber erst an den Stellen, an denen beide parallel singen. Ein gedehnter und netter Ausklang für die Scheibe, der nicht zu meinen Favoriten gehört, aber auch auf keinen Fall nervt.

    Die Produktion der Scheibe ist - oh Wunder *grins* - wasserdicht wie bei den beiden Vorgängern. Was mich mehr gefreut hat: trotz der parallelen Arbeit mit den wiedervereinigten Creed hat Songwriter Mark Tremonti genügend Material auf der Pfanne, um hier mehr zu brutzeln als eine Routineportion, um mit Alter Bridge im Zeitplan zu bleiben! Dazu klingt diese Scheibe noch merklich anders als ihre beiden Vorgänger, so daß auch die Weiterentwicklung der Band nicht stagniert. Der Unterschied ist schwer in Worte zu fassen; Bandbesetzung, Stil und nicht zuletzt der großartige Gesang von Myles Kennedy - alles ist wie zuvor. Doch irgendwie hat diese Platte viele Stellen innerhalb der Songs, die eine neue Düsternis mit sich bringen. Dabei wird nie übertrieben geholzt oder unglaubwürdig auf hart getrimmt, sondern es ist ein unterschwellig kriechender Grusel, der einem (zumindest mir) eine wohlige Gänsehaut bringt. Die gewohnte Gangart bleibt im Groben, aber an so vielen Stellen kommen innerhalb der Songs unerwartete Wendungen, kleine Schnörkel oder Passagen, die man so vorher von der Band nicht gehört hat. Schon beim ersten Hören gefiel mir die Scheibe sehr gut, hatte aber noch wesentlich mehr "Wachstumspotential" als die ersten beiden Produktionen, so daß man von Mal zu Mal ein Reinwachsen in die Platte erleben kann und nicht nach wenigen Durchläufen schon das Gefühl hat, in all dem Reigen der tollen Harmoniearbeit und bekannter Ohrwurm-Hooklines zu Hause zu sein.

    Leicht düstere Einschläge zwischen gewohnt tollem Songwriting. Großartige Platte!

Blackbird
Typ1 CD / Studio
Jahr2007
LabelUniversal
Songs
  1. Ties That Bind
  2. Come To Life
  3. Brand New Start
  4. Buried Alive
  5. Coming Home
  6. Before Tomorrow Comes
  7. Rise Today
  8. Blackbird
  9. One By One
  10. Watch Over You
  11. Break Me Down
  12. White Knuckles
  13. Wayward One
    Noch schlichter als der Albentitel "Amsel" präsentiert sich das Cover der Platte mit der schon beinahe nach einer Kinderzeichnung aussehenden Schwarz-Weiss-Skizze. Doch ist das Vögelchen mit den breiten Schwingen und den ausgefahrenen Krallen wirklich ein harmloser Kleinvogel, den jeder schon einmal in freier Natur gesehen hat? Vielleicht geben uns die Songs Aufschluß...

    Der Opener Ties That Bind (Track #1) pirscht sich mit ein paar flotten, aber noch dezenten Gitarrenarpeggios an, bevor Drums und Gitarrenriffs loszimmern. Von den Gitarren, über Bass und Drums bis hin zum Gesang strotzt der etwas mehr als dreiminütige Starter vor Energie. Nur wenige Sekunden dauernde Verschnaufpausen lockern ein wenig, doch dieser erste Song reisst den Zuhörer gleich mit, macht wahrlich Laune auf mehr.
    Come To Life (Track #2) schaltet im Tempo einen Gang zurück, grollt in einer subtilen Mischung aus Alternative und Hardrock vor sich hin. Während viele Strophenteile gewollt schräddelig klingen, ist der Chorus von sauberen, mehrstimmigen Vocals dominiert. Eine schöne Wanderung zwischen schmierigen Rockklängen und sauber ausgetüftelten Licks und Gesangslinien.
    Brand New Start (Track #3) ist noch wesentlich ruhiger. Über leicht sphärische Klänge arpeggiert eine glasklare Westerngitarre, der Gesang steht im Vordergrund der Strophen. Zum Chorus kommen zwar verzerrte E-Gitarren, doch sie sind eher markig und druckvoll im Sound, bringen mit ihren gedehnten Chords keine Hektik in die gleichmäßige Ruhe des melodiösen Songs, das Solo fällt einmal länger aus. Erstmals kommen wir mit diesem Titel, dessen Lyrics sich auf angenehm unverbindliche Art um einen Neuanfang oder Aufbruch drehen, bis knapp vor die Fünfminutenmarke.
    Buried Alive (Track #4) zieht die Tempo- und Druckschraube nun langsam wieder an. Textlich hat der Song nicht sooo viel zu bieten, schafft es mit seinem Wechsel zwischen markigen Riffs und ausgedünnten Bass- und Drumparts ein schönes Eigenleben zu entwickeln. Die Songlänge ist gut abgepasst, so daß sich kein Thema unnötig totnudelt.
    Coming Home (Track #5) hat ein gedehntes Intro, im Chorus gibt es saftige Gitarrenriffs, doch vor allem zeichnet sich der Song mit toller Rhythmusarbeit an allen Instrumenten aus. Zum Ende gibt es ein langes Crescendo, der Titel endet wesentlich druckvoller als es der erste Teil vermuten lässt.
    Before Tomorrow Comes (Track #6) ist ein angenehmer, heiterer Song. Mit straighten Riffs und flottem Tempo steigt er unverschnörkelt ein, präsentiert sich offen und mitziehend. Da es auch im Text um Aufbruch und optimistische Hoffnung geht, die Harmonien durchweg gutlaunig konstruiert sind und die in den Strophen rhythmisch schön gebundenen, im Chorus mehrstimmigen Vocals das passende Tüpfelchen auf dem i zwischen rockigen Riffs, wabernden Old-School-Gitarren bringen, noch kleine Harmonietricksereien warten und es abermals ein unglaublich wuchtiges Crescendo zum Showdown gibt, kann ich nur sagen: ein Feuerwerk der guten Laune zum Auftakt der Albenmitte. Geil!
    Rise Today (Track #7) als erster Song auf bzw. direkt nach dem Zenit steht dem in nichts nach, hängt sich thematisch irgendwie sogar daran auf: es geht wieder um Aufbruchstimmung, Veränderung. Doch bei inhaltlicher Ähnlichkeit unterscheiden sich diese beiden "mittigen" Titel gewaltig. Dieser hier strotzt nicht so vor harmonischer Heiterkeit, hat bei allem Optimismus mehr Kraft, ein wenig etwas von geballten Fäusten. Dabei ziehen sich die Melodiebögen, Instrumentenwechsel und abwechselnde Pegel der Dynamik vom ruhigen Intro über die mehrstimmigen Choruslines "I want to rise today and change this world" und das herrlich lange Ende mitsamt flottem Solo einfach meisterhaft dahin. Daß dieser Song im Vorfeld des Alben-Release ausgekoppelt wurde, wundert mich nicht. Ein Meisterstück!
Gleich reinsehen und -hören? Das Video gibts bei YouTube:
Alter Bridge - Rise Today
    Blackbird (Track #8) ist im direkten Anschluß Titelsong der Platte und mit satten acht Minuten - für einen Rock- oder Alternativesong schon ein beachtliche Länge - ein wunderbarer Titel. Und wir alle wissen ja: auf die Länge (alleine!) kommt es nicht an *grins*. Mit klaren Gitarrenarpeggios geht es los, weicher Gesang, dann im Hintergrund flötende Gitarren, doch bald wird es rockig. Während es im Text um Zerbrechlichkeit, Dahinscheiden und Aus-den-Augen-verlieren geht, tänzelt der Song fluende zwischen ruhigen Strophen und einem druckvollen Chorus. Alles wird in herrlichen Melodiebögen gebunden, auch wenn es ein wenig lauter wird, behält der Song seine leicht schleppende, theatralische Schwere. Gedehnte Instrumentalpassagen und ein tolles Solo lassen diesen Titelsong - um in der Semantik des Titels zu bleiben - wie im Fluge vergehen. Auch zu diesem grandiosen Titel möchte ich einen YouTuber bieten (s.u.). Die Tonqualität ist bei allen, die ich gefunden habe, leider recht mies - wer interessiert ist, kann sich ja nach besseren Clips umschauen...
Eine Live-Fassung bei YouTube:
Alter Bridge - Blackbird (Live)
    One By One (Track #9) drückt anschliessend wieder ein wenig auf die Tube, klingt straight hardrockig. In recht abstrakten Texten über Kriegführung und Heldentum rockt der Song in mittlerem Tempo durch - mit rund vier Minuten allerdings kurzweilig und unkompliziert, Melodie satt gibt es sowohl in Strophen wie auch im mehrstimmigen Chorus.
    Watch Over You (Track #10) ist erstmals vertonter Herzschmerz pur. Im Text entschuldigt sich jemand, daß er seine Liebe verlassen muß, macht sich vor allem im Gehen noch Sorgen, wer sich nun um seine Liebe kümmern wird. Verglichen mit den anderen Songs des Albums müsste hier die Schmalz-Warnleuchte angehen, aber der Titel ist einfach nett und warmherzig, nicht zu sülzig. Ich finde diesen Vierminüter beinahe schon drollig.
Auch zu dieser netten Ballade gibts eine Hörprobe:
Alter Bridge - Watch Over You
    Break Me Down (Track #11) beginnt zunächst ein wenig schmierig, wirkt bei den ersten Chords beinahe punkig, welchselt schnell auf alternative Klänge und zur ersten Strophe auf eine klare, melodiöse Linie. Der Chorus ist deutlich voller und energischer, aber es überwiegt eine leicht melancholische Stimmung.
    White Knuckles (Track #12) dreht noch einmal auf. Bei gutem Tempo tänzelt der Song in brachialen Klängen irgendwo zwischen düsterer Bitterkeit und dem energischen Aufruf, sein Leben zu leben - solange das geht - und nicht sein ganzes Leben über eine Lüge zu leben, weil es andere von einem erwarten. Kein philosophischer Überhammer, aber ein letzter sportlicher Rocksong, der zeigt, daß auch bei Nummer zwölf die Luft noch nicht raus ist.
    Wayward One (Track #13) an letzter Position ist eigentlich mein Favorit - wobei er sich die Position wahlweise mit Rise Today (Track #7) oder dem Titelsong Blackbird (Track #8) - je nach Stimmung - teilen muss. In klaren Melodielinien, die sich gelegentlich nach klassischen Harmonien anhören, geht es ein wenig melancholisch zu, wenn von dem Leben und Leiden eines "Abgedrehten" gesungen wird. Im mehrstimmigen Chorus wird zwar mit verzerrten E-Klampfen nicht gegeizt, aber das Tempo bleibt getragen, der Song gedeiht beinahe fünf Minuten in einer majestätischen Theatralik, die mich regelmäßig zwingt, noch ein paar Dezibel draufzulegen. Ein wunderbarer Abschiedssong für die Scheibe und für meine Ohren jedesmal wieder ganz, ganz großes (Klang-)Theater!

    Um die Thematik vom Beginn der Rezension hier wieder aufzugreifen: die Ankündigung, daß wir es bei diesem Album mit einer harmlosen Amsel zu tun haben, ist ein blankes Understatement. Durch alle Songs ziehen sich tolle Melodiearbeit und musikalische Spannungsbögen. Die Texte sind nicht immer stichhaltig einzuordnen, bieten aber stets eine gute Grundlage zum Grübeln, Schwärmen oder Assoziieren. Das gesamte Album geht gleichermaßen als schwungvolles Easy-Listening für den Hintergrund oder als fesselnde Vollzeitbeschäftigung durch. Bei aller Güte der musikalischen Produktion stehen Glaubwürdigkeit und Authentizität der Musiker im Vordergrund. Von Reissbrettplanung und kommerziell ausgerichtetem "Schema F" kann ich auf dieser tollen Scheibe nichts erkennen.

    Durchweg kraftvoll, melodisch, authentisch. Ein brillantes Album ohne Schwachstellen!

One Day Remains
Typ1 CD / Studio
Jahr2004
LabelWind-Up Records
Songs
  1. Find The Real
  2. One Day Remains
  3. Open Your Eyes
  4. Burn It Down
  5. Metalingus
  6. Broken Wings
  7. In Loving Memory
  8. Down To My Last
  9. Watch Your Words
  10. Shed My Skin
  11. The End Is Here (Bonus Track)
    Die Truppe, die vorher als Creed bekannt wurde, hat schlicht den Frontmann ausgewechselt, um zu Alter Bridge zu werden. Also nur eine neue Stimme, der Rest ist geblieben? Nein, ganz so einfach ist es nicht. Während der alte Scott Stapp meist in einer stimmlich eng begrenzten Lage und mit kehliger Note sang, deckt der neue Frontmann Myles Kennedy ein breites Tonspektrum - von tiefen, ruhig-melodischen Nuancen bis hin zu hohen, offenen und druckvollen Passagen - lückenlos sicher ab. Neben der Stimme hat sich vor allem auch das lyrische Spektrum der Songs erweitert. Während Creed textlich sehr fixiert auf Religion, Glaube und Philosophie waren, gibt es bei der neuen Formation "handelsübliche" Texte, wie sie für Hardrock, Alternative und Post-Grunge (unter diesen Genres findet man die Band wahlweise zugeordnet) genehm sind; von kleinen Geschichten, tragisch-romantischen Bildnissen bis hin zu sozialkritischen Denkanstößen ist alles dabei. Letztlich spielen Gitarre und Melodiearbeit in dieser neuen Besetzung eine größere Rolle als zuvor. Während vielen eingefleischten Creed-Fans diese neue Ausrichtung nicht gefällt, empfinde ich dies als eine wohltuende Veränderung weg vom schwermütigen Pathos und hin zu ohrgängiger, abwechslungsreicher Musik. Die Songs dieses Debüts präsentieren sich nun so...

    Der Opener Find The Real (Track #1) steigt mit einer saftigen Distortiongitarre ein, das Riffing ist markig, das Tempo aber nicht allzu hoch. Der Druck des Songs pendelt immer wieder leicht auf und ab, hat im Ganzen ein angenehmes Crescendo bis zum Songende hin. Dank des durchgehenden Gitarrenriffs und der kraftvoll konstanten Drums prägt sich das Thema wunderbar ein. Melodie, mehrstimmige Vocals und ein nicht spektakuläres, aber gut eingepasstes Solo verschörkeln angenehm bis zum rhythmischen und harmonischen Ausbruch im Showdown am Ende. Mit guten viereinhalb Minuten ein gelungener Start ins Debütwerk der Band.
    One Day Remains (Track #2) bringt auf Position zwei also den Titelsong der Scheibe. Er ist ähnlich kraftvoll wie der Opener, jedoch mit den flitzenden Licks und den beinahe manischen Drums um einiges treibender. Im Text scheint jemand an sich und seiner inneren Stärke zu zweifeln. Ihm wird durch die Lyrics daraufhin mächtig der Marsch geblasen. Es geht um Mutmachen und Anschieben, das Vorwärtsmarschieren und Geniessen des Gefühls am leben zu sein. Mit dem mitziehenden Tempo, den durchweg fröhlichen Harmonien und den positiven Akzenten im Text ist dieser Titelsong nichts als ein Gutelaune-Bonbon, das bei jeder Gefühlslage schmecken muss und in seinen vier Minuten ein viel zu kurzes Vergnügen zu sein scheint.
    Open Your Eyes (Track #3) ist in gewissem Sinn die direkte Antwort auf den Vorsong, ein Perspektivwechsel. Denn dort heisst es eingangs: "Wenn ich zurücksehe, weiss ich, was mich niedergedrückt und meine Träume zerstört hat. Erst durch die Augen eines Bekannten erkenne ich meine alten Visionen, die ich verlor". Mit dünnen Stophen, wuchtigem Chorus und einer Spur mehr Ruhe und melodischer Nachdenklichkeit wird dieser Fünfminüter zu einer schönen Hommage an Zusammenhalt und Freundschaft.
    Burn It Down (Track #4) ist mit sechs Minuten elf Sekunden längster Song der Platte und in klanglicher Ausflug in andere Regionen. Die clean arpeggierenden Gitarren, die ungewöhnlichen Harmonien, der Gesangsstil von Myles Kennedy und die ersten Textzeilen "Drank so much last night, I think that I drowned, but now my cup is empty" erinnern mich extrem an Lilac Wine des in jungen Jahren verstorbenen Jeff Buckley. Die gesamte Songatmosphäre lehnt sich sehr stark an besagten Song an, und ich meine auch gezielte Reminiszenzen in der Gesangslinie zu finden, die an den großartigen Folkrocker erinnern, der als früher Wegbereiter zwischen Folk, Rock und Alternative gilt. Bei der ähnlichen Stimmkoloratur von Sänger Myles Kennedy (der auch schon Buckleys berühmtesten Coversong Hallelujah [ursprünglich aus der Feder von Leonard Cohen] spielte) wird dieser Song zu einem schönen Seitentrip und keinesfalls zu einem "gewollt aber nicht konnt", einer stilistischen Annäherung ohne jede Form des plumpen Kopierens. Auch wenn sich der schwermütige Titel gegen Ende leicht aufbäumt, bleibt er ein melodisch-charismatischer Fleck bittersüßer Tragik in diesem Album.
    Metalingus (Track #5) muss man wohl als den "Bolzer" des Albums bezeichnen. Auch wenn die Rhythmusabteilung ein gewisses Quantum an Alternativerock beibehält, bringen die schnellen Licks, Riffs, die schräpelnden Feedbacks und kratzenden Saitenschrubber auf den Gitarren - wie es der Songtitel bereits ankündigt - eine starke Note Heavy Metal mit.
    Broken Wings (Track #6) ist erstmal "so richtig Ballade" und mein persönlicher Lieblingssong der Scheibe. Zwischen den Arpeggios der Cleangitarre in den Strophen, den im Chorus kraftvoll drückenden Distortiongitarren und den extrem ohrgängigen Melodien entwickelt sich eine unglaublich dichte, tragisch-romantische Epochalität. Der Pegel zwischen andächtiger Ruhe und einer heldenmütigen Untergangsstimmung, wenn vom rasenden "Sturzflug mit begrochenen Flügeln und brennendem Federkleid" gesungen - oder vielmehr geschmachtet (?) - wird, ist toll gemacht. Eingerahmt wird diese wunderbare Ballade durch Intro, kurze Intermezzi und einen Ausklang im Flamenco-Stil, so daß man in all dem tragischen Gloria beinahe selbst das Ikaruskostüm anziehen und sich zur Sonne aufschwingen möchte, nur um die infernalische Glorie des Heldensturzes am eigenen Leib zu spüren. Eine wunderschöne Ballade mit Epos-Charakter!
Gleich reinsehen und -hören? Das Video zum Schmachtfetzen gibt es bei YouTube:
Alter Bridge - Broken Wings
    In Loving Memory (Track #7) ist genau das, was der Songtitel uns sagt: ein liebevoller Nachruf auf einen verlorenen Menschen. Im Text geht es um die tröstende Erinnerung an vergangene Gemeinsamkeiten und das im Gedächtnis behalten. Der Song zieht einen angenehmen Spannungsbogen vom ruhigen Anfang über einen Mittelteil, in dem mehr Energie - auch ein Stück Verzweiflung und Bedauern stecken -, bis zu einem wieder sehr stillen Ausklang. Eine leichte Tendenz zum Schmalz kann man bei diesem Song nicht leugnen, aber wegen des positiven Tenors und des Spannungsbogens wird zumindest nicht unnötig auf die musikalische Tränendrüse gedrückt.
    Down To My Last (Track #8) scheint mir an dieser Stelle irgendwie ein Abschluß eines Kapitels zu sein. Im Text dreht es sich um Verlassensein, zerplatzte Träume und Ängste, zudem richtet sich hier ein Musiker ohne Erwartung an Antwort persönlich an sein Publikum, an die "zu denen er singt". Die Vocals sind energisch, aber nicht wütend, die Instrumentallinie eigentlich schlicht und harmonisch heiter. Ohne konkrete Beziehung auf einen oder mehrere der Vorsongs ist er für mich jedesmal ein leicht verdauliches Resümee, ein thematisch angelehnter Schlußpunkt, nicht sonderlich toll, aber wegen seiner instrumentalen Heiterkeit an dieser Stelle auch nicht störend.
    Watch Your Words (Track #9) zeigt, daß noch nicht Ende im Gelände ist. Mit jeder Menge Wucht kommt die Instrumentallinie daher, bringt auch mit der drückenden Gesangslinie eine Spur Zorn mit sich. Ohne konkret zu sagen, wer mit dem "Hey, pass auf was Du sagst!" angesprochen ist, bringt dieser Titel kurz vor Ende einen drohenden und mahnenden Akzent ins Album, der sich von dem bisherigen Positivismus deutlich abgrenzt.
    Shed My Skin (Track #10), der eigentliche Finalizer, da der Folgesong als Bonustrack nachträglich dazukam, ist nun wirklich so etwas wie eine Zusammenfassung mit einem deutlichen Akzent auf einen Neubeginn. Vor dem besungenen Bild der aufgehenden Sonne wird über die schwere Vergangenheit voller unerfüllter Träume und Erschöpfung gesungen. Hier begrüßt jemand einen neuen Tag nach dem Abstreifen seiner Haut der Vergangenheit. Musikalisch beginnt der Tag eins nach der Metamorphose dezent und bauscht sich zum Songende ein letztes Mal auf. Von den ersten lockeren Tönchen des Morgendämmerns an wird es immer dichter, kräftiger und sicherer. Mit pompöser Engerie und vielstimmigen "Hey, hey, hey..."-Vocals endet der Song wie eine mitziehende Hymne mit offenem Ende wie ein Filmschluß, bei dem wir den neu erstarkten Helden, mit dem wir so lange mitgefiebert haben, im strahlenden Sonnenaufgang langsam verschwienden sehen. Passend zu diesem Bild klingt der Titel ausnahmsweise ohne definierten Schluß ganz sachte aus.
    The End Is Here (Track #11), der nachträgliche Bonustrack, poltert nun ziemlich. Besungen wird der ewige Wanderer, der nach Antworten auf seine Fragen sucht. Thematisch zerstört dieser Song also nicht die Dramaturgie nach dem Vorsong. Besonders gefällt mir an ihm, daß er das Klangbild der Platte um eine schöne Facette erweitert. Im Intro sowie auch im weiteren Songverlauf bekommen wir orientalische Harmonien auf die Ohren, die sich auch durch das mächtige Crescendo nicht unterkriegen lassen. Der Showdown des knappen Fünfminüters, bei dem weite Passagen instrumental sind, ist höchst energiegeladen und zeigt die Band in einem angenehm experimentierfreudigen Licht.

    Mit diesem Debüt hat die Band mit neuem Frontmann ein tolles Werk abgeliefert. Ebenso gut wie das melodiöse und stets druckvolle Songwriting ist die Produktion. Von der Güte der Arrangements und Soundaufteilung kann sich noch so mancher Produzent in den angrenzenden Bereichen Hardrock, Nu Metal und Alternative ein paar Scheibchen abschneiden. Und auch wenn man aus jedem Song auf Anhieb die Band heraushört, hat jeder Songs der Scheibe eine eigene Charakteristik, seine eigenen Hooklines und Details, so daß ich bei keinem Titel von einem mittelmäßigen Füller sprechen könnte.
    Aufgrund des Abwechslungsreichtums zwischen den einzelnen Songs hätte ich auch diesem Album mein Highlight-Prädikat verpassen mögen. Doch dies vergebe ich bei meinen Musiktips nur einmal pro Band, und das Folgealbum Blackbird (s.o.) gefällt mir mit seiner geschlossenen Charakteristik noch einen Hauch besser.
    Auch wenn viele ehemalige Creed-Fans sich mit Gruseln von der neuen Besetzung abgewandt haben, auch habe ich schon in anderen Musikplattformen polemische und erschreckend unsachliche Verrisse zu dieser neuen Combo gelesen, kann ich jedem, der auf Rock und Alternative steht, diese Band sehr empfehlen. Denn für mich stehen starke Melodiearbeit, Ohrgängigkeit und gute Produktion nicht automatisch unter dem Prädikat des seelenlosen Geldscheffelns, das auf dem Reissbrett geplant wurde!

    Ein tolles Debüt mit sauberer Arbeit an allen Instrumenten, Mikro, Songwriting und Produktion!