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Joe Bonamassa : Alben

    Hier ist nur ein Ausschnitt der Veröffentlichungen zu sehen. Es gibt weitere CDs, EPs und Livealben. Mehr ist über seine offizielle Seite (siehe: Links) oder die webweiten Anlaufstellen des Vertrauens zu erfahren...

Dust Bowl
Typ1 CD / Studio
Jahr18.03.2011
LabelMascot Rec
Songs
  1. Slow Train
  2. Dust Bowl
  3. Tennessee Plates
  4. The Meaning Of The Blues
  5. Black Lung Heartache
  6. You Better Watch Yourself
  7. The Last Matador Of Bayonne
  8. Heartbreaker
  9. No Love On The Street
  10. The Whale That Swallowed Jonah
  11. Sweet Rowena
  12. Prisoner

Black Rock
Typ1 CD / Studio
Jahr2010
LabelMascot Rec
Songs
  1. Steal Your Heart Away
  2. I Know A Place
  3. When The Fire Hits The Sea
  4. Quarryman's Lament
  5. Spanish Boots
  6. Bird On A Wire
  7. Three Times A Fool
  8. Night Life
  9. Wandering Earth
  10. Look Over Yonders Wall
  11. Athens To Athens
  12. Blue And Evil
  13. Baby You Gotta Change Your Mind
    Nach dem doch recht poppigen - wenn auch vielfältigen und schön gemachten! - Vorgänger The Ballad Of John Henry (2009) [s.u.] geht es mit dieser Black Rock in eine komplett andere Richtung. Der Albentitel läßt zunächst vermuten, daß es eine breite Hommage an die früheren, rockigen Zeiten des Bluesers mit seiner Band Bloodline gibt, doch der Rock spielt auf dem Album nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr stammt der Name schlicht von dem Aufnahmeort der Scheibe: den "Black Rock Studios" (Santorini, Griechenland). Neben dem Titel sind auch durchaus viele musikalische Elemente aus dem Mittelmeerraum in das Album eingeflossen, die sich wie ein roter Faden durch das Werk ziehen. Eine extrem interessante Mischung aus - nach wie vor - Blues im Zentrum, vielen Spritzern Oldschool-Rock und, mir bis dato noch nicht in der Kombination untergekommen, griechischen, spanischen und vorderorientalischen Klängen.
    Eigentlich bin ich ein Freund der "einfachen" Ausgaben von Alben, sprich: Hardcover aus Plastik (auch der Austauschbarkeit wegen), Booklet und bitte keinen Extraschnickschnack. Die schnörkelfrei Version des Albums war am Releasetag, ich zitiere, "versehentlich nicht mitgeliefert worden". Ja genau, und die Erde ist eine Scheibe *grins*! Nun, so griff ich zu der vielleicht zwei oder drei Euro teureren Limited Edition Deluxe Version, mir sollte es wurscht sein. Nach dem Auspacken aus der Folie freute ich mich dann doch, denn das Album mit dem schwarzen Cover (auf der Rückseite golden mit schwarzer Beschriftung, also genau umgekehrt wie auf der Front) steckt in einem dicken Hartkarton, das umfangreiche Booklet, in dem es neben den Lyrics noch jede Menge Infos und Bilder gibt, ist fest eingearbeitet. Sehr schick! Aber näheres zu dem Songmaterial...

    Der Opener Steal Your Heart Away (Track #1) stampft mit einer gesunden Mischung aus Blues und altbackenem Rock los, ist trotz seines ruhigen Grundtempos wuchtig und mitziehend, belebt vor allem durch streckenweise schwimmende Hammondorgel, einen locker hüpfenden Walkingbass und teils quirlige Gitarrenparts.
    I Know A Place (Track #2) ist ein majestätischer Slowblues, wie der erste Song eine Coverfassung, vor allem dominiert von markigen Riffs und noch mehr Akzenten auf die Leadgitarre.
    When The Fire Hits The Sea (Track #3) ist nun der erste Song des Albums aus der Feder von Joe Bonamassa. In lockerem Shuffle und mit flockigem Piano im Hintergrund soll er von der Lokalität vor Ort in Griechenland inspiriert sein. Zu griechisch geht es in dem Song klanglich nicht zu, aber wenn man sich einen gut gelaunten Bluesman an der Küste vorstellt, der die glutrote Sonne im Meer versinken sieht, geht der Titel zusammen mit der unbeschwerten Laune in Ordnung.
    Auch der folgende Quarryman's Lament (Track #4) ist eine Eigenkomposition des Bluesers, eine lockere inhaltliche Weiterentwicklung des Songs Story Of A Quarryman von der Vorscheibe (s.u.). Das Leitthema wird hier wunderbar wieder aufgegriffen und knüpft hörbar an den ersten Teil an, stilistisch liegen jedoch Welten dazwischen, weil Bonamassa hier erstmals das dicke Ensemble griechischer Klänge ins Spiel bringt. Neben der Bouzouki (griechische Laute oder Mandoline, gespielt von Manolis Karadinis) dominiert besonders die griechische bis vororientalische Flöte Nei (gespielt von Gastmusiker Thanasis Vasilopoulos). Eine ungewöhnliche aber sehr charismatische Mischung und endlich mal die volle Tsatsiki-Dröhnung!
    Die Spanish Boots (Track #5) ist wieder straight bluesrockig, flott, wild und dynamisch. Eine Coverfassung von Rod Stewart, Ron Wood und - besonders gut an den Leadgitarrenschnipseln zu hören - Jeff Beck.
    Es folgt mit Bird On A Wire (Track #6) zur Albenmitte der meiner Meinung nach schönste und charakterstärkste Song der Platte. Er stammt nicht von Bonamassa selbst, sondern von der lebenden Songwriterlegende Leonard Cohen. Entsprechend majestätisch und andächtig (die Originalfassungen sind mir ja ehrlich gesagt oft zu schwülstig) geht es zu. Das Grundgerüst ist eine angenehm süßliche Ballade, dessen Hookline schnell ins Ohr geht. Gepimpt wurde hier aber abermals mit den griechischen Bouzouki (was für geile Dialoge in Flitzetempo zwischen der Mandoline und der elektrischen Leadgitarre!) und einer exotischen Nei. Diese Mischung ist wunderbar bis ins letzte Detail durchdacht und ausbalanciert, einfach zauberhaft!
Gleich reinhören und -sehen?
Joe Bonamassa - Bird On A Wire (Live)
    Three Times A Fool (Track #7) ist ein zweiminütiges Intermezzo, das dreckig und schelmisch mit flottem Tempo und punktgenauen Rhythmusakzenten für heitere Laune sorgt.
    Night Life (Track #8) ist wohl ein weiterer Meilenstein für den Bluesrocker Joe Bonamassa, denn es gastiert an Gesang und Gitarre kein geringerer als Bluesgrande und früher Karriere-Förderer B.B.King. Der Dreieinhalbminüter ist ein straighter Blues as Blues can, bei dem sich beide Musiker mit rauchiger Stimme am Mikro wie an den Klampfen die Bälle förmlich zuspielen. Die Quintessenz des Songs: "Nachtleben ist kein gutes Leben -- aber es ist mein Leben!" hätte nicht einfacher gestrickt sein können, aber gerade die Unkompliziertheit des Songs und beider Musiker aus zwei Generationen miteinander macht diesen Titel zu einem heiteren Gutelaunekracher, der schlicht Freude pur beim Anhören bringt.
    Mit Wandering Earth (Track #9) kommt mal wieder eine Eigenkomposition von Bonamassa, und mit dem Hintergrund wohl der bedrückendste Song der Platte. Im Text geht es um den ehemaligen Rhythm And Blues-Musiker Johnny Ace, einst ein guter Bekannter von B.B.King. Doch dieser arme Kerl, dessen Leben sowieso schon kein Zuckerschlecken war, verlor anno 1955 sein Leben beim Russisch Roulette. Entsprechend ist der Song ein langsam schleppender, fast drückend schwerer Slowblues.
    Für flotte und heitere Auflockerung sorgt anschliessend Look Over Yonders Wall (Track #10), ein weiterer Bluesklassiker, der vor allem durch weite Instrumentalstrecken glänzt.
    Athens To Athens (Track #11) ist jetzt sowas wie die blanke Essenz der griechischen Einflüsse, auch er stammt aus der Feder von Bonamassa, hätte von seinem Klangbild her auch von der Scheibe Sloe Gin (2007) [s.u.] stammen können. Der knappe Zweieinhalbminüter ist unplugged gespielt; eine klare Westernklampfe fidelt harmonisch eng mit den griechischen Saiten- und Blasinstrumenten zusammen, darunter liegt nur eine hauchdünne Percussion. So wird es sich anhören, wenn ein amerikanischer Bluesrocker irgendwo am Strand mit griechischen Musikern einen Jam abhält. Ein wirklich drolliges Intermezzo.
    Mit Blue And Evil (Track #12) gibt es den letzten Bonamassa-Song der Scheibe, laut eigener Aussage inspiriert von der Ära um Led Zeppelin. Hier geht es also noch einmal riffig und rockig düster zu. Mit fünf Minuten und fünfundvierzig auch längster Titel des Albums, der sich ausgiebig in solierendes Crossover von Bluesphrasen und schmierigen Rockriffs ergiesst. Musikalisch wohl der treffendste Tribut an den Titel des Albums.
    Der finale Baby You Gotta Change Your Mind (Track #13) ist jetzt quasi so etwas wie ein Bonustrack, auch wenn er als solcher nicht explizit ausgewiesen wird. Es handelt sich um den Mitschnitt eines lockeren Jams vom letzten Tag der Recordings. Und ich deute den Hinweis im Booklet "It is quite obvious we were a little intoxicated" mal als: da hatten ein paar Musiker schon den Abschluß der Arbeiten mit reichlich Ouzo gefeiert und in der Lockerheit zwischen Restalkohol und beginnendem Kater noch einmal Hummeln im Hintern. Locker flockig wird da unplugged geschräddelt, gepfiffen und geklatscht. Ein ungezwungener Ausklang, der qualitativ nicht einmal aus dem Rahmen fällt.

    So, eine heitere Mischung aus Blues (na klar!), ein wenig Oldschool-Rock und griechischem Flair, das wirklich überragend gut eingebunden wurde. Dazu wieder eine gute Balance aus Coversongs mit vielen Anteilen eigener Veränderung und einige wirklich tolle Eigenkompositionen. Und als Sahnehäubchen oben drauf noch ein Duett mit Legende B.B.King. Klingt nach heiter Sonnenschein und einer Scheibe, bei der es partout nichts zu meckern gibt - oder?!
    Doch. Und zwar in punkto Soundqualität gibt es etwas anzumerken. Mir selbst fiel es beim ersten Durchlauf auf, bei den Studien anderer Rezensionen merkte ich schnell, daß ich bei weitem nicht allein mit dem Eindruck war. Die Soundqualität an sich (!) ist brillant, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Aber das Mastering ist teils schon gewöhnungsbedürftig. Das Panning (Stereo-Raumaufteilung) und die Klangfarben einiger Instrumente fallen extrem komisch aus.
    An dem Equipment liegt dies definitiv nicht, auch ist der Produzent Kevin Shirley derselbe wie seit der You And Me (2006) [s.u.]. Im Booklet gibt es ein knappes Interview mit dem Produzenten, in dem dieser Punkt gleich zu Beginn angesprochen wird. Seine Erklärung: er ging mit Joe Bonamassa, der das ständige Touren zu der Zeit wohl ein wenig satt hatte, damals ins griechische Studio. Neuer Ort, neue Eindrücke, neue Musiker. Ergo kam den beiden in den Sinn, auch klanglich neue Ufer zu betreten. Angeblich war es feste Absicht, eine Art "Weltmusik" zu kreieren. Was immer das genau sein soll...
    Nun, in den ersten Tagen kam ich zunächst zu dem Eindruck, man habe hier eine Mischung aus altbackener Analogtechnologie im Studio mit einmischen wollen, um den Akzent auf den Rock damit zu unterstreichen. Besonders extrem fiel mir das seltsame Klangbild natürlich über Kopfhörer auf. Es ist zunächst wirklich bizarr, aber nach ein paar Durchläufen und besonders beim Hören über Anlage verschwindet dieser verwirrende Aspekt bald. Und nochmals betont: die Tonqualität aller Instrumente bis hin zu dem lockeren Endjam der Scheibe ist im Grunde glasklar und auf modernstem Stand. Ein bizarrer Einfall, der Produzent und Musiker da getrieben haben muss. Nicht zuletzt wegen des wirklich tollen Songmaterials nehme ich persönlich das entrückte Mastering als kleine Randnotiz in die Rezension mit auf. Ansonsten ist das Werk eindeutig eine tolle Scheibe, die mit den ungewohnten Klangmischungen aus dem südlichen Europa wirklich begeistert.

    Seltsames Mastering, aber durchweg tolle Songs und interessante neue Einflüsse im Blues!

The Ballad Of John Henry
Typ1 CD / Studio
Jahr2009
LabelMascot Rec
Songs
  1. The Ballad Of John Henry
  2. Stop
  3. Last Kiss
  4. Jockey Full Of Bourbon
  5. Story Of A Quarryman
  6. Lonesome Road Blues
  7. Happier Times
  8. Feelin' Good
  9. Funkier Than A Mosquito's Tweeter
  10. Great Flood
  11. From The Valley
  12. As The Crow Flies
    Dieses Album aus dem frühen Jahr 2009 ist schon auf den ersten Blick eine komische Sache. Zwar kann man das Cover nicht als "knallig" bezeichnen, aber bei dem verschnörkelten Rahmen und der mittigen Zeichnung musste ich spontan an Cover von Siebzigerbands wie Toto oder Kansas denken. Jedenfalls schlägt die Front im Vergleich zu den anderen Scheiben, bei denen mal schlichte Fotos oder der Musiker selbst dominierten, ziemlich deutlich aus der Reihe.
    Öffnet man das Booklet, geht es mit gutem Old-School weiter: die Songvermerke sehen aus wie mit einer alten Schreibmaschine auf vergilbtes Pergament geschrieben, ein handschriftlich signiertes Vorwort beginnt mit "Hello again Ladies and Gents", auf der Bookletrückseite sehen wir einen huttragenden Joe Bonamassa, der sich scheinbar in seinen Blues vertieft über eine klassische Gibson beugt. Letzten Endes krönt den Vintage-Stil der Silberling, auf dessen Oberseite schwarze Rillen wie auf einer altbackenen LP sind.
    Der Produzent und Mischer ist derselbe, der beim Vorgängeralbum Sloe Gin (s.u.) aus 2007 bereits ein glückliches Händchen bewies, ein Mann namens Kevin Shirley, der schon mit Bands wie Led Zeppelin oder Aerosmith gearbeitet hat. Das Bandpersonal hat sich für diese Scheibe abermals erweitert: neben Keyboards (Rick Melick) und zwei Gastbläsern (Lee Thornburg und David Woodford) ist erstmals eine feste Rhythmusgitarre (Blondie Chaplin) dabei.

    So. Der geneigte Musikfan mag sich beim Anblick der Platte vielleicht fragen: "Who the f**k is John Henry?" Jener John Henry war ein farbiger Bergbauer am Ende des 19. Jahrhunderts, der gegen die aufkommende Industrialisierung an seinem Arbeitsplatz kämpfte. Dabei trat er gegen eine "moderne" Maschinerie mit Schaufel, Hammer, jeder Menge Manneskraft und Entschlossenheit an. Und - er gewann, doch direkt im Anschluß an gewonnenen Wettbewerb brach er aus Erschöpfung tot zusammen. Was genau davon Wahrheit und was Legende ist, kann ich natürlich nicht sagen. Seither steht der Name John Henry beim amerikanischen Volk jedenfalls als Synonym für den schwer schuftenden, bodenständigen Arbeiter. So weit, so bluesy. Nun ein paar Worte zum musikalischen Inhalt...

    The Ballad Of John Henry (Track #1) steigt als Titelsong rhythmisch stark akzentuiert ein, bringt eine gesunde Mischung als Blues- und Rockelementen, immer wieder kommen passagenweise Banjoklänge, Streicher oder Bläserakzente zum Einsatz, die dezent das komplette Ensemble der Platte vorstellen. Das mittige Solo ist gedehnt, klingt unspektakulär, passt sich dem konstanten Trott des sechseinhalbminütigen Openers gut an.     Stop (Track #2) ist die erste Songadaption des bekannten Klassikers aus der Feder von Sam Brown. Doch es dauert eine ganze Weile, bis man dahinterkommt: der Songbeginn ist im klassischen Bluesstil von Bonamassa gehalten. Erst beim ersten Chorus mitsamt Bläsern sollte der Groschen fallen. Das erste Solo ist hier länger und zunächst auf eine klare Sologitarre, später eine deutlich verzerrtere aufgeteilt, beim wunderbar akzentuierten Schlußsolo gibt es auch einen Hauch Wah-Wah-Effekt.
    Last Kiss (Track #3) ist astreiner Bluesrock. Die Rhythmusgitarre schmierig, der Bass deutlich, das Schlagzeug stampft unbeirrbar straigt rockig vor sich hin. Zum Songbeginn wird sogar Bonamassas Stimme blechbüchsig entfremdet. Im weiteren Verlauf des Songs quetscht sich eine Hammondorgel immer wieder in den Hintergrund und der Song endet weit gedehnt und in einem schönen Auslauf, in dem nach und nach alle Instrumente auf der Strecke bleiben.
    Jockey Full Of Bourbon (Track #4) - Original von Tom Waits - ist langsam und schleppend, wie in fuseligem Alkoholvollrausch, bietet eine Vielfalt an dezenten Instrumentenwechseln: das Intro wird mit schrägem Saloonpiano gespielt, wie wir es in jedem klassischen Western erwarten würden, Banjoklänge arpeggieren immer wieder dazwischen, während Rhyhtmus- und Leadgitarre sich im schwerfälligen Slowblues dem Rausch hingeben. Kurz vor Songende darf das charismatische Saloonpiano sein Solo beginnen, das uns bis zum gemächlichen Fadeout bringt.
    Story Of A Quarryman (Track #5) ist zunächst sehr berechenbar, bluest bei mittlerem Tempo und einem guten Einschlag in Richtung Rock, vermittelt glaubwürdig das Gefühl des monotonen Steinekloppens. Doch für das mittig plazierte Solo wird ein eigenständiger B-Part aus dem Boden gestampft, der erst zum letzten Songdrittel auf mysteriöse Weise zum anfänglichen Riffing zurückfindet. An dieser Stelle kurz vor der Albenmitte eine schöne Erinnerung an John Henry und das Thema der Platte.
    Der Lonesome Road Blues (Track #6) ist eine komische Entlassung zur "Mittagspause im Steinbruch". Er ist unglaublich flott, dynamisch und quirlig. Das Bluesschema dringt unverschnörkelt durch, aber irgendwie will die Spritzigkeit mit den fluenden Leadgitarrenläufen und dem zügigen Grundtempo nicht zu dem passen, was ich unter dem Songtitel erwartet hätte. Mit seinen gerade drei Minuten ein heiterer und unkomplizierter Song vor dem Albenzenit.

    Happier Times (Track #7) ist mein Liebling von der Scheibe. Er ist bittersüß, melancholisch und bis an den Rand vollgestopft mit tollen Nuancen. Der Song dreht sich um eine alte Beziehung, die mal für die wahre Liebe gehalten wurde, was sich schmerzlich als Irrtum herausstellte. Dennoch ist das Erinnern an die damaligen Gefühle und "glücklicheren Zeiten" ein Trost. Der Rhythmus und die Harmoniestruktur müssen einen nicht zwangsläufig von den Socken hauen, sind eher schlicht und ohrgängig gehalten. Doch immer wieder blitzen in dem sphärischen Klangpanorama kleine Irrlichter auf: mal trällert das Piano kleine Melodien, dann kommt mal ein kurzer Lauf auf der Westerngitarre oder die Hammondorgel zum Einsatz. Das Highlight der nostalgisch-schwermütigen Nummer ist das lange Solo in der Mitte, bei dem Bonamassa mit klassisch dezenter Bluesverzerrung und vielen Feinheiten (wie seinem Fade-In am Volumeregler) zaubert. So poppig der Titel zunächst erscheinen mag, für mich ist er einen tiefen Kniefall vor dem Songwriter wert. Zauberhaft!
So lausig wie die Tonqualität des Clips, so geil ist der Song an sich...
Joe Bonamassa - Happier Times (Live)
Zum Reinhören in die Studioversion mit bester Soundqualität:
Joe Bonamassa - Happier Times (Audio Only)
    Feelin' Good (Track #8) ist der einzige Song, den ich auf Anhieb als vollständige Coverversion erkennen konnte. Er ist ein vielkopiertes Evergreen, geht im Original auf einen gewissen Anthony Newley zurück, der es für ein Musical schrieb, war mir jedoch lediglich durch die medienpräsente Fassung von Michael Bublé aus 2005 noch im Ohr. Mit leicht rauchiger Stimme, Banjoklängen, heiteren Pianoeinwürfen, lebendigem Bass und dem energiegeladenen Solo ein gutlauniger Ohrenschmaus und eine schöne Coverfassung.
    Bei Funkier Than A Mosquito's Tweeter (Track #9) zieht das breite Band-Ensemble alle Register. Das Original stammt von einer Frau Aillene Bullock, deren Schwester Anna Mae Bullock (alias Tina Turner) hierzulande wohl bekannter ist. Mit dreckigen Funkychords, Bläsern, Piano und flitzenden Soloeinlagen geht es fünf Minuten ziemlich groovy zur Sache.
    The Great Flood (Track #10) ist mit über siebeneinhalb Minuten längster Song der Platte. Und es gibt unüberhörbare Anleihen bei der Klassik! Denn das Leitmotiv des Songs ist der Trauermarsch von Frédéric Chopin. Inhaltlich geht es in dem schwermutüberladenen Song um eine nachträgliche (musikalische) Aussprache mit einer Ex-Geliebten, die es von Angesicht zu Angesicht nie gegeben hat. In dieser späten Entschuldigung schwappen jede Menge Tragik und Herzblut hörbar mit. Gerade weil instrumental nicht zu dick aufgetragen wird, kann man sich diesem authentischen Schmerzkonzentrat bedenkenlos hingeben. Grandios ist das Zwiegespräch am Ende zwischen der im Vordergrund klagenden Leadgitarre und dem rauchigen Saxophon, das im Hintergrund antwortet.
    From The Valley (Track #11) im direkten Anschluß ist das kürzeste Titelchen der Scheibe mit gerade einmal zwei Minuten zwanzig. Von einem Song läßt sich hier nicht sprechen, es ist vielmehr ein klitzekleines Intermezzo. Mit starkem Hall gibt es nur Klänge irgendwo zwischen Nylongitarre und Banjo, ein hauchfeines Gebilde, das nach dem Vorsong keinen unpassenden Kontrast bildet, mit seinen wolkigen Klängen aber gleich deutlich besser zu Gemüte geht.
    As The Crow Flies (Track #12) schließt letztlich das Song-Dutzend in rockigem Stil, das Original stammt von Tony Joe White, einem Mann, der Jahrzente Erfahrung im Bereich Rock, Blues und Soul vorzuweisen hat. Hier bluesrockt sich Joe Bonamassa locker einen von der Seele, singt mal wieder etwas kratziger und schräpelt sich beim Solieren so richtig dreckig einen vom Griffbrett. Ein wunderbar unkomplizierter Ausstieg für die Platte.

    Wie ich mehrfach die Warnung im Web las, bevor ich mir das Album am Releasetag holte: für eingefleischte Bluesfans könnte diese Platte eine Enttäuschung sein. In dieser Richtung musste ich mir keine Sorgen machen. Als ich von den zwei festen Bläsern und dem zusätzlichen Gitarristen las, fragte ich mich schon, wo die Reise hingehen würde, hatte leichte Bedenken, war vor allem jedoch gespannt.
    Bei dieser ausgewogenen Mischung von Adaptionen, Coversongs und großartigen (!) Eigen- kompositionen ist viel Bewegung zwischen den Genres, böswillig könnte man an ein paar Stellen von "poppigen" Anleihen sprechen. Ich weiß, daß diese Platte für mich nicht den persönlichen Stellenwert des Vorgängers Sloe Gin (s.u.) erreichen wird, aber der Musiker Joe Bonamassa hat sich für meine Auffassung mehr als erfolgreich auf Neulandtour begeben, kann auf dieser Scheibe mehr Vielfalt und Wandelbarkeit beweisen als auf den Platten zuvor und läßt dabei für mein Verständnis nichts seiner bisherigen Markenzeichen veröden. Vielleicht ist die Platte gerade für Einsteiger ein willkommener Anlass, sich diesem großartigen Musiker und seinem bisherigen Schaffen anzunähern...

    Solider Joe Bonamassa in vielen unterschiedlichen Facetten!

Sloe Gin
Typ1 CD / Studio
Jahr2007
LabelMascot Rec
Songs
  1. Ball Peen Hammer
  2. One Of These Days
  3. Seagull
  4. Dirt In My Pocket
  5. Sloe Gin
  6. Another Kind Of Love
  7. Around The Bend
  8. Black Night
  9. Jelly Roll
  10. Richmond
  11. India
    Diese Platte war urspünglich vom Bluesrocker Bonamassa völlig anders geplant. Er wollte zunächst ein rein akustisches Werk aufnehmen, auf dem er alleine mit Westerngitarre performt. Erst nach und nach hat sich während der Recordings durch Ideen der erfahrenen Studiocrew das Konzept für das Album verändert. Wenn man diesen Verlauf kennt, hört man diese Ideen durch das komplette Werk noch durch. Es hat einen sehr rudimentären Aufbau, auch wenn nun doch andere Instrumente mitmischen. Näheres bei den einzelnen Songs weiter unten.
    Ein kleiner Hinweis noch am Rande: das Album ist auf dem deutschen Markt in zwei Versionen zu haben. Die limitierte US-Import-Version (hier besprochen) hat lediglich eine andere Reihenfolge der Titel als die reguläre Fassung, die in Deutschland zu bekommen ist. Also bitte nicht wundern, wenn jemand die Platte schon hat oder die andere Version bei Einkaufstouren, Testhören oder Onlinesuche zu sehen bekommt.

    Der Opener Ball Peen Hammer (Track #1) basiert auf einem akustischen Picking. Ich bin nicht einmal sicher, ob es lediglich eine spitz gespielte Westerngitarre ist oder ein Banjo seinen Einsatz findet. Der Song klingt roh, wird an einigen Stellen durch verhaltene Hintergrundinstrumente (Overdrivegitarre, Slidelicks) gefüllt. Vor allem im Chorus wird der Gesang energisch, die ruppigen Drums schieben, bringen Schwung in den tempomäßig verhaltenen Song.
    One Of These Days (Track #2) klingt nach amtlichem, modernem Slowblues. Das belebteste Element zwischen den stampfenden Drums ist das flockige Hammering auf der Leadgitarre, das sich durch den ganzen Titel zieht. Diese Nummer ist rhythmisch sehr präzise und kann durch ihr Staccato und kleine Akzente das ebenfalls geringe Grundtempo überspielen. Der Gesang ist druckvoll, den solistischen Mittelteil leitet ein Piano ein, neben dem sich ein Slidesolo entwickelt. Der Fünfeinhalbminüter ist episch und entwickelt eine Stimmung ohne Hektik.
    Einer meiner Favoriten ist Seagull (Track #3). Eine leise Westerngitarre spielt das ohrgängige Riff. Es geht in diesem Song um eine Seemöve, die im nebeligen Morgen über die Weiten des Ozeans bis zum Horizont fliegt. Bis, ja, bis sie jemand irgendwann einmal abschiesst. Auch wenn das Arrangement im Chorus breiter wird, ist das bestimmende Element das verträumte Hinterherblicken hinter dieser Möwe, auf die Hoffnungen und Wünsche projeziert werden, musikalisch glaubwürdig umgesetzt. Beim Ausklingen des Schlussakkords sieht man die Möwe vor seinem geistigen Auge beinahe hinter dem Horizont verschwinden. Ein traumhafter Song mit einer netten Hookline im Gesang und vielen Feinheiten.
    Dirt In My Pocket (Track #4) tritt im Intro zunächst breitschultrig auf, kippt allerdings immer wieder ab, besinnt sich auf ein dürres Westerngitarren-Gerüst. Zum Chorus fährt das druckvolle Ensemble auf, das bei geringem Tempo das schmutzige Leben dieses Titels unterstreicht. Es ist wieder einer dieser "versauten" Songs, der vor Durchtriebenheit nur so strotzt.
    Der Titelsong Sloe Gin (Track #5) ist mit über acht Minuten der deutlich längste der Platte. Ganz gemächlich findet nach und nach der Einstieg der Instrumente in diesen langsamen Blues statt. In ständigem Wechsel wandelt der musikalische Schwerpunkt zwischen den hörbar getrennten und wunderbar zusammenarbeitenden Instrumenten. Im Text tauchen Phrasen auf wie "I'm so damn lonely" oder "I feel like I wanna die" und "I hate to go home alone". Mit der textlichen Passage "maybe I've been shut down over stormy sea" taucht noch eine schöne semantische Brücke zu Seagull (s.o.) auf. Ein schönes Highlight wartet kurz nach der Songmitte: man wähnt den Titel schon im Ausklingen, da hört man im Hintergrund auf einmal Samples von Polizeisirenen und Atmosphärengeräuschen, dann berappelt sich das Ensemble und tritt einen dreiminütigen Endspurt an. Ein Titelsong, der seiner Aufgabe sehr gerecht wird!
Ein Live-Fassung gibt es bei YouTube. Der finale Soloteil klingt aufgrund der Tonqualität leider nicht so schön akzentuiert wie bei der Studiofassung
Joe Bonamassa - Sloe Gin ( Live )
    Zügig geht Another Kind Of Love (Track #6) mit leichten Rockakzenten los. Der Song ist locker, etwas schneller und wird unter anderem durch ein quirliges Piano belebt.
    Und dann covert sich Bonamassa in Around The Bend (Track #7) quasi selbst. Den Song kennen wir bereits von der Platte Had To Cry Today (s.u.). Die Unterschiede zur älteren Version sind das Tempo (hier langsamer) und das schlichtere Arrangement. Bei dieser Fassung hört man den einstigen Plan einer Akustikplatte. Auch wenn zweistimmig gesungen wird, leise Hammond- und Pianoklänge diesen Song füllen, der komplett ohne Schlagzeug auskommt, im Grunde sind hier nur ein feinheitenreiches Westernpicking und der weiche Gesang präsent. Diese Form des Songs gefällt mir noch wesentlich besser in ihrem dünnen Country-Outfit.
    Straight bluest Black Night (Track #8) mit kompletter Bandbreite. Die Highlights verstecken sich in dem langsamen Blues wieder gekonnt in feinen Akzenten, ein gebundenes Solo gibts obendrauf. Durch ein konstantes Crescendo legt der Titel nach und nach zu.
    Die Jelly Roll (Track #9) ist einfach ein witziger zweiminütiger Ulk. Bonamassa singt tatsächlich von einem Mann, der die besten Marmeladenröllchen der Stadt backen kann. Einziges Begleitinstrument zum Gesang ist eine gepickte Gitarre. Diese knappe Country-Blues-Nummer ist sozusagen die Vertonung eines Sketches, eine musikalische Fotografie, einfach ein Brüller!
    Mein absoluter Favorit der Platte ist Richmond (Track #10). Auch sein Aufbau zeigt auf den einstmaligen Akustikplan. Zwar slidet im Hintergrund mal eine Gitarre in bester Country-Manier, überfein dosierte Klänge bringen eine Fülle in diesen Song, daß man ehrfürchtig vor Musiker und Produktion niederknien möchte, Schlagzeug und Bass pausieren komplett. Hier singt Bonamassa zusammen mit einer Westerngitarre von Richmond, der Heimat, in der er aufwuchs, dem Ort, den er kennt und an den er sich in diesem Moment wieder zurückwünscht. Das Charisma und die Brillanz dieses Songs grenzen für mich an Zauberei, die ihn zwischen all den anderen sowieso schon tollen Titeln noch mal eine Etage höher heben. Unbedingt anhören!
Zumindest anhören kann man sich den zauberhaften Song bei YouTube:
Joe Bonamassa - Richmond (Audio only)
    Der Finalizer India (Track #11) ist ähnlich konzipiert, gänzlich instrumental. Über schleppende Hintergrundklänge spielt Bonamassa teils orientalische Harmonien, die dominierende Westerngitarre wird so weit auf Edge gespielt (Anschlag mit dem Plektrum ganz weit hinten knapp vor dem Saitenende), daß der Klang trotz der geringen Lautstärke spitz und extrem hart kommt, sich bald wie eine Sitar anhört. Ein Ausklang der anderen Art für ein Bluesalbum!

    Feinste Bluesarbeit und mein absoluter Favorit unter seinen Alben!

You And Me
Typ1 CD / Studio
Jahr2006
LabelMascot Rec
Songs
  1. High Water Everywhere
  2. Bridge To Better Days
  3. Asking Around For You
  4. So Many Roads
  5. I Don't Believe
  6. Tamp Em Up Solid
  7. Django
  8. Tea For One
  9. Palm Trees Helicopters And Gasoline
  10. Your Funeral And My Trial
  11. Torn Down
    Ich eröffne die Rezension einfach mal mit ein paar Gedanken zum äusseren Erscheinungsbild, dem Cover. Denn wie auffällt, gibt es auf der Scheibe keinen Song, der den Titel You And Me hätte. Ich bin mir nicht sicher, ob der Blueser Bonamassa sich und den Zuhörer meint, sich und eine fiktive Person - oder meint er gar die Gitarre, die er eng umklammert auf dem liebesroten Cover anschaut, ohne sich um irgendetwas um ihn herum zu kümmern? Gut, alles Spekulation, ich würde da sogar das absichtliche Spiel mit der Mehrdeutigkeit unterstellen. Aber widmen wir uns konkreterem Inhalten...

    Gleich zu Beginn steht in High Water Everywhere (Track #1) dem Blueser Bonamassa das Wasser bis zum Halse. Mit einem schönen Intro legt der Opener los, in dem eine gesummte Stimme und eine harmonisch begleitende Slideguitar in den Song führen. Das Hauptriff zieht sich monoton durch den Song, die größte Abwechslung bringen Licks der Leadgitarre. Das einheitliche und wenig Überraschung bringende Bild des Hochwasser entfaltet sich auf diese Weise in bester Bluesmanier. Das Zeitmaß ist gut abgesteckt, der Titel ist weder reisserisch, noch kommt bei ihm Langeweile auf.
Diesen Song habe ich beim Konzert am 28.03.2008 in der Zeche Bochum mit Video mitgeschnitten:
Joe Bonamassa - High Water Everywhere ( Live / Acoustic )
    Bridge To Better Days (Track #2) schiebt anschliessend merklich mehr. Das Arrangement ist deutlich dichter: kleine Pianoeinwürfe, ein markanter Bass, mehrere Gitarrenlinien und auf den Punkt gebrachte Drums schieben den Hörer auf die Brücke zur besseren Zukunft. Der Mittelteil bringt ein ausgedehntes Solo, bevor das Songende abermals zum anfänglichen Strophen- und Chorusschema mit gedoppelter Gesangslinie zurückkehrt, um in einem metrisch gedehnten Showdown zu enden.
    In Asking Around For You (Track #3) bekommen wir die erste Ballade. Mit einer deutlichen Bluesnote und Instrumentalpart geht es los. Das Arrangement ist wieder sehr dicht: Klavier und Streicher füllen den Hintergrund, der Bass ist deutlich, das Tempo sehr ruhig, doch durch die Konstanz, die Instrumentenfülle und kleinere Blueslicks, die teils die Gesangslinie umspielen, hat der Song trotz seiner melancholischen Stimmung eine gewisse Kraft. Der Text ist einfach schön. Es wird das verträumt-romantische Bild erdacht "Was passiert, wenn ich mal in den Himmel komme?". Die Quintessenz, die Bonamassa hier ohne großen Schmalz vermittelt: Ich tippe dem ersten Engel, den ich sehe, auf die Schulter und frage, wo ich dich finde. Ohne jede Form der Abwertung kann man diesen Song getrost als "nett" bezeichnen.
    Ein episches Klangpanorama liefert So Many Roads (Track #4) mit Hammond, schleppendem Blues-Dreivierteltakt, dumpfem Bass und merklichem Halleffekt. Mit sieben Minuten wird er zum ersten langen Song der Scheibe. Das Spannungspendel bewegt sich nur langsam mal auf, mal ab. Durch ihre Dauer und Gleichmäßigkeit entfaltet diese Nummer ihr Blues-Charisma, zwingt den Zuhörer, auf jede Nuance genau zu achten.
    I Don't Believe (Track #5) haut kontrastbringend in genau die andere Kerbe. Die Instrumentalisierung und Songaufbau erinnern stark an Rockurväter des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, die versuchen, neben Blues und Jazz mit ihren gerade erfundenen E-Gitarren der ersten Stunde etwas neues zu Schaffen. Walkingbass, Jazz-Piano und schmierige Gitarrensounds umspielen flott das Bluesschema. Hier darf sogar einmal das Klavier solieren, klassische Breaks und Rhythmusakzente perfektionieren den Eindruck dieses charmanten dreiminütigen Anachronismus im Rockabilly-Stil.

    Einsam beginnt die zweite Albenhälfte mit Tamp Em Up Solid (Track #6). Eigentlich gibt es hier nur eine Westerngitarre und den ruhig singenden Bonamassa. Eine Sologitarre spielt noch kurz mit, bei der man die Bottleneck-Slideröhre deutlich hört. Zu Beginn und Ende doppelt die Gitarre die Vocals, ein leichter Hall bringt ein wenig Raumtiefe in dieses nicht einmal zweieinhalbminütige, wirklich zauberhafte Intermezzo.
    Django (Track #7) bricht nicht zu abrupt mit dieser Stimmung, setzt den Vorsong strenggenommen fort, denn der letzte Chord, der den Vorsong beenden würde, erklingt hier. Die Waffen werden allerdings gewechselt, die Gitarre wird wieder elekrtisch. Der Song bekommt ein langes, schwimmendes Intro: im Hintergrund erklingen leichte Akkordtöne der Gitarre, die weder geschlagen noch gezupft werden. Diese Töne bekommt man über minimalste Schwingungen der Saiten, wenn man konstant auf den Corpus der Gitarre schlägt. Es kommt streckenweise die volle Band zum Einsatz, diese Eintracht währt nicht lang. Das lange Outro ist ein sphärisches Ausklingen verschiedener E-Gitarrenspielweisen (Obertöne, die anfänglichen Corpus-Schlagsounds etc.). Daß dieser Titel instrumental ist, habe ich bereits erwähnt? Ach, und gesungen wird überigens auch nicht *grins*. Zusammen mit dem Vortitel ein wirklich gitarristisch wie klangtechnisch eindrucksvoller Doppelpack. Ich persönlich fühle mich beim Hören abermals an einen späten Jeff Beck erinnert. Wem das nichts sagt oder wer sich dafür nicht interessiert -- egal, ändert an der Wirkung des Titel nichts.
    Der Tea For One (Track #8) ist mit neuneinhalb Minuten der längste Titel der Scheibe. Ein langsamer und trottender Blues mit dichtem Arrangement (es sind wieder Streicher im Hintergrund dabei), der in seinem Hall-Panorama und langsamen Trott einige Tristesse breitmacht. Nun, der Songtitel hört sich schliesslich nicht nach Party an! Dieser Longtrack bekommt seine treibenderen Parts und Instrumentalstellen, die für Bewegung und Abwechslung sorgen. Langeweile kommt nicht auf.
    Palm Trees, Helicopters And Gasoline (Track #9) ist wieder so ein instrumentales Intermezzo, nicht einmal zwei Minuten lang. Bei diesem Titel zeigt Bonamassa abermals in erschreckender Deutlichkeit, was er technisch aus einer akustischen Klampfe zaubern kann. Der Songtitel? Ich bin ratlos, aber irgendwie muss man den Song doch nennen *grins*!
    Your Funeral And My Trial (Track #10) ist ein flotter Dreiminüter in zügigem Tempo, mit Hammondorgel, Harpklängen, hüpfendem Bass und jeder Menge guter Laune neben dem Bluesigen. Auf mich macht er einen leicht hämischen Eindruck: begreift hier ein lyrisches Ich etwa die Beerdigung eines anderen Menschen als seine Chance?! Welche Intention man aus Titel und dem Text ziehen mag, zum musikalischen Eindruck passt das jedenfalls. Ein Trauermarsch klingt anders.
    Der Abschlußsong Torn Down (Track #11) hämmert sehr gradlinig seine viereinhalb Minuten durch, hat swingartige Einwürfe durch das Klavier, kleinere B-Parts und zwei überlappende Stimmspuren. Wirklich atemberaubend ist die Nummer nicht, rundet das Album aber passend ab.

    Gewohnt solides Blueswerk mit gitarristischen Finessen.

Had To Cry Today
Typ1 CD / Studio
Jahr2004
LabelMascot Rec
Songs
  1. Never Make Your Move Too Soon
  2. Travellin' South
  3. Junction 61
  4. Reconsider Baby
  5. Around The Bend
  6. Revenge Of The Ten Gallon Hat
  7. When She Dances
  8. Had To Cry Today
  9. The River
  10. When The Sun Goes Down
  11. Faux Mantini
    Ach, da musste heute jemand weinen? Das will uns zumindest der Albentitel weismachen. So weit, so Blues. Werfen wir doch einen detailierten Blick auf diesen musikalischen Tagesrückblick der Tristesse und prüfen, ob das Werk hält was man uns verspricht.

    Mit einem markigen Gitarrenriff steigt Never Make Your Move To Soon (Track #1) ein, eine schmierige Hammond, ein beschwingt hüpfender Bass und heiter-flotte Drums gesellen sich schnell dazu. Auch wenn deutliche Bluesharmonien erkennbar sind, eigentlich dominiert hier altbackener Rockstil. Der Gesang ist druckvoll und energisch, ein straightes Solo zimmert mitten in den Song. Die ganze Sache hört sich treibend und mitziehend an.
    Ein Hauch mehr Blues bringt Travellin' South (Track #2) mit, die Harmonien und der Walkingbass werden von einer stylischen Slidegitarre unterlegt. Für den tristen Blues an sich ist das Tempo jedoch deutlich zu hoch, bei dieser tonalen Reise in den Süden schimmert viel zu viel gute Laune und Hoffnung auf die sonnigen Gefilde durch. Wie schon der Opener ein runder Vierminüter, der in Windeseile an einem vorbeirauscht.
    Jetzt endlich gibt es einen Funken Tristesse in Junction 61 (Track #3). Aber was ist das? Jedenfalls nicht, was man üblicherweise unter einem Song versteht. Diese Nummer ist soooo feingliedrig, hauchzart - und kurz. Gerade einmal fünfundvierzig Sekunden schwimmen sphärische Akkordklänge in einander, das Schlagzeug bedient lediglich ganz weit hinten im Klangraum mit ein paar Beckenschlägen das Panorama. Zentrum dieses Titels ist eine zauberhafte Sologitarre, die sich weich, filigran, mit dünnem Overdrive- und Hall-Effekt unterlegt, völlig unspektakulär durch die kurze Spanne des Songs windet. Wer einmal grandiose Feinarbeit in Vollendung an der Gitarre hören will, sollte sich diesen Track gönnen - und das LAUT!
    Das runterregeln der Lautstärke vor Reconsider Baby (Track #4) sollte man nicht verschwitzen *grins*. Zur Not bekommt man aber genügend Reaktionszeit, denn dieser Song gleitet in derselben Stimmung weiter. Eine flötende Leadgitarre leitet ein, der Bass ist markant und deutlich, eine Hammond orgelt sich dazu, das Tempo ist wirklich getragen und schwermütig. Viele kleine Leadgitarreneinwürfe in bluesigsten Skalen untermalen die Tragik des Liedes, bereiten den Weg für ein streckenweise zügiges Solo. Mit beinahe sieben Minuten Dauer ein herrlicher Titel im klassischen Bluesgewand.
    Zur Halbzeit wird es mit Around The Bend (Track #5) nochmals ein wenig belebter und heiterer. Die Drumline präsentiert sich im Stil eines Marsches, recht unüblich eigentlich. Zusammen mit der Westerngitarre und dem Restarrangement merkt man allerdings schnell, wo das musikalisch hinführen soll: ein merklicher Hauch von Country zieht ein. Ja, und wohin führen uns die Lyrics des Titels?! Na, hinter die nächste Kurve auf der einsamen Landstrasse. Einfach mal herausfinden, was hinter dieser Kurve so los ist. Ein schöner und unspektakulärer Fünfminüter, der mit seinem langsamen Fadeout tatsächlich den Eindruck einer kleinen Entdeckungstour vermittelt.

    Scheinbar sind wir mit dem Vorsong behutsam vorbereitet worden, denn Revenge Of The Ten Gallon Hat (Track #6) ist sowas von Country! Was will uns der Songtitel denn sagen - zumal die Nummer auch noch instrumental ist und keine weisheitvermittelnden Texte kommen? Bonamassa atzt sich über die nicht einmal drei Minuten und die zügige Countrystimmung dermaßen einen auf seiner Klampfe ab, daß bei diesem Titel nur ein Schluss für mich bleibt: am imaginären Vortag gab es eine zünftige Feier in der Prärie, und der arme Kuhjunge erwacht am nächsten Morgen mitten im Gebüsch mit einem Riesenschädel vom billigen Fusel, der ihn nahzu in den Wahnsinn treibt. Aber das ist mein persönlicher Eindruck. Wer sich einen eigenen machen möchte, sollte sich diesen rasanten Galopper ein-, zweimal durchziehen.
    Wir bleiben in der Prärie, auch wenn When She Dances (Track #7) ein gänzlich anderes Kaliber darstellt. Der Song ist ruhig, ja beinahe schmalzig, ist abermals durch Countryklänge dominiert. Von der Dramaturgie her könnte er fast ein Vorspiel zum Prärie-Kater sein. Textlich dreht sich diese wunderschöne Ballade um einen Er, der eine Sie tanzen sieht und davon so verzaubert ist, daß er für einen Moment die Zeit stehenbleiben glaubt. Das Arrangement ist ebenso dünn wie das Tempo getragen ist, sein Ende findet der langsame Tanz in einem Flageolett-Hüpfer der ruhigen Leadgitarre. Wer eine brillante und charismatische Ballade im Countrystil sucht: dieser Titel tut es auf jeden Fall. Einfach grandios!
    Und es kommt der Titelsong Hat To Cry Today (Track #8), mit dem wir zurück zum astreinen Bluesrock kommen. So schön das Wechselspiel aller Harmonien, Parts und des Drive ist; die Dominanz liegt vor allem beim Basslick. Um diesen dreckigen Basslauf dreht sich alles bei diesem Titel. Mal läuft die Gitarre harmonisch mit, mal wandert sie auf eigenen Pfaden, um letztlich doch wieder von der unüberwindlichen Schwerkraft des Basses geschluckt zu werden. Nach und nach kommen immer mehr Fahrt und Rock ins Leben des Songs, sein Grundkonzept verliert er jedoch nie. Wenn hier - laut Titel - also jemand mal heute geweint haben sollte: von Trauer bleibt nichts, vielmehr ist es der (musikalisch großartige) Wutausbruch danach. Jedenfalls zeigt dieser Song, wie ein einziges Bassthema übelst versaut klingen kann! Wer noch eine Steigerung dieses akustischen Eindrucks will, womöglich den passenden bildlichen Eindruck für den vollkommenen Kick braucht: auf DVD Live At Rockpalast wird der Porn-Style mit Basser Eric Czar auch optisch zelebriert, daß Woodstock dagegen wie ein Kleinkindergeburtstag wirkt...
    The River (Track #9) wird zum letzten längeren Song des Albums. Was leicht und verhalten mit ein paar Westerngitarrenlicks startet, pickt sich langsam in Rage, bevor es über das volle Blues-Sortiment (Overdrivegitarre, Slideröhre, Bluesharp) zu einem kraftvollen Strom auswächst. Noch einmal wird fünfeinhalb Minuten amtlich, klassisch abgebluest.
    Kurz und gut kühlt When The Sun Goes Down (Track #10) ein wenig runter, auch wenn das Tempo relativ hoch ist. Sein Arrangement ist nicht mehr so kompakt, die E-Gitarre, die mal über die harmonierende Westernklampfe brät, mal wieder slidet, abermals von einer Harmonika umspielt wird, ist nicht mehr so vordergründig. Dieser nicht mal dreiminütige Sonnenuntergang ebnet den Weg zum Ende des tränenreichen (?) Tages.
    Das Gutenachtlied heißt in diesem Fall Faux Mantini (Track #11), bringt es knapp auf zweieinhalb Minuten - und ist wieder ein schlagender Beweis für "auf die Länge kommt es nicht an". Der Abschlusstitel ist instrumental, besteht nur aus zwei Westerngitarren, die räumlich deutlich getrennt sind. Auf das linke Ohr gibt es die Schlaggitarre, die monoton ein Riff drischt, dies allerdings mit beängstigender Präzision. Den rechten Gehörgang durchfluten irrsinnige Läufe, man glaubt beinahe Anleihen beim Flamenco zu vernehmen. Letztlich ein rasanter Flitzer, einstimmiger Grundchord, und Augen zu und träum gut. Ein schönes Ende.

    Aufsatzthema völlig verfehlt, trotzdem Note: sehr gut!

Blues Deluxe
Typ1 CD / Studio
Jahr2003
LabelUsa (Megaphon Importservice)
Songs
  1. You Upset Me Baby
  2. Burning Hell
  3. Blues Deluxe
  4. Man Of Many Words
  5. Woke Up Dreaming
  6. I Don't Live Anywhere
  7. Wild About You Baby
  8. Long Distance Blues
  9. Pack It Up
  10. Leftovers
  11. Walking Blues
  12. Mumbling Word
    Die Platte beginnt mit You Upset Me Baby (Track #1) gemäßigt flott, bassbetont und mit einer Songdauer von etwas mehr als drei Minuten erfaßbar. Ein guter Aperetif eben.
    Der erste große Klops läßt jedoch nicht lange auf sich warten; Burning Hell (Track #2) steigt mit einem höllischen (Entschuldigung für das platte Wortspiel!) Picking und Silderöhrensound ein. Nach einem verhaltenen ersten Drittel stapelt sich der Sound über ein Crescendo immer wieder zu einer Bluesrock-Orgie auf. Gesang, Slide-Sound auf der Gitarre, durchgehender Bass und Bluesharp im Hintergrund spielen sich und Zuhörer in einen dicken Rausch, der mit annähernden sieben Minuten die Zeit bekommt, die er braucht um zu wirken.
    Wie bei der Debüt-CD fällt auch auf dieser Scheibe dem Titelsong Blues Deluxe (Track #3) die dritte Position zu. Was der Songtitel verspricht, hält dessen Inhalt. Es geht mit einem langsamen Bluespicking los, die erste Songzeile lautet: "dont know too much about love baby". Es folgen Einsames-alleine-im-Zimmersitzen besingen, weitläufige insturmentale Stellen mit viel Solo- und Riffarbeit, begleitet von konstantem Bass und Drums. Ein bluesy-bitter-süßer Song, der sich nur an wenigen Stellen einen kleinen Rockeinschlag gönnt. Mit über sieben Minuten Dauer eine deutliche Duftmarke.
    Natürlich muß mit Man Of Many Words (Track #4) wieder ein schnellerer Stimmungsheber gegen den Blues inside folgen... Kommt!

    Das erste Drittel ist durch, das zweite startet mit Woke Up Dreaming (Track #5). Ein mörderisches Intermezzo; dieser unter drei Minuten bleibende Quicky erzählt von jemandem, der träumend erwacht, sich sterbend wähnt, den Teufel trifft und mit ihm ein kleines Pläuschchen abhält. Wären bei dem Inhalt auch düsterste Deathmetal-Sounds gut denkbar, ist hier genau das Gegenteil der Fall. Zu hören sind nur wahnsinnig gezupfte Westerngitarre und Bonamassas Stimme. Den Drive nimmt der Song alleine aus dem rasenden Picking, brillantesten Feinheiten in Spiel und Stimme, -- und seiner Kürze.
Diesen Song habe ich beim Konzert am 28.03.2008 in der Zeche Bochum mit Video mitgeschnitten. Die Tonqualität ist mäßig, darfür gibt es eine längere Songfassung mit atemberaubendem Endsolo. Auf meinem YouTube-Cannel:
Joe Bonamassa - Woke Up Dreaming ( Live / Acoustic )
    Zeit, um von dem Trip runterzukommen, bietet I Don't Live Anywhere (Track #6) alsbald. Ein wenig Bass, ein paar ruhige Hammond- und Gitarrensounds holen den Hörer zurück ins Leben. Auch die folgenden Songs Wild About You Baby (Track #7), Long Distance Blues (Track #8) - der entgegen seinem Titel deutlich unter vier Minuten bleibt - und Pack It Up (Track #8) geht das Bluesrockerleben wieder seinen anständigen Gang...

    Natürlich will man sich bei den drei Abschlußtracks des Albums nicht lumpen lassen! Leftovers (Track #10) zieht gleich mit einem deutlichen Walkingbass los. Abwechselnd duellieren sich eine dreckige Hammondorgel und die Gitarre, die zwischen Riffing und kurzen Soloparts wechselt. Ein schöner dreiminütiger Instrumental-Anheizer für den Ausklang des Albums.
    In Walking Blues (Track #11) treffen sich abermals Slidegitarre und Bluesharp zu einem Stelldichein. Die Vokals treten hier oft in den Hintergrund, um dem Duo Raum zur Entfaltung zu geben.
Diese Scheibe endet in Mumbling World (Track #12) genau anders als das Vorgängeralbum; gab es da noch den schmissigen Cliffhanger, bekommt man hier einen schönen Cooldown. Der Song bluest einen mit einer slidegespielten Westerngitarre und gleichmäßig sanftem Gesang hinaus.

    Ein perfekt durchstrukturiertes und abwechslungsreiches Bluesrockwerk.

So, It's Like That
Typ1 CD / Studio
Jahr2002
LabelMascot Rec
Songs
  1. My Mistake
  2. Lie Number One
  3. No Slack
  4. Unbroken
  5. So, It's Like That
  6. Waiting For Me
  7. Never Say Goodbye
  8. Mountain Time
  9. Pain And Sorrow
  10. Takin' The Hit
  11. Under The Radar
  12. Sick In Love
  13. The Hard Way
    Mit einem einsamen Westerngitarrenriff steigt My Mistake (Track #1) ein. Drums, der deutliche, jedoch nicht zu aufdringliche, Bass und eine mittelmäßig angezerrte E-Gitarre stellen sich kurz danach ebenfalls vor. Zur ersten Strophe fährt das Arrangement wieder auf einen rudimentären Pegel zurück. Bonamassa singt zunächst rauchig-nostalgisch von "seinem Fehler", zum Chorus wird die Fülle der Instrumente dichter, zusammen mit dem Gesang wird leichter Drive erzeugt. Immer wieder flacht die Stimmung aus, wechselnde Parts beleben das Songbild, letztlich sorgt ein den Song komplett durchlaufendes Crescendo für ein flottes Ende für diesen ausgewogenen Opener der Platte.
    Lie Number One (Track #2) läßt gleich zu Beginn hören, daß mehr "Dirt inside" drinsteckt. Musikalisch zelebriert der Titel die durchtriebene Verlogenheit einer Frau, die dem unerfahrenen lyrischen Ich des Songs scheinbar so manchen unerwarteten Streich gespielt hat. Ebenso wie der textliche Inhalt sich um eine Hassliebe windet, kämpft sich die instrumentale Linie durch ein im Gros markiges Riffing mit deutlich getrennten Instrumenten. Trotz des einheitlichen Songbildes warten immer wieder kleine Veränderungen und Überraschungen.
    In No Slack (Track #3) bekommt der Hörer eine deutlichere Portion Blues aufs Ohr. Eine WahWah-Gitarre eröffnet den Song, eine (fast) cleane Schlaggitarre bildet zusammen mit einem verhaltenen Bass die Basis, über einige Parts arpeggiert eine Tremologitarre im Hintergrund, zum B-Part vor dem Solo erklingt weit hinten im Songraum eine Hammondorgel. Der Fünfminüter fliesst schön und rund am Ohr vorbei.
    Beinahe schon poppig präsentiert sich Unbroken (Track #4). Sein Tempomaß liegt wieder ein wenig höher als beim Vorsong, das Arrangement könnte auch ohne weiteres von einer Softrock-Combo kopiert sein. Der Titel hat viele schöne harmonische Phrasen, kürzere Soloparts und eine gut zu Ohr gehende Gesangslinie, die ihn zu einem meiner Favoriten des Albums machen.
    Der Titelsong So, It's Like That (Track #5) ist ein straightes Bluesrock-Häppchen, er bringt es zeitlich nicht einmal auf drei Minuten. Das Hauptriff der Gitarre und der walkende Bass machen unvermittelt die Marschrichtung des Songs klar. Die textlichen Inhalte, die mit der instrumentalen Stimmung wunderbar übereinstimmen, könnte man am ehesten mit einem resignierten Schulterzucken und "naja, so ist es eben" beschreiben, auch wenn das Tempo des Titels noch einen Rest Kampfeswille oder Mut der Verzweiflung vermittelt. Ein So-ist-es-halt ohne merkliche Überraschung, denn wie ist die folgende Textzeile, die erst klarstellt, warum es hier geht: "how easy it is, you break my heart again". Zu der Kürze, dem Drive und der Stimmung gibt es ein brillantes (gerade weil nicht zu dick aufgetragenes) Solo, und wir haben einen wirklich tollen Titelsong für das Album, zu dessen Wahl und Konzept man nur gratulieren kann!

    Es folgt eine wirklich zauberhafte Songperle, die sich auch thematisch an dieser Stelle gut macht: Waiting For Me (Track #6). Der Titel ist wieder belebt und leicht quirlig, ist dabei zuckersüß und verspielt. Seine Quintessenz ist "vielleicht bin ich schwachsinnig, diesem Traum hinterherzujagen, aber ich glaube, daß bessere Zeiten auf mich warten". Der Song perlt in seinem unglaublichen Positivismus beinahe vier Minuten, zieht den Hörer einfach mit. Neben seiner feinen Balance glänzt er mit gut eingestreuten Pianoläufen und Finessen wie Banjoklängen, die ihn leicht in die Country-Sparte ziehen.
    Auch Never Say Goodbye (Track #7) hält sich in diesem Genreraum, auch seine Klänge erinnern eher an Country als an Blues. Sein Intro besteht aus einer gezupften Westerngitarre, in die Hammond, Bass und Drums einsteigen. Die instrumentalen Veränderungen im Songverlauf sowie die Arrangementwechsel passieren immer nach und nach, so daß der Titel eine sehr kompakte Struktur behält, keine abrupten Sprünge durchläuft.
    Mein absolutes Highlight Mountain Time (Track #8) scheint einen Bogen zum Bluesrock zurück zu suchen, hat aber nochmals viele Elemente, die an Country anknüpfen. Er ist eine flotte und zauberhafte Liebeshymne, die zwischen der nostalgischen Countrystimmung und dem tragisch-druckvollen Bluesrock tänzelt. Neben der immer wieder wechselnden Fieberkurve der Instrumentenlinie erfreut ein markiger Gesang mit schönen Hooklines, natürlich darf das passende Solo nicht fehlen! Eigentlich lernte ich den Song zunächst in einer anderen Version lieben, da Bonamassa in live in gänzlich anderer Form mit langem und kunstfertigem E-Gitarren-Intro präsentiert (wie auf der DVD Live At Rockpalast). Auch wenn zwischen diesen unterschiedlichen Fassungen Welten liegen, sind beide überaus hörenswert!
Zu diesem Song gibt es ein Live-Video bei YouTube.
Die Tonqualität ist mäßig, aber das tut dem Song ja keinen Abbruch...
Joe Bonamassa - Mountain Time (Live In Paris 2007)
    Zu Pain And Sorrow (Track #9) machen wir nun einen endgültigen Sprung zurück zum Bluesrock. Mit seinen zehneinhalb Minuten ist dieser Titel zeitlich der deutliche Überflieger der Platte. Schon sein charismatisches Intro aus flötenden und rückkoppelnden Gitarrenklängen bekommt ordentlich Raum. Die Gitarre ebbt zunächst wieder ab, dafür steigt ein harter Slapbass ein. Der Titel bleibt an vielen Stellen eckig und kantig, fügt sich aber zu einem fesselnden Feuerwerk aus Tragik und Druck. Wer einmal hören will, wie der Gitarrero sich ohne stumpfes Posing an der Elektroaxt austobt, ist mit diesem Titel bestens beraten.
    Takin' The Hit (Track #10) komprimiert diese Elemente wieder auf normale Songlänge, er fährt mit Druck, rhythmisch schönem Riffing und subtiler Aggression auf. Ein Song, der in diesem Musikgenre schon bald zum Headbangen einlädt *grins*.
    Under The Radar (Track #11) legt mit einem Intro aus oktavierten Gitarrenriffings los, Clean- und Westerngitarre bilden anschliessend das Fundament. Dieser Song lebt von seinen Spannungsbögen und kleinen Spielereien wie oktavierten Gesangslinien, ein kurzes aber nettes Intermezzo.
    Auch Sick In Love (Track #12) bleibt unter dreieinhalb Minuten, sein Riffing ist straight, die Nummer geht schnell ins Ohr. Highlights sind B-Parts, in denen das Arrangement merklich ausdünnt, und das wahwah-unterlegte Solo zur Mitte des Songs.
    Der Abschluß The Hard Way (Track #13) gestaltet sich mit knappen acht Minuten weitläufig und ohne Hektik. Der Gag an der Nummer ist, daß der eigentliche Song mit seinem Hauptriff, das man gerade im Ohr hat, nach etwas mehr als vier Minuten endet. Ein paar Sekunden Stillen - und jetzt?! Jetzt setzen sphärische Gitarrenklänge ein, schwimmen durch einander. Die deutlichen Drums und der Bass verstärken den Eindruck einer Lounge-Fusion-Stimmung, Bonamassa wirft einige Textbröckchen ein, und oft weiss man nicht; singt er noch oder spricht er mit sich selbst? Alles in allem eher Klänge und Stimmungen, wie man sie von einem späten Jeff Beck erwarten würde. So überraschend dieser Ausflug kommt, so überzeugend und ungestellt wird er gemeistert. Nun, alles andere hätte mein Weltbild schwer ins Wanken gebracht *grins*...

    Abwechslungsreiche Pendelbewegungen rund um den Zenit Bluesrock!

New Day Yesterday
Typ1 CD / Studio
Jahr2000 / 2005
LabelSm Import (Sony BMG)
Songs
  1. Cradle Rock
  2. Walk In My Shadows
  3. New Day Yesterday
  4. I Know Where I Belong
  5. Miss You, Hate You
  6. Nuthin' I Wouldn't Do (For A Woman Like You)
  7. Colour And Shape
  8. Headaches To Heartbreaks
  9. Trouble Waiting
  10. If Heartaches Were Nickels
  11. Current Situation
  12. Don't Burn Down That Bridge
  13. Miss You, Hate You
    Ein paar zügige Riffs, ein paar sofort mit einsetzende Drescher auf der Schiessbude und ein markiger Bass, nach wenigen Riffdurchläufen kommen die Vocals hinzu; die Scheibe geht mit Cradle Rock (Track #1) medias in res. Diesen Opener des Debüt-Albums nutzte Bonamassa angeblich auch Jahre lang als Konzerteröffnung. Warum auch nicht? Man weiß gleich, womit man musikalisch konfrontiert ist. Der Song geht recht straight durch. Der zweite Song (Walk In My Shadows) orientiert sich ein wenig verspielter und bluesiger als der rockige Opener.
    Es folgt der Titelsong des Albums: New Day Yesterday (Track #3), der als gewählter Namens-Pate einen gewissen Aushängeschildfaktor aufweisen sollte. Das dreckig-bluesige Gitarrenriff alleine ist für mich schon ein bluesrock as bluesrock can. Bonamassas Stimme fährt auf volle Leistung, abwechslungsreiche Rhythmusparts und ein phates Bluessolo krönen den Track. Und was will der Musiker uns im Titelsong mitteilen? Die titelgebende Zeile im Refrain lautet: "It was a new day yesterday, but it’s an old day now". Im Speziellen bezieht sich das (natürlich!) auf eine Frauenbekanntschaft, und doch spricht es für die Vergänglichkeit, die dahinrasende Zeit; was gestern noch neu war, ist heute schon ein alter Hut -- aber ich will mich hier nicht zu doll ins Geschwafel hineinsteigern. *grins* Jedenfalls: das Aushängeschild ist meiner Meinung nach vollkommen gelungen.
    Mit I Know Where I Belong (Track #4) geht es zügig - aber ein wenig verspielt und groovy - weiter, der Song ist sololastiger und hat feine Bass-Parts, die das Runout-Solo der Gitarre unterstützen.

    Mit Miss You, Hate You (Track #5) kommt die Reise zur ersten Rast -- Zeit zu verschnaufen. Auch diese Version (mehr dazu gegen Ende der Rezension) ist ein reines Juwel. Man muß wohl von einer Ballade sprechen. Jedoch ist von Schmalz und übertriebener Theatralik keine Spur. Ein eingängiges Riffing bestimmt die Strophe, Bonamassas Stimme bügelt den entsprechenden Text (man mag ihn anhand des Songtitels erahnen!) über den Song wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Immer wieder gibt es kleine Soloeinlagen, schöne Drummshuffles und Atempausen in Rhythmusbreaks. Die Chorusmelodie ist einfach und einfach gut. Leider wird der Song hier mit einem kurzen Fadeout-Solo beendet... Auch so eines der Highlights der Scheibe!
    Mit Nuthin' I Wouldn't Do (For A Woman Like You) (Track #6) geht es gleich wieder sportlich weiter, das Ende ist bassbetont und ohne Schnörkel. Die sieben (Colour and Shape) ist zunächst wirklich ruhig, glänzt durch eine melancholische Stimmung. Nahtlos fliessen unterschiedliche Gitarrensounds (leicht verzerrte E, schöne akustische Klänge) mit teilweise zweistimmigen Vokals ineinander. Kurz vor Ende gibt es ein merkliches, jedoch nicht die Grundstimmung zerhackendes, Crescendo, das wieder abkühlt. Das Ende des Songs besteht aus einem wunderbaren Akustik-Picking.
    Langsam nimmt die Reise wieder Fahrt auf mit Headaches To Heartbreaks (Track #8), es groovt wieder deutlicher. Eine schöne Vorbereitung auf den wunderbaren Walkingbass, der Troublewaiting (Track #9) einleutet. Gerade der Bass bestimmt diesen Song, unterstützt von einer schön gezupften Gitarre. Der Song hat auch wieder Raum für mehr Soloarbeit, bleibt ingesamt immer flott, Bonamassas Stimme nimmt Bluesnuancen und Druck auf.

    Es flogt mit If Heartaches Were Nickels (Track #10) abermals ein ruhiger Song. Ein weiteres Highlight, weil sich Bonamassa hier besonders im Gesang bis an die Grenze austobt -- der Songtitel läßte erahnen, daß Weltschmerz gepaart mit Wut der Verzweiflung zu vermitteln sind, ein besonders schönes und abwechslungsreiches (etwas *hüstel!* längeres) Solo rundet diesen Song ab. Mit nahezu acht Minuten handelt es sich um den längsten Song des Werkes, aber er hat es sich verdient!!!
    Current Situation (Track #11) hoppelt gleich so gutgelaunt in die Bresche, daß es einen sofort mitzieht; der eben noch überschwemmende Weltschmerz scheint schon wieder vergessen.
    Eigentlich ist die Reise mit Don't Burn Down That Bridge (Track #12) - so oder so (mehr dazu gleich; jetzt ist es nicht mehr weit!!!) - zu Ende. Von einem verdienten Abkühlen ist jedoch keine Spur zu finden. Der Song strotzt nochmals vor Energie und Drive. Statt einem Kofferauspacken am Reiseziel gibt es also den Cliffhanger, der einen gespannt auf neue Werke macht.

    So, jetzt endlich sind wir da: bei der mehrfach angesprochenen Aufschubstelle. Denn für Unglückseelige ist das Album hier wirklich beendet. Der letzte Track (Miss You, Hate You), den wir bereits kennen, wurde erst auf spätere Re-Releases des Albums dazugegeben. Es handelt sich um die ungekürzte Fassung des Songs. Zum einen wird hier kein Solo aufs Übelste gekappt, zum anderen gibt es bei dieser Version noch weibliche Vocals im Chorus dazu, die den Song an den passenden Stellen voluminös Auffüllen.
    Leben kann man sicher mit der Scheibe auch ohne diesen Bonustrack (oder sollte man bei der verstümmelten Version eher von einem Malustrack sprechen?!), doch im Garten Eden ist er das kühle Bierchen im Schatten des Apfelbaums... *grins!*

    That's bluesrock, folks. Ein wirklich prachtvolles Debütalbum!

Joe Bonamassa : DVD

Joe Bonamassa Live From The Royal Albert Hall
Typ2 DVD / Live-Konzert
Jahr2009
LabelRough Trade Distribution GmbH
DVD • Bildformat: PAL 16:9 / 1.77:1
• Tonformat: Dolby Digital 2.0 Stereo, Dolby Digital 5.1
• Sprachen: Englisch
• Regionalcodes: alle
• Spieldauer: 130 Minuten
Tracks DVD -1-
  1. The Road To The Royal Albert Hall
  2. Django
  3. The Ballad Of John Henry
  4. So It's Like That
  5. Last Kiss
  6. So Many Roads
  7. Stop!
  8. Introducing Eric Clapton
  9. Further On Up The Road
  10. High Water Everywhere
  11. Sloe Gin
DVD -2-
  1. I First Met B.B. King
  2. Lonesome Road Blues
  3. Happier Times
  4. Introducing Paul Jones
  5. Your Funeral My Trial
  6. Blues Deluxe
  7. Story Of A Quarryman
  8. The Great Flood
  9. Just Got Paid
  10. Mountain Time
  11. Asking Around For You
    Auf dieser DVD geht es bedeutend anders zu als auf der etwas älteren Live At Rockpalast (s.u.) aus 2006. Kein schnuckeliges und privat anmutendes Stelldichein, sondern der Auftritt vom 4.Mai 2009 in der großen und bis auf den letzten Platz ausverkauften Royal Albert Hall. Wegen der Größe des Events läßt sich der Bluesrocker auch nicht lumpen, was seine Entourage angeht: neben seiner üblichen Stammbesetzung aus Carmine Rojas (Bass), Rick Melick (Keyboard) und Bogie Bowles (Drums) stehen die Gastbläser Lee Thornburg (Trompete), Sean Freeman (Saxophon) und Mike Feltham (Posaune) mit auf der Bühne. Ausserdem wurde für den Auftritt als Zweit-Drummer (!) Anton Fig an eine weitere Schiessbude gesetzt. Für einen Blueser eine ziemlich gewagte und poserverdächtige Entscheidung, aber die zwei Schlagzeuger spielen makellos wie ein Uhrwerk zusammen, so daß ihm dieser Klotz verziehen sein mag.
    Zumal sich die Sache ganz langsam und bescheiden aufbaut. Nach dem Start der DVD sehen wir einen lockeren und freudigen Joe Bonamassa, der am Tresen einer Bar in wenigen Worten zu beschreiben versucht, wie und warum er seinen Weg so gegangen ist. Einige Kindheitsfotos fliessen durchs Bild, im Hintergrund erklingen schon Phrasen aus dem instrumentalen Opener Django (DVD #1, Track #2). Wir sehen noch Familie Bonamassa (beide Eltern und die Schwester) im Taxi kurz durch London fahren. Und man kann wohl nur ansatzweise erahnen, wie lang und arbeitsreich der wirkliche Weg des Musikers Joe Bonamassa vom staunenden Jungen vorm Fernsehschirm bis hin zu dieser ruhmesträchtigen Konzerthalle gewesen sein mag.
    Wir sehen dem Blueser noch ein paar Sekunden backstage beim Warmspielen zu, bevor er mit Jacket, Sonnenbrille und goldener Gibson Les Paul auf die Bühne geht. Besonders schön finde ich die durchgehende Atmosphäre aus Vorspiel mit Hintergrundmusik bis hin zum tatsächlichen Spielen desselben Songs als Opener. Es folgt der Titelsong des damals frischen Albums The Ballad Of John Henry (2009) [s.o.] mitsamt kleinen Spielereien an dem aussergewöhnlichen Synthesizer Theremin, nach dem instrumentalen und charismatischen Eröffnungssong ist das nun der große Paukenschlag, der einen medias in res treibt. Aber keineswegs ufert das Konzert zu einer Promotion der aktuellen Scheibe aus, sondern hält sich an den bewährten Wechsel aus Livefassungen von Songs aller Alben, wie schon der folgende Griff in die "Mottenkiste" mit So It's Like That (DVD #1, Track #4) zeigt.

    Nach einem tragisch-shuffelnden Stop! (DVD #1, Track #7), das ebenfalls vom damals aktuellen Album kommt und in dem sich die Hintergrundbläser wirklich hervorragend machen, erwartet uns quasi schon das Highlight der Show - von den vielen wunderbaren Songs natürlich mal abgesehen. Das große Vorbild des Bluesers, der on stage aber auch in einem einspielten Interviewteil nochmal explizit darauf hinweist, betritt mit türkisener Fender Telecaster unter freudigem Applaus die Rampe: Mister Eric "Slowhand" Clapton. Bei dem heiteren Duett Further On Up The Road (DVD #1, Track #9) der beiden werden über treibende Beats, wuchtige Bläser und wabernde Hammondorgel (für meinen Geschmack hier etwas zu laut) wirklich alle Register gezogen, die das Ensemble an diesem Abend bieten kann.
    Auch nach diesem heiteren Feuerwerk lässt der Gig keinesfalls nach, denn es kommt der einzige Song des Abends mit akustischer Westerngitarre: High Water Everywhere (DVD #1, Track #10). Die Nummer ist ein Klassiker bei allen Auftritten von Joe Bonamassa. Hier kann er sich leider nicht so frei in klassische Harmoniespielereien verrennen wie sonst, dafür gibt es den Song, den der Bluesrocker eigentlich immer solo performt, hier mit stampfenden Marschrhythmen unterlegt. Sehr schöne Abwechslung!
    Die erste Scheibe schließt wunderbar zur Halbzeit mit dem emotional fesselnden und schwermütigen Titelsong der Vorplatte Sloe Gin (2007) [s.o.], der durch eine zauberhafte Spannungskurve unzähliger Crescendos und Abkühlphasen sowie mehrere Soloparts auf dem Album wie live on stage einfach toll ist.

    Daß die zweite Scheibe wie die erste mit ein paar Brocken Interview und Backgroundinfos anfängt, ist sicher ein kleiner Tribut an die Gleichstellung der zwei DVDs untereinander. Ich finde es jedoch ein wenig befremdlich, wenn man beide hinter einander sehen will und nach dem tollen Showdown der ersten DVD hier merklich aus dem Konzertfeeling rausgezogen wird. Zumal die Hintergrundinfo über das frühe Zusammentreffen mit der lebenden Blueslegende B.B.King zwar eine Referenz ist, aber für dieses Konzert keine Rolle spielt. Immerhin soll besagter Bluesgigant auf dem kommenden Album Black Rock (2010) [s.o.] bei einem Song gastmusizieren... Dennoch hätte ich dieses kleine Inforama bei dem Bonusmaterial besser aufgehoben gefunden.
    Wenigstens geht es mit Lonesome Road Blues (DVD #2, Track #2) und dem schwermütig-wuchtigen Happier Times (DVD #2, Track #3) relativ zügig und straight wieder auf die Musikschiene. Nun gastiert noch ein weiterer Musiker: der Bluesharpspieler Paul Jones verpasst - trotz seiner ziemlich hellhäutigen Farbe - dem schelmisch bitterbösen und stampfenden Your Funeral My Trial (DVD #2, Track #5) noch eine zusätzliche Prise Delta-Blues. Die Harp macht sich schon im "normalen" Songverlauf sehr gut, mündet in einem verspielten und intimen Finaldialog zwischen rauchiger Mundharmonika und phrasierender Leadgitarre. Toll!
    Der große Zieleinlauf besteht aus dem rotzigen ZZ-Top-Cover Just Got Paid (DVD #2, Track #9), das Bonamassa stilecht - für seine Verhältnisse schon ein sehr fancy Anblick - auf einer alten Flying-V-Klampfe bringt, dem country-angelehnten Mountain Time (DVD #2, Track #10) - zauberhaft sphärisches Intro mal wieder, auch der Restsong wie immer einfach endgeil! - und letztlich dem romantisch verträumten Asking Around For You (DVD #2, Track #11).

Das Bonusmaterial:
Wer nach über eineinhalb Stunden Bombastorkonzert immer noch nicht genug hat, wird hier fündig. In einem entspannten Interview erklärt der Bluesrocker im Schnellverfahren so einiges über den Blues generell, seinen Weg zu dieser Stilrichtung und speziell einige Infos zu einzelnen Songs des derzeit aktuellen Albums The Ballad Of John Henry (s.o.) - wie auch zu einigen älteren Songs bis hin zum Debütwerk.
Neben seiner privaten Sicht und Beziehung zu dem Genre gibt es nebenbei noch einen umfassenden Stilabriss, bei dem Bonamassa mit einer Gibson und einem Miniamp quasi wie in einer Demo die unterschiedlichsten Einflüsse bekannter Bluesgrößen anspielt, erläutert und deren Verflechtung in seine eigenen Kompositionen erklärt. Ein kurzes aber extrem aufschlussreiches Interview.
Letztlich gibt es hier auch noch die "übliche" Live-Fassung des Songs Woke Up Dreaming als Nachtisch, bei der der Musiker den Song ohne jegliche Begleitung spielt und sich in klassisch angehauchte und atemberaubend auf akustischer Westerngitarre gespielte Passagen in Intro, Solo und Outro verliert. Für jeden Gitarristen ein beeindruckender Happen!

    Was habe ich im Vorfeld, bevor ich diese Doppel-DVD bestellt habe, nicht so manches an Kritik lesen müssen! Da war von "unterkühlter Atmosphäre" (weil ja in der Halle alle Gäste auf Sitzplätzen sind, wofür der Bluesrocker nun wirklich nichts kann), von "übertriebenem Akzent auf den Showeffekt" (gut, die zwei Drumsets sind prollig, aber ansonsten spielt da eben eine Bigband - und das hervorragend) bis hin zu einem "zu Publikum und Gastmusikern distanzierten, abgebrühten und arroganten (???) Frontmann" zu lesen.
    Es mag sein, daß der ein oder andere dieser Rezensenten in diese Eindrücke Dinge hat mit Einfliessen lassen, die mit sachlicher Kritik an diesem Konzert nichts zu tun haben - wie zum Beispiel den Missmut über die (ich gebe zu - sie ist ziemlich mainstreamig!) derzeitig aktuelle Scheibe The Ballad Of John Henry [s.o.]. Ich versuche nun im Gegenzug (natürlich frei von jedem positiven Vorurteil und vollkommen objektiv *grins*), meine Eindrücke zu diesen Punkten zu schildern:
    Ich sehe hier einen bescheidenen, bodenständigen, vielleicht sogar eingeschüchterten Joe Bonamassa, der mit Anfang dreißig in den USA als lebende Gitarrenlegende und größte Hoffnung für das Fortbestehen und die Weiterentwicklung des Blues gehandelt wird. Speziell bei diesem Konzert sehe ich einen Musiker, der wahrscheinlich in dem Moment des Konzerts noch nicht fassen kann, daß er in dieser ruhmesträchtigen Royal Albert Hall mit einem seiner größten musikalischen Vorbilder zusammen auftritt - und dennoch seine Sache hervorragend macht!
    Geschichten wie seine Sonnenbrille zu Konzertbeginn zieht er immer durch, gerade solche Kleinigkeiten auch bei einem derart großen Event beizubehalten, hat ihm sicher ein Stück weit Routine und innere Ruhe gegeben. Sowas oder eine leicht verminderte Plauderlaune, die Bonamassa bei Auftritten in kleinerem Rahmen stets hat, als Arroganz auszulegen, spricht für mich für a) nicht genügende Kenntnis dieses Musikers oder b) vollkommene Ignoranz dieser Konzertsituation gegenüber.
    Ich habe an Joe Bonamassa, seinem atemberaubenden Gitarrenspiel, Gesang und der Zusammenstellung der Songs mindestens ebenso viel Freude wie bei jedem Album oder der älteren DVD. Tonqualität und Bildausschnitte sind durchweg gut. Dazu kommt speziell bei dieser Doppel-DVD die Länge des Konzerts mitsamt der ehrwürdigen Ruhmeshallen-Atmosphäre, in der sich der Bluesrocker mehr als amtlich schlägt. Für meine Begriffe ein Must-Have für jeden Bluesfan...

    Bombastisch und epochal, fast zwei Stunden Bluesrock at its best!

Joe Bonamassa Live At Rockpalast
Typ1 DVD / Live-Konzert
Jahr2006
LabelProvogue Records BV
DVD • Bildformat: PAL 16:9
• Tonformat: Dolby Digital 2.0 Stereo
• Spieldauer: 91 Minuten
Tracks
  1. Takin' The Hit
  2. A New Day Yesterday
  3. Blues Deluxe
  4. Mountain Time
  5. You Upset Me Baby
  6. The River
  7. Burning Hell
  8. Had To Cry Today
  9. Heart Of The Sunrise
  10. Starship Trooper
  11. I Don't Live Anywhere
    Die DVD besteht aus der 91minütigen Aufzeichnung des Gigs vom 28. Juni 2005, aufgenommen für Rockpalast in Burg Satzvey (Mechernich). Mit Bonamassa auf der Bühne stehen Bassist Eric Czar und Schlagzeuger Kenny Kramme.
    Leider kann auch eine Live-DVD nicht komplett die Atmosphäre eines Events rüberbringen, aber man kann den Musikern einmal bei der Arbeit zusehen. Neben Bonamassas virtuosem Saitenbearbeiten lohnt sich in diesem Fall besonders Bassist Czar, der schon durch Outfit (eine bis dato von mir ungesehene Mischung zwischen Zuhälter und Altachtundsechsziger-Hippie-Überbleibsel) und Mimik zum unterhaltsamen Eyecatcher wird.

    Nebenher hat man gerade bei Liverecordings mit außergewöhnlichen Songversion oder zumindest Parts zu rechnen:
    Beispielsweise ist das Intro von Blues Deluxe (Track #3) ein Leckerbissen. Die nach einer Mischung aus Waalgesang und Stradivari-Geige klingenden Töne des Intros könnten den Einsatz von Synthesizern vermuten lassen. In der Tat gibt es heutzutage zahlreiche Effektgeräte (bis hinunter ins untere Preissegment), die prinzipiell einen ähnlichen Effekt erzielen. Hier handelt es sich jedoch um pure Handarbeit (mal auf die rechte Schlaghand achten); das passende Ein- und Ausfaden der Gitarre über den Volume-Regler. Der Unterschied zur synthetischen Variante besteht aus zweierlei: spielerisch ist diese Technik nicht neu, jedoch nur für fortgeschrittene (!!!) Gitarristen zu empfehlen, andererseits ist die gewünschte Soundwirkung auf diese Weise tongenau zu dosieren. Kurzum: Hut ab! Ab und an erklingt (entfremdet) das Leitthema des Francis Ford Coppola-Films "Der Pate", verläuft sich aber schnell wieder.
    Der - mir bis dahin unbekannte - Song Mountain Time (Track #4) ist eine dermaßen bittersüß-glatte Ballade, daß es einem bald das Pipi in die Augen treibt! Prädikat: geht gar nicht! Natürlich warten im Verlaufe des Konzerts noch andere Späßchen, die nicht nur für Gitarristen richtige Appetithappen sind.

    Für die Aufnahme eines Livekonzerts ist die Soundqualität mehr als gut, genau wie die Kameraführung und gewählten Bildausschnitte. Man hat das Gefühl, stets das Sehenswerteste im Blick zu haben. Neben den drei Hauptakteuren sei hierfür den Leuten vom Rockpalast und den Herstellern der DVD Dank gezollt!

    Die DVD wird zu sehr humanen Preisen gehandelt, ist also für Freunde dieser Musikrichtung kein großes Wagnis.