Musik > Musiktips > Progressive > Devin Townsend

Devin Townsend : Alben

  Neben diesen "regulären" Alben gibt es weitere Special Editions! Nähere Infos unter den angegebenen offiziellen Links...


Ghost
Typ1 CD / Studio
Jahr17.06.2011
LabelInside Out Music
Songs
  1. Fly
  2. Heart Baby
  3. Feather
  4. Kawaii
  5. Ghost
  6. Blackberry
  7. Monsoon
  8. Dark Matters
  9. Texada
  10. Seams
  11. Infinite Ocean
  12. As You Were

Deconstruction
Typ1 CD / Studio
Jahr17.06.2011
LabelInside Out Music
Songs
  1. Praise The Lowered
  2. Stand
  3. Juular
  4. Planet Of The Apes
  5. Sumeria
  6. The Mighty Masturbator
  7. Pandemic
  8. Deconstruction
  9. Poltergeist

Addicted
Typ1 CD / Studio
Jahr2009
LabelInside Out Music
Songs
  1. Addicted
  2. Universe In A Ball
  3. Bend It Like Bender
  4. Supercrush
  5. Hyperdrive
  6. Resolve
  7. Ih-Ah
  8. The Way Home
  9. Numbered
  10. Awake
    Es ist schon ein wahnsinniger Output, den der Prog-Kanadier Devin Townsend im Jahr 2009 liefert. Erst im Mai erscheint sein erstes Werk namens Ki (s.u.) aus dem (geplant) vierteiligen Devin Townsend Project ,dann wird im November schon dieser Teil zwei namens Addicted auf den Markt geworfen - mit dem Releasedatum Freitag, 13.November 2009 eine witzige Punktlandung.
    Der Vorgänger Ki war für Townsend-Verhältnisse sehr ruhig, verspielt und stilistisch experimentell. Nun, ein drogenbefreiter Komponist werkelt merklich Anderes zusammen als der ausgeflippte Maniac von vorher. Die Wucht der "walls of sound" ging mir schon ein wenig ab, aber mit seiner Verspieltheit und Klangvielfalt gefällt mir jenes Album sehr gut, zumal die Triebfeder des Kanadiers war, zu zeigen, daß mehr als der bislang bekannte Terrorzwerg in ihm steckt. Auf dieser Scheibe Addicted sollte wieder mehr Zunder kommen, nachdem eine neue Hörerschaft quasi angefixt wurde. Also ein einfaches "back to the roots"? Nein, so einfach scheinbar auch nicht. Denn mit Aussagen von Townsend aus dem Vorfeld sollte auf dieser Scheibe Nummer zwei mal "locker und zwanglos abgerockt" werden, es flockig und poppig heiter werden, der Meister zeigen, daß es für einen bislang teils ultra-harten Wüterich auch in Ordnung geht, wenn er Enya (tatsächlich einer der frühen Einflüsse des Kanadiers!) oder die Vengaboys gut findet. Also lautet die grobe Marschrichtung: Rock und Mut zum Mainstream.
    Kurz zum textlichen Inhalt dieser Platte: ist komplett wurscht! Laut Townsend wisse er selber bei diesen Songs oft nicht, worum es in den Lyrics geht. Klingt ein wenig nach Schizophrenie oder Gedächtnisschwund. Aber scheinbar hat der Komponist hier lediglich die erstbesten Assoziationen vertextet, die ihm zu den musikalischen Ideen eingefallen sind. Nach den Seelenstriptease und vielfach wirklich schmerzlich nachvollziehbar-authentischen Offenbarungen vorhergegangener Soloalben eine erfrischende Abwechslung.
    Gleich vorweg sei hier mein persönliches Highlight der Platte erwähnt, bevor ich ein paar Zeilen zu den einzelnen Songs schreibe. Für jedes seiner vier Alben sucht sich Meister Devin Townsend jeweils neu die passenden Mitmusiker aus. Einen wahren Glücksgriff hat er für dieses Album mit der großartigen Gastsängerin Anneke van Giersbergen getan, die wohl Hauptgrund mit dafür ist, daß ich diese Addicted doch regelmäßig durchlaufen lasse, obwohl sie im Gros nicht meine ungeteilte Freude bekommt. Aber zunächst mehr zu den einzelnen Titeln...

    Unverschnörkelt geht es mit Opener und Titelsong Addicted (Track #1) gleich los. Ein sphärisches Riff und viel Charisma bauen sich auf, auch die Gastsängerin kommt zu Wort. Dieser Opener ist brachial, da sind die "walls of sound" aus drückenden Gitarren und vielstimmigen Vocals gleich wieder da, man fühlt sich an die Stimmung aus dem bombastischen Accelerated Evolution (s.u.) erinnert. Aber es ist dennoch ein wenig anders, denn wegen der vielen Tonspuren ist alles arg komprimiert, poppiger eben. Das Druckpotential aus den brettharten Gitarren und dem energischen Gesang wird teils schmerzlich auf einen engen Pegel eingeschränkt. Nuancen und Stimmungswechsel können so nicht gedeihen.
    Universe In A Ball (Track #2) knüpft ohne hörbare Pause an, entwickelt die musikalische Grundlage nett weiter, ist noch eine Spur bitterer. Vor allem ist er trotz vieler Spielereien mit Synthi- und Stimmeffekten ein wenig besser aufgeteilt und lebendiger. Hier trällert Mister Townsend auch wieder ganz allein, lediglich am Ende wird es in einem ansatzweise choralen Mini-Crescendo ein wenig matschig, doch diese Nummer zwei ist differenzierter als der erschlagende Opener.
    Bend It Like Bender (Track #3) kommt nochmals im Anschluß ohne Pause oder Schnitt, alles im guten Dreieinhalb- bis Fünfminutentakt. Dieser Song ist eine wahre Wonne. Es wird munter gerockt, die Harmonien sind heiter, und vor allem bei dem Chorus, den Gastsängerin van Giersbergen über sonnenscheinige Melodiebögen singt, geht einem unbeschwert das Herz auf. Ohne die Schwermut der ersten beiden Songs klingt dieser Titel einfach nur locker, vielleicht ein wenig belanglos, kommt an dieser Stelle aber genau richtig so. Vor allem wird hier am Ende tatsächlich einmal ein Schlußpunkt gesetzt, kurz Ruhe bevor es weitergeht.
    Supercrush (Track #4) ist für mich das erste wirkliche Glanzlicht. Die pompösen Gitarrenriffs des Intros fallen wie ein Kartenhaus in sich zusammen, wenn über eine feingliedrig strukturierte Strophe Vocalistin Anneke van Giersbergen glasklar, weich und unhektisch ihre Stimme erhebt. Der Chorus wird ein wenig kräftiger, vor allem aber klappt der Übergang zum singenden Townsend fliessend und lückenlos. Im Mittelteil wird es ein wenig dramatisch, aber bis hin zum finalen Showdown entwickelt sich ein tolles Duett zwischen den beiden ohne drückende Schwere. Ein toller Song!
    Mit Hyperdrive (Track #5) covert sich der Kanadier selbst, denn diesen Song gab es schon auf der Ziltoid The Omniscient (s.u.) an derselben Position. Eigentlich hat sich am Song überhaupt nichts verändert - bis auf die Tatsache, daß ihn hier die Gastsängerin alleine singt und hauchzarte Synthispielereien in den Hintergrund gezaubert wurden, die schon fast an Techno oder Trance erinnern. Eine schöne Neufassung des bekannten Themas.
    Resolve (Track #6) geht mir, um ehrlich zu sein, ziemlich auf die Nerven. Die ersten stressigen Harmonien und krumme Metrik seien verziehen, wenn sich daraus etwas Nachvollziehbares entwickelt. Doch das ist hier für meine Ohren keineswegs der Fall. Dieser Dreiminüter, den beide abermals im Duett singen, ist einfach nur so vollgeproft und dann im Kompressor auf einen Pegel gelattgebügelt worden, daß ich ihn nur als den schlimmen Ausrutscher der Scheibe empfinde.
    Ih-Ah (Track #7) ist im Anschluß glücklicherweise das Zauberstückchen der Platte und das komplette Gegenteil zum überladenen Vorsong. Mit dem "ih-ah" ist genau das gemeint, was man als Deutscher auch als erstes damit assoziiert: der Laut eines Esels. Zauberhaft ist vor allem die Atmosphäre dieses drolligen Dreieinhalbminüters. Mit fliessenden Pianomelodien, dünnen Cleangitarren und beiden Sängern im engen Dialog, einer ohrgängigen Hookline und das über einen sinnentleerten Songtitel - die schönsten und emotional berührendsten dreieinhalb Minuten der Scheibe. Wunderschön!
    The Way Home (Track #8) ist rhythmisch sehr flott mit Cleangitarren eingespielt, musikalisch aber sehr eben und ausdrucksschwach. Mit einigen klanglichen Anknüpfungen an ältere Werke und vor allem textlichen Wiederaufgriffen - der Begriff der Heimkehr und der Suche nach einer Heimat spielt in allen Texten des Kanadiers eine große Rolle - vielleicht ein Rückblick. Leider hat der Song nicht viel an Charisma zu bieten, fällt mit knappen drei Minuten aber auch nicht schwer ins Gewicht.
    Numbered (Track #9) ist ebenfalls ein Selbstzitat, vor allem aber instrumental. Die Atmosphäre ist ein Wiederaufgriff aus seinem Solodebüt Ocean Machine (s.u.), auch Phrasen aus dem wuchtigen Terria (s.u.) erklingen in den Gitarrenläufen. Wer den alten Townsend nicht (er)kennt, bekommt als scharfen Kontrast zu den unheilsschwangeren Strophenzitaten einen voluminösen Chorus, in dem Gastsängerin van Giersbergen in vielstimmiger Choralität eine runde Melodie präsentiert, daß man sich beinahe in einer Kathedrale wähnt (nochmals einen Gruß von der Fraktion Enya?). Dieser Fünfminüter schwebt oft an der Grenze zu wahnsinnigem Bombast und Kitsch, hat aber einen sich stetig verändernden Spannungsbogen und nicht zuletzt einen versöhnlichen Ausklang, in dem die Sängerin die Chorusline ohne instrumentale Begleitung zum Besten gibt. Bombast ja - aber sehr schön ausgearbeitet.
    Awake (Track #10) ist mit über neuneinhalb Minuten deutlich längster Titel der Platte. Auch hier kommen wieder zahlreiche Eigenzitate zu Wort und Klang. Ich finde diesen Schlußtrack zu lang geraten. Positiv fallen mir hier beide Sänger nochmals auf, besonders Devin Townsend selbst zu Beginn macht einen charismatischen Start, bevor ab dem Mittelteil alles wieder ein wenig erdrückend und matschig wird. Vielleicht sollte es das Finale Grande werden, dafür tröpfelt der Ausklang ab kurz nach der Songmitte (!) mit einem Wechsel aus Technobeats und sphärischen Ambient-Synthesizerklängen aber deutlich zu lange vor sich hin.

    Die Kürze der Songtitel (abgesehen vom letzten halbherzigen Ausbruch) spricht eine deutliche Sprache. Viele Themen des Albums gefallen mir sehr gut, sind meist kurz gehalten. Auch die Selbstzitate - bis hin zum kompletten Coversong - sind gut verpackt, für Kenner der kompletten Diskographie gut zu erkennen, stehen aber immer auf eigenen Beinen. Die vielfach erwähnte Sängerin Anneke van Giersbergen macht einfach einen tollen Job und ergänzt den halb wiedergekehrten Wüterich am Mikro perfekt. Was sollte es denn dann zu nörgeln geben?
    Mir missfällt das musikalische Material nicht, aber in seiner Idee des lockeren Rock und Offenherzigkeit an den Mainstream hat Meister Devin Townsend diese Scheibe vor allem im Punkt Produktion in den Sand gesetzt. Besonders hat er es (ob absichtlich in Anlehnung an den Pop?!) mit dem Kompressor vielfach übertrieben. Die wuchtigen Gitarrenwände ebenso wie die Stimmen (seine wie auch die der tollen Gastsängerin) werden zu oft eingeebnet, auf einen Pegel gedrückt, alle Feinheiten totproduziert. Kurz gesagt: mit ein wenig mehr Mühe (oder weniger pop-annäherndem Übereifer?) - vielleicht war das Ziel zweier Albenveröffentlichungen innerhalb eines halben Jahres doch zuviel - hätte man aus dem Material auf jeden Fall wesentlich mehr machen können. Vor allem (!) ein begnadeter Musiker und Produzent wie Townsend. Wirklich schade drum!
    Ich bin dennoch bester Hoffnung und Spannung auf die noch ausstehenden zwei Alben Deconstruction und Ghost. Daß dieser Mann auch drogenfrei grandiose Alben produziert, hat er mit dem Vorgänger Ki schließlich mehr als deutlich bewiesen. Er sollte nur auf die Überdosierung der Ersatzdroge Kompressor *zwinker* in Zukunft verzichten.

    Tolle Themen, großartige Gastsängerin - leider an vielen Stellen hoffnungslos überproduziert.     

Ki
Typ1 CD / Studio
Jahr2009
LabelInside Out Music
Songs
  1. A Monday
  2. Coast
  3. Disruptr
  4. Gato
  5. Terminal
  6. Heaven Send
  7. Ain't Never Gonna Win
  8. Winter
  9. Trainfire
  10. Lady Helen
  11. Ki
  12. Quiet Riot
  13. Demon League
    Schon im Vorfeld der Veröffentlichung dieses Albums wurde bekannt, daß der kleine Kanadier in seinem Leben einiges geändert hat. Eine schwere Phase aus erdrückendem Drogenmischmasch und Depressionen hat er hinter sich gelassen. Diese endzeit-düstere Stimmung hörte man überdeutlich - wenn auch genial klanglich umgesetzt (!) - aus seinen bisherigen Solowerken, ganz zu schweigen von dem terrorüberladenen Bandprojekt Strapping Young Lad, stets heraus. Zusammen mit den Veränderungen seines Lebensstils kam der Vorsatz, noch andere Facetten seines Wesens in sein musikalisches Lebenswerk einbringen zu wollen. So entwarf er das Devin Townsend Project, von dem diese Platte Ki die erste von insgesamt vieren ist. Für jedes dieser Alben will sich Devin Townsend die "passenden" Mitmusiker erneut zusammensuchen. Diese erste Scheibe Ki ist ein bewusst ruhiger und extrem zurückhaltender Einstieg in das epochale Quartett. Darum schon vor der detailierten Beschreibung: hier geht es sehr ruhig und sphärisch zur Sache - aber es bleibt dennoch genügend Schnittmenge mit dem alten Townsend!

    Das Cover ist eine schlichte Sache, die sich wie der musikalische Inhalt, von den bisherigen Platten absetzt. Auf der dunklen Front blickt uns eine Maske an, die aus der Kultur der Azteken stammen könnte, einen Hauch von uraltem Mystizismus mit sich bringt. Was wiederum partout nicht dazu passen will, ist, daß die Grafik aus einem "verwaschenen" Muster aus grünen, roten und gelben Linien wie ein 3D-Bild ausschaut. Im Inneren des Booklets gibt es abermals ein paar verwaschene Bilder der beteiligten Musiker, abgesehen von der vorletzten Seite, auf der sich Infos zu Musikern, Songs und Label sowie Danksagungen befinden, gibt es hier keinen Text. Ein steriles und sehr verwirrendes Booklet. Aber auf die Songtexte muß man nicht verzichten. Sie gibt es auf einem gefalteten Papier, das, halb durchsichtig, wie ein starkes, milchiges Pergamentpapier gesondert herausnehmbar ist und querliegend etwas mehr als ein Din A4 Blatt misst. Eine schöne Designidee, nun aber zum Musikalischen...

    A Monday (Track #1) bietet uns einen mehr als entspannten Eintritt in das Album. Eigentlich besteht der etwas mehr als eineinhalbminütige Opener nur aus einer leicht wabernden Cleangitarre, die von ganz dezent im Hintergrund schwimmenden Synthesizersphären unterlegt wird. Das Leitthema variiert kaum, so daß man einen relaxten, instrumentalen Einstieg in die Scheibe bekommt.
    Coast (Track #2) gönnt sich ein langsames Intro, bevor es mit dem Song selbst losgeht. Die Arpeggios der klaren Gitarre sind flott, die Rhythmusabteilung aus Bass und Schlagzeug sehr lebendig, aber es bleibt alles sehr still und verhalten, während Devin Townsend vom hektischen Kofferpacken, einem Aufbruch gen Küste und dem Verlorensein singt, teils nur noch flüstert. Dieser Viereinhalbminüter geht gleich gut zu Ohr und spielt wunderbar mit klitzekleinen Nuancen, wenn er beispielsweise mit der Cleangitarre die Gesangslinie doppelt oder kleine melodische Einwürfe bringt. Kurz vor dem Songende brodelt es, ein Stimmengewirr baut sich bei geringer Lautstärke auf, doch es zerbricht alles wieder. Am Ende bekommen wir lediglich ein paar dünne Läufe auf der einsamen und verhallenden Gitarre.
    Disruptr (Track #3) ist eine merkliche Anlehnung an die alte Klangwelt des Kanadiers. Auch wenn die Gitarre sehr dezent einsteigt, es insgesamt nicht wirklich laut wird, ist dieser Song bitterböse. Die Rhythmusstruktur ist abgehackt, widerspenstig und treibend, während alle Instrumente harmonisch und rhythmisch eng zusammenarbeiten, es wird auch immer wieder düster am Mikrofon gegrollt. Doch von einem unbändigen Wutausbruch bleibt dieser Song weit entfernt, verbindet die Raserei alter Alben hervorragend mit dem Ambient-Sound dieser Scheibe. Sicher einer der Songs, den sich Leute häufiger anhören werden, die den klassischen Townsend in diesem Album zu wenig finden. Aber wenn hier mit flehender Stimme in der Songmitte um eine "Hirn-Massage" (!!!) gebettelt wird, dann ist ganz klar - wenn auch verändert; hier steckt immer noch der kleine Kanadier drin, der sich in der Grauzone zwischen Genie und Wahnsinn eingerichtet hat!
    Gato (Track #4) steigt mit einer wunderbar abgedrehten Rhythmik eines Walkingbasses und einer Cleangitarre ein, über die harten und eigenwillig verschobenen Akzente und Harmonien schwillt der Song stetig an, die Gitarren werden verzerrter. Doch immer wieder stürzt das ruppige Ensemble nach kurzen Ausbrüchen in sich zusammen, findet seinen Weg zurück zum subtilen, kriechenden und dünnen Stil des Songbeginns. Ein Novum für Townsend gibt es hier vor allem: während er in hoher Lage singt, welchselt die Stimme beinahe unbemerkt zur Gastsängering Ché Dorval. Sie hat eine volle, weiche Stimme, die in jedem Bluesbackground passend untergebracht werden könnte, hier spielen sie und Devin sich fliessend in derselben Tonlage die Bälle zu. Eine tolle Einlage!
    Terminal (Track #5) kratzt als erster Song an der Siebenminutenmarke, der komplette Song ist weich, fluffig und verträumt. Die klaren Gitarrenarpeggios laufen locker über eine dezente Synthifläche, die wenigen Gesangspassagen sind friedlich. Der Song lädt geradewegs dazu ein, sieben Minuten lang die Augen zu schliessen und sich treiben zu lassen. Höhepunkte sind die mittige Solopassage und das gedehnte Outro, in dem die Leadgitarre - noch immer clean - mit chilligen und feinheitenübersäten Klängen, teils mit perlenden Pianoläufen im Hintergrund, um sich zaubert. Entspannender Ambient ad its best und vor allem sehr kurzweilig.
    Heaven Send (Track #6) sitzt nicht nur auf dem Scheitelpunkt des Albums, sondern ist mit knapp neun Minuten auch deutlich längster Beitrag der Scheibe, nebenbei: mein absoluter Liebling. Los geht es mit straighten Drums und einer funky Gitarre, die sich mit springendem Staccato-Lick dazugesellt, wenig später steigt der Bass toll angepasst in die Thematik mit ein. Die Atmosphäre ist noch sehr verhalten, aber man merkt, daß es unter der Oberfläche brodelt. Im ersten Teil des Chorus singt zum zweiten Mal auf dieser Scheibe Ché Dorval die psychedelische und sehr ohrgängige Hookline mit glasklarer Stimme, hier deutlicher abgegrenzt. Im zweiten Chorusteil growlt der Maestro selbst ein vielfaches "Burn, burn..." und aus dem hoffnungsmachenden Songtitel "Heaven send" wird kurzerhand ein "Heaven's end". Die Soloeinlagen sind beinahe jazzig, das Ende für die Verhältnisse der Platte schon sehr brachial, doch alles in allem ist dieser Song mit seinen melodischen Phrasen und vielen Wendungen ein Biest, das bedrohlich wütet, aber nicht zu gefährlich wird, weil es an der Kette liegt. Ein grandioses Meisterstück!
Mal eben reinhören? Den charismatischen Audiotrack gibts hier:
The Devin Townsend Project - Heaven Send (Audio only)
    Ain't Never Gonna Win (Track #7) ist mit seinen instrumentalen drei Minuten eine lockere und groovende Verschnaufpause irgendwo zwischen Funk, Swing und Jazz-Jamsession, ein verspieltes und zwangloses Intermezzo.
    Winter (Track #8) geht nahtlos aus dem Vorsong hervor. Seine einzige, immer wiederholte und weich gesungene Textzeile ist "How in the world can the winter fall apart?". Wie der vorhergegangene Dreiminüter macht auch dieser Viereinhalbminüter den Eindruck einer knappen Jamsession, nur daß es hier nicht mehr so jazzig zugeht, sondern ein festgelegtes Thema im Ambient-Stil umspielt wird.
    Trainfire (Track #9) ist ein stilistischer Komplettausbruch aus dem bisherigen, war für mich eine unerwartete Überraschung und ist jedesmal wieder eine willkommene Freude. Zunächst hören wir irgendwo im Hintergrund das Pfeifen einer Dampflok. Und dann hüpft das Schlagzeug los, die Gitarre arpeggiert dazu, uns überrollt einen klassischer Oldschool Rock'N'Roll. Als wäre der instrumentale Stil nicht genug, lehnt sich Devin Townsend bei der ersten Strophe stimmlich auch noch verdammt nah an einen Elvis Presley aus seinen besten Zeiten an! Wer nach zwei Minuten meint, den Sechsminüter zu kennen, wird sich bald getäuscht sehen. Kurz nachdem der Zug ins Rollen gekommen ist, jauchzt Gastvokalistin Dorval, die wir zuletzt vor den Textzeilen "Burn, burn..." hörten, einen angebluestes und schwärmendes "Trainfire". Und wir sind wieder an komplett anderer Stelle. Eine einsame, dünne Bluesgitarre phrasiert ohne jede Begleitung vor sich hin. Die letzten Sekunden singt Ché Dorval noch etwas von gerufenen Namen und verschlungenen Pfaden abseits der geplanten Wege. Was einem dieser Song an unterschiedlichen Stilen und Emotionen bietet, ist unglaublich.
    Lady Helen (Track #10) ist die Quotenballade der Platte, es geht ruhig und harmonisch zu, große Überraschungen gibt es nicht. Als klangliche Facette kommen zu Beginn ein paar Phrasen der Leadguitar, die sich deutlich am Country-Stil orientieren. Kurz nach der Songmitte hören wir weit im Hintergrund nochmals das Pfeifen unserer Dampflok, bevor das Klangpanorama langsam in dünne Sphärenklänge zerfällt.
    Ki (Track #11) als fast siebeneinhalbminütiger Titelsong beginnt quasi als Ausklang des Vorsongs. Dann legt sich um die Klänge einer klaren Gitarre kurzzeitig ein chorales Stimmengewirr wie einstmals in Voices In The Fan (Track #7) aus dem Solo-Debüt Ocean Machine (s.u.). Der lange Mittelteil ist instrumental dünn, wirkt fragil, es wird abstrakt von Heimkehr, Fortbestehen und Dahinziehen gesungen. Vor allem breitet sich eine friedliche Wärme durch die Instrumentalisierung und Harmonien des Mittelteils wohlig aus. Nach einem hauchfeinen Part von Ambient-Klängen lebt ein Arpeggio in der Cleangitarre auf, episch-choral legt sich eine erschlagende Atmosphäre aus althergebrachten Wall-To-Wall-Distortiongitarrensounds, perlenden Synthesizern und Stimmen darüber. Auch wenn einen die plötzliche Fülle der Klänge von allen Seiten bedrängt, ist es eine Flut positiver Emotionen, die uns überschwemmt. Von Aggressionen ist trotz der druckvollen Macht der Klänge nichts zu spüren, wenn Townsend mit energiegeladener Stimme beinahe majestätisch die letzte Strophe als Krönung über den sowieso schon dichten Klang-Bombast schmettert. In vielleicht zwei Minuten verknüpft er hier die musikalisch neue Linie des Albums mit seinem alten Stil, und bevor man sich versieht, stürzt das Kartenhaus wieder in sich zusammen, das Ende kommt erschreckend plötzlich. So abstrakt und unfaßbar dieser Titelsong inhaltlich ist (ein typischer Fall von: das muß man gehört haben, mit Worten läßt sich das nicht beschreiben), so gut spiegelt er das Wesen dieses Albums wider. Wenn jemand - eigentlichTodsünde (!) - nur ein paar Eindrücke von diesem Werk erhaschen will, dieser Song ist ein Muss beim Probehören!
    Quiet Riot (Track #12) ist nach diesem Aufflammen schon nahezu drollig. Drei Minuten lang, es wird auf akustischen Gitarren beinahe folkrockig locker-flockig in krampfhaft wohltuenden Dur-Akkorden geklampft. In den Lyrics heisst es quasi: "Der Schmerz kommt und geht und kommt wieder. Ich kenne es mittlerweile und habe aufgehört nach einem Sinn zu suchen...". Doch die gleichgültig-bittersüße und leicht tragische Komponente breitet sich nur im Songtext aus, die instrumentale Linie bleibt dabei heiter und unbeschwert.
    Demon League (Track #13) als Ausstieg bleibt sogar noch ein paar Sekunden unter der Dreiminutenmarke, spielt noch einmal mit schwimmenden Synthisphären und sanften Cleansounds der Gitarre. Wir werden klanglich sehr dezent aus dem Werk entlassen...

    Es ist ein menschlich veränderter Devin Townsend, der sich in dieses geplante Vier-Alben-Konzept gestürzt hat, es ist ebenso eine neue musikalische Seite, die er uns mit diesem Werk präsentiert. Das hat er im Vorfeld lang und breit erklärt. Natürlich gefällt dies längst nicht allen Fans des Kanadiers, auch ich weiß, was viele bei diesem Debüt seines Devin Townsend Project vermissen. Aber ich finde diese neue Komponente sehr interessant und vielfältig. Der Schöpfer selbst bezeichnet es als ein Album, das man am besten als Komplettwerk "im Hintergrund laufen lassen und eine Weile auf sich wirken" lassen soll. Wer hier den ungezügelten Terror früherer Solowerke sucht, wer in diesem ersten Werk des Gesamtkonzepts einen geschlossenen Sinn sucht, der wird freilich nicht fündig und dementsprechend enttäuscht sein. Ich persönlich mag diesen anderen Stil, dessen Feinheiten sich erst oft bei genauestem Hinhören (eine Platte, die ich lieber mit Kopfhörer geniesse als über Boxen) offenbaren.
    Doch bei allen ungewohnten Einkreuzungen wie weiblichen Vocals, Elementen aus Blues, Country, Folk, Oldschool-Rock und, allen voran, Ambient bleibt Devin Townsend bei allen Songs deutlich erkennbar. Ich persönlich bin äußerst gespannt auf die folgenden Alben. In seiner Vielfalt und - ohne es böse zu meinen! - Unverbindlichkeit bietet dieses Debüt genügend Anknüpfpunkte, aus denen der Meister mit der neuen Besetzung an den Instrumenten für jedes weitere Album sicher seine Fäden spinnen wird! Hoffnung auch hier für alle enttäuschten Fans: auf den geplanten drei Folgealben soll es wieder ungezügelter zu Werke gehen. Wie gesagt: ich bin sehr gespannt auf die Forsetzung, aber auch von diesem Album schon restlos begeistert!

    Townsend an der Kette, ein ruhiger und experimentierfreudiger Auftakt in das neue Konzept!     

Ziltoid The Omniscient
Typ2 CD / Studio [Enhanced]
Jahr2007
LabelInside Out Music
Songs
  1. Zto
  2. By Your Command
  3. Ziltoidia Attaxx
  4. Solar Winds
  5. Hyperdrive
  6. N9
  7. Planet Smasher
  8. Omnisdimensional Creator
  9. Color Your World
  10. The Greys
  11. Tall Latte (Bonus Track)
    Der irrsinnig-geniale Kanadier Townsend hat neue Streiche ausgeheckt. Angekündigt war das Studioalbum unter den zwei möglichen Arbeitstiteln Mighty Masturbator oder eben Ziltoid The Omniscient, welcher nun den Planet Erde beehrt.
    Das Album soll zur musikalische Brücke zwischen seinen (relativ!) ruhigen, flächig-epischen und melodischen Solowerken und dem Ultraterror seiner Band Strapping Young Lad (s.u.) werden. In monatelanger Studioarbeit spielt und singt der Maestro alle Spuren (Gitarren, Bass, Keyboards) alleine ein. Für die Schlagzeugspuren verwendet er die Software Drumkit From Hell. Im Vorfeld spricht er selbst von einer Metal-Sinfonie.

    Für das urwitzig-abgefahrene Konzept läßt Townsend eine Puppe des Protagonisten - beziehungsweise Antagonisten -, also dem Allwissenden Ziltoid, anfertigen. Nach eigenen Aussagen hat sich Townsend von der Figur namens Skeksen aus seinem Lieblingsfilm Der Dunkle Kristall inspirieren lassen -- ein paar Blicke in den Spiegel waren sicher auch mit dabei *grins*. Dieses drollige (?) Wesen schaut uns nun vom Cover entgegen, auf der Enhanced Bonus-CD gibt es kleinere Videosequenzen des Ausserirdischen, von denen einige bereits im Promotionvorfeld vor der Veröffentlichung by MySpace für gute Laune unter der Fangemeinschaft sorgen.
    So. Und was hat das Wesen da in der linken Hand? Eine Kaffeetasse?! Wie das sein kann, erfahren wir schnell, wenn wir in die Sinfonie einsteigen...

[ Die Handlung ]
    Es gibt eine nicht einmal eineinhalbminütige Exposition, man kommt gleich zur Sache: der Allwissende Ziltoid stellt sich persönlich vor. Er ist quer durch das Universum - oder wie er selbst es nennt, das "Omniverse" - zum Planet Erde gereist, um den ultimativen Kaffee zu bekommen. Diesen ordert er schwarz, gibt dafür "five earth minutes" Zeit. Mit einem leicht heiteren Unterton aber auch voller Bestimmtheit schiebt er letztlich noch die Anweisung nach: "Make it perfect!"
    Ziltoid zieht sich in sein fünf Meilen über der Erde schwebendes Raumschiff zurück, um dort auf den georderten Kaffee zu warten. Wir erfahren nun, daß er Kaffee als Antrieb für sein Raumschiff braucht, um in der vierten Dimension reisen und die Zeit krümmen zu können. Ziltoid bekommt seinen Kaffee geliefert. Wie kann es anders sein? Er ist nicht zufrieden. Er vermutet, daß die Menschen die besten Bohnen vor ihm verstecken wollen. Nun, er hat es mit Diplomatie versucht, es wird zum Angriff geblasen. Ziltoid will die Erde mit seinem faszinierenden Gitarrenspiel unterwerfen, die Menschen willenlos machen, um letztlich doch noch an die besten Kaffeebohnen des Planeten zu kommen. Mit einem wütenden "Attack!!!" von Ziltoid beginnt die Invasion. Als Ziltoid sich schon seines Sieges sicher ist, bekommt er unerwartet einen menschlichen Gegenspieler: das Raumschiff von Captain Spectacular sieht den Angriff auf die Erde. Sie wollen den ausserirdischen Wüstling für seine Missetaten bezahlen lassen und reisen mit dem Sonnenwind erst einmal von dannen, um den Rachefeldzug vorzubereiten. Ein Crewmitglied unterrichtet Ziltoid, daß das Schiff von Captain Spectacular vom Radar verschwunden ist. Dieser stellt fest, daß die Menschen im Hyperdrive geflüchtet sein müssen, hat dafür nur ein verächtliches "Pfui and double pfui!" über, weist seine Crew an, die Verfolgung aufzunehmen.
    Während Ziltoid dem menschlichen Schiff nachrast, erbitten diese Hilfe vom fünfdimensionalen Wesen Nebulowanine, erzählen vom Leid, das Ziltoid dem friedlichen Erdenvolk beschert hat. Als Ziltoid nun eintrifft, versucht es, den Rowdy von seinem grausigen Treiben abzubringen, indem es ihm wundervolle Dinge zeigt, ihn in einen hypnotischen Freuden- und Friedensrausch versetzt. Für kurze Zeit ist der Allwissende verwirrt, findet aber bald zu seinen ursprünglichen Plänen zurück. Um die Menschen und das mächtige fünfdimensionale Wesen zu besiegen, erweckt er den sechsdimensionalen Planet Smasher namens Herman. Dieser ist eigentlich kein übler Typ, das Vernichten von Planeten geschieht eher aus Versehen und nur wegen seiner Grösse. Herman ist nicht recht in Laune, Ziltoids Plan geht nicht auf. Seine letzte Hoffnung ruht nun auf dem Omnidimensional Creator, den er um Rat ersucht. Hier werden ihm sein eigenes Leben und das Universum vor Augen geführt. Die letztliche Quintessenz ist "Du bist nur eine Puppe", wir alle sind nur Puppen in einem kosmischen Theater. Am besten ist es, man legt sich nicht im Grössenwahn mit fremden Wesen und Dimensionen an, bleibt zu Hause und fristet sein Leben in Ruhe und Frieden.
    So wirklich scheint sich Ziltoid mit diesen Weisheiten nicht anfreunden zu können, doch zumindest gibt ihm das eine Weile zu denken. Unter uneinsichtigem Genörgel des allwissenden Kaffee-Omniverse-Guitar-Nerds geht das Spektakel mit offenem Ende -- aber zumindest ohne die endgültige Vernichtung der Menschen -- zuende.

    Und wir kriegen sogar den Bogen zum Planeten Erde zurück. Im Bonus-Track finden wir uns in einem irdischen Café wieder. Hier wird ein tagträumender Kellner von ungeduldigen Gästen angepfiffen, die nicht länger auf ihre georderten Kaffeetassen warten möchten. Noch bevor er erstmals von einem Kunden an die Bestellungen erinnert wird, summt er die letzten Ausklänge des Prog-Metal-SciFi-Werkes vor sich hin. War nun doch alles nur ein Tagtraum eines überforderten Café-Kellners?!

[ Die Musik ]
    Der Einstieg der Exposition Zto (Track #1) geschieht stilecht mit breiten Gitarrenwänden und vielstimmigen Chorälen. Das angedachte Crossover zwischen seinen Stilen ist vollkommen geglückt: je nach Handlung und Szenerie fliessen seine musikalischen Elemente in einander. Während sich beispielsweise Strecken von By Your Command (Track #2) und vor allem der Burnout-Song Ziltoidia Attaxx (Track #3) ultrahart, treibend und knüppelig wie Songs der Band Strapping Young Lad geben, gibt es auch jede Menge Anachronismen.
    Gleich anschliessend findet man in den Solar Winds (Track #4) und Hyperdrive (Track #5) getragene Synthesizerflächen, gut arrangierte Gitarrenwände und viel Melodie, die eher an Werke wie Ocean Machine und Terria (s.u.) erinnern.
    Der Auf- und Abbau durchläuft das Gesamtwerk sehr dynamisch, passt sich der Handlung an. Wie auch im Textbooklet, finden sich im Verlauf der Songs immer wieder kleine Einspielungen zum aktuellen Geschehen. Es gibt melodische Leitthemen, die immer wieder im Verlauf des Albums auftauchen, allen voran natürlich das Ziltoid-Thema.
    An ein paar Stellen läßt Townsend das Drumkit From Hell mächtig dreschen, letztlich geht aber auch sein Einsatz vollkommen in Ordnung. Die Parts, an denen es wirklich ruppig wird, sind meist Ziltoids rasende Wutausbrüche, wenn mal wieder etwas nicht nach seinen Wünschen verläuft, also ein Soundwust, der zum B-Movie-Charakter des Gesamtwerks passt. Sonst reihen sich die Drums gut in das Klangpanorama ein.

[ Die Bonus-CD ]
    Auf ihr befinden sich ein paar Videosequenzen vom Allwissenden Ziltod, der mal etwas zum Thema Kaffee zu sagen hat, dann wieder nur mit seinem vierdimensionalen Können protzen möchte. Wie im musikalischen Werk gibt es auch in den Videos jede Menge liebevoller Details. Wer hätte beispielsweise gedacht, daß ein Allwissender nicht mitbekommt, daß die Kamera schon läuft und ihn beim Nasebohren filmt?!
    Letztlich bekommen wir hier auch den Schöpfer selbst noch einmal zu sehen. Devin Townsend präsentiert seine sechssaitige Kampfaxt, seine Amps und erzählt ein paar Minuten über Open Tunings, selbstredend nicht ohne eindrucksvolle Kostproben.

Die erste persönliche Videobotschaft
des bohnensuchenden Alien an die Menschheit:
Ziltoid The Omniscient - First Transmission
[ Allwissendes Fazit ]
    Devin Townsend hat hier wieder einmal im Alleingang ein brillantes Konzeptalbum aus dem Boden gestampft. Grundidee und die liebevolle und detailreiche Umsetzung sind dermaßen absurd, daß es einfach nur Freude macht. Man begibt sich auf eine schlüssige Prog-Metal-Science-Fiction-Tour, bei der es jedesmal wieder viel zu headbangen und zu schmunzeln und lachen gibt.
    Die musikalischen Qualitäten sollte man trotz aller albernen Verspieltheit nicht unterschätzen! Im Zweifel einmal testhören -- am besten mit ein paar Tassen Kaffee dazu?! Und beim Kredenzen immer daran denken: "Make it perfect!"

    Ganz, ganz, ganz großes Theater!
Eine schöne akustische Coverfassung zum Leitthema von "Solar Winds"
hat ein anderer Künstler veröffentlicht:
Andymuzic - Arrangement of "Solar Winds"

Synchestra
Typ1 CD / Studio
Jahr2006
LabelInside Out Music
Songs
  1. Let It Roll
  2. Hypergreek
  3. Triumph
  4. The Baby Song
  5. Vampolka
  6. Vampira
  7. Mental Tan
  8. Gaia
  9. Pixillate
  10. Judgement
  11. A Simple Lullaby
  12. Sunset
  13. Notes From Africa
  14. Sunshine & Happiness (Bonus Track)
    Der kleine Mann aus Kanada hatte wieder einen Schalk im Nacken. Let It Roll (Track #1) ist der dreiminütige Opener. Naja, eine Akustikgitarre plinkert nett vor sich hin, Townsend singt ruhig und weich, sogar die verzerrten Gitarren, Drums und Synthesizer, die spät noch dazukommen, sind schwammig und halbherzig dünn.
    Wer meint, jetzt schon in einem townsendischen Paralleluniversum zu sein, sollte Hypergreek (Track #2) abwarten! Gerade zweieinviertel Minuten erklingen - irgendwie zumindest - griechische Harmonien, bevor ab der Hälfte auf denselben Harmonien wüster Terror ausbricht.
    Aber keine Sorge: beim siebminütigen Triumph (Track #3) ist der Meister in gewohnter Manier da, melodiös, rockig, druckvoll. Die zwei ersten Tracks scheinen nur wieder eine alberne Spielerei gewesen zu sein, die wir vergessen können. Für diesen Titel hat sich Devin Townsend einen berühmten Gastmusiker geladen: der virtuose Gitarrist Steve Vai soliert sich in diesem Song amtlich einen zurecht.

    Nun, jedenfalls bis zum Baby Song (Track #4). Der kriecht in beinahme walzerischem 3/4 Takt daher, die Instrumente umspielen Townsends Gesangsline, daß die Nummer sich wirklich schon nach Kinderlied anhört. Aber wie singt der Musiker zu Beginn? "Why don't you have a baby, why don't you have a child? Babies are good." -- ah ja, paßt irgendwie prima in ein Progwerk *hüstel*.
    Noch abgedrehter KANN es nicht werden? Veto, sage ich! Die Vampolka (Track #5) toppt das, sie ist eine ungarisch hoppelnde Polka von gerade eineinhalb Minuten. Das "Vam" scheint nur die Verbundenheit zum folgenden Vampira (Track #6) anzudeuten, erstere geht in letztere über. Beim dreieinhalbminütigen Vampirsong wird wenigstens wieder munter gerockt. Melodie und Tempo sind viel zu gutlaunig, als daß auch nur eine Idee von Grusel rüberkommen könnte, aber Townsend schreit wie nie zuvor.
Genauso abgedreht wie der Song, ist das dazugehörge Video:
The Devin Townsend Band - Vampira (Musikvideo)
    Bei Mental Tan (Track #7) gibt es zwei Minuten besinnlicher Meditation mit wenig Instrumenteneinsatz. Die Ruhe vor dem Sturm:
    Gaia (Track #8) knüppelt, drückt und zerrt, daß man nur noch die Zähne auf einander beissen kann. Natürlich verzichtet Townsend nicht auf Melodie und Feinarbeit zwischen den Teilen. Der Song ist eine unerwartete Grundreinigung von Seele und Geist, die sich gewaschen hat, der Sechsminüter hinterläßt nur verbrannte Erde. Wahnsinn!
    Es folgt der klimatische Überflieger Pixillate (Track #9), der mit über acht Minuten auch zeitlich die Oberhand behält. Eigentlich geht es harmlos an: ein Mudschahidin singt ein paar Zeilen, Gitarre, Bass und Drums gesellen sich dazu. Dieser Titel schaukelt sich in düster-treibender Atmosphäre hoch, zerlegt den Zuhörer gezielt Stück für Stück in Einzelteile. Neben der orientalisch angehauchten Harmonie entfaltet sich der Song vor allem durch die Drums.

    Zwei Sekunden deutlich hörbaren Durchschnaufens gönnt sich auch Townsend zu Beginn von Judgement (Track #10). Der Sechsminüter entwickelt sich zum erschlagenden Tag des Jüngsten Gerichts, auch wenn das Tempo mäßig ist und viele auflockernde Parts enthalten sind.
    Aus der Rechtsprechung wird in einem Rutsch A Simple Lullaby (Track #11). Nicht viel freundlicher, aber von der Harmoniearbeit ein wenig belebter.
    Der instrumentale Sunset (Track #12) ist rhythmisch flott, mit zweieinhalb Minuten knapp und von der Instrumentalisierung zauberhaft freundlich und angenehm.
    Bei Notes From Africa (Track #13) wird in sportlichen Riffs noch einmal geschoben, aber auch zum Ausklang dieses Albums sieht Townsend von Düsternis und Mißstimmung ab. Mit siebeneinhalb Minuten ein besinnlicher Ausstieg - auch wenn die letzten zwei Minuten davon alleine aus Regenwald-Samples inklusive Vogelgezwitscher bestehen.

    Ein wirklich nennenswerter Bonustrack findet sich auf meiner Version der Scheibe: Sunshine & Happiness (Track #14) ist eine straighte, unverschnörkelte Rocknummer, bei der Townsend die Sonne aus dem Gesäß scheint. Ja, sowas kann der Mann auch!

    Eine neue Reisemöglichkeit in fremde (musikalische) Welten...

Accelerated Evolution
Typ1 CD / Studio
Jahr2003
LabelHevy Devy Records / Inside Out Music
Songs
  1. Depth Charge
  2. Storm
  3. Random Analysis
  4. Deadhead
  5. Suicide
  6. Traveller
  7. Away
  8. Sunday Afternoon
  9. Slow Me Down
    Der Opener Depth Charge (Track #1) bläst einem unverblümt entgegen, an allen Instrumenten wird getobt, Townsend schreit, daß es eine wahre Wonne ist. Was singt er da - "the reptile in me"? Kraftvoll und wüst bittet uns Townsend durch die Tür, fordert uns auf zuzuhören. Aber gerne!
    Der folgende Storm (Track #2) klingt dagegen schon wie eine Erholung: auch seine Soundschichtung ist breit, aber das Tempo läßt ein wenig nach. Die Lyrics sprechen von vorbeirasendem Leben, dem Verrinnen der Zeit und Gefühlen, also gibt es einen Sturm der Gefühle - keinen vernichtenden Tornado.
    Die Random Analysis (Track #3) ist rhythmisch vertrackt und martialisch. Im weitesten Sinne geht es in den Lyrics um Sexualität, Lebenseinstellung und einen Tag alte Babies beiden Geschlechts - hmm... Darauf sollte sich jeder seinen eigenen Reim machen. Das hat sicher etwas mit der beschleunigten Evolution zu tun - und so. *grins*

    Der Deadhead (Track #4) ist melodiös und andächtig. Die unheilsschwangeren Akkorde blasen einem wie ein schneidender Eiswind entgegen, Townsends Lyrics wie "you are a sun goddess, will you save me?" änderen daran aber auch gar nichts. Der Achtminüter ist bombastisch und charismatisch - schlicht endgeil!
Charisma, Druck und Klangsphäre pur:
Devin Townsend - Deadhead (Studiovideo)
    Ganz leise und umsichtig steigt Suicide (Track #5) ein, entpuppt sich aber schnell als der Wolf im Schafspelz. Wie der Vorsong nimmt er seine erdrückende Wucht aus dem Arrangement und der Düsterkeit, das Tempo ist wirklich ruhig. Während Townsend vom "internal suicide" singt, tanzt die Stimmung auf und ab. Wow! Wow! Wow!
    Zur Albenmitte hagelt es also mächtig auf einen ein.

    Zwar klingen die letzten Töne des Symphonieorchesters (jaja!) noch im Traveller (Track #6), aber der geistige Selbstmord scheint nur ein böser Traum gewesen zu sein. Townsend singt ein heiteres "the life i have is the life i've always wanted and there's no more feeling low...", singt vom frischen Morgen, vom Aufbruch zur Reise.
    Und wirklich scheint es mit Away (Track #7) auf eine Reise zu gehen. Gemütlich und friedvoll zieht das musikalische Panorama an uns vorüber, das bindende Element in der (fast) instrumentalen Reise ist Townsends Leadgitarre, die in wunderschönen Melodien und mit technischen brillanten Flageoletts daherkommt. Die Sweepings und Tappings ab der Songmitte gehen auf keine Kuhhaut - erneut ehrfürchtiger Kniefall vor Songwriter und Gitarrist Townsend!
    Und die verdiente Erholung kommt mit Sunday Afternoon (Track #8). Ein friedvoll-gutmütiger Townsend singt: "dream on, dream another way, 'cause I know when the wind blows your name...it's a shame...things are strange but that's okay". Das ganze zu heiter-rockiger Mucke - ja, die Welt ist wieder in Ordnung.
    Auch der Finalizer Slow Me Down (Track #9) quillt vor lauter guter Stimmung und rockiger Lebensfreude nur so über, ein zauberhafter viereinhalbminütiger Abschluß des Albums.

    Dasselbe wie beim Voralbum Terria (s.u.); auf meiner Version sind noch drei Bonustracks, alle ganz witzig - aber auf jeden Fall verzichtbar, zumal sie unüberhörbar außerhalb des Albenkonzepts rangieren.

    Ein musikalisches Meisterwerk von Anfang bis Ende!

Terria
Typ1 CD / Studio
Jahr2001
LabelHevy Devy Records / Inside Out Music
Songs
  1. Olives
  2. Mountain
  3. Earth Day
  4. Deep Peace
  5. Canada
  6. Down And Under
  7. The Fluke
  8. Nobody's Here
  9. Tiny Tears
  10. Stagnant
    Der Opener Olives (Track #1) ist im Grunde die Eintrittspforte ins Theatre Bizarre. Dreieinhalb Minuten hören wir eine Stimme, die wie eine zu langsam gespielte Platte klingt. Ein Sprecher bittet uns herein, bietet einen Drink an, im Hintergrund zwitschern irgendwo Vögel. Langsam und zart bringen sich klare Gitarren, ein wenig Bass, Synthesizer und Drums ins Spiel.
    Wir schwappen zu Mountain (Track #2) hinüber. In Inro und Chorus wird druckvoll geknüppelt, lange Strecken des Sechsminüters sind instrumental, Samples aus einem scheinbar wahllos gewählten Mix bringen Atmosphäre und - naja - Verwirrung?! Ganz entspannt klingt der Song mit sanften Cleangitarren aus.
    Bei Earth Day (Track #3) wird direkt zu Beginn stapelhoch aufgetragen, es wird epochal. Ein hellwacher Townsend fordert uns auf: "eat your beets, recycle... recycle". Der Song zieht mit erschlagender Breite über einen her. Viel Tempo braucht es da nicht, zu Beginn flüstert Townsend eher, als daß er singt. Nach und nach kommt immer mehr Druck hinzu, die Gitarrenriffs sind großartig. Kurzweilige neuneinhalb Minuten zieht der bizarre Recyclingaufruf über einen hinweg.
Wer einmal in diese Endzeit eintauchen möchte:
Devin Townsend - Earth Day (Studiovideo)
    Es fließt abermals in den nächsten Song Deep Peace (Track #4) über. Die Dominanz zu Anfang hat eine akustische Gitarre, Stimmgewirr, Vogelzwitschern und Geigenstaccatos im Hintergrund verwischen alles. Erst nach zwei Minuten des Einstimmens geht der Song wirklich los, ganz getragen und friedlich. Zur Mitte kippt der Song in neue Thematik: ein lockeres Gitarrenpicking gibt ein neues Leitmotiv vor, filligrane Legatos fließen in ungewöhnlichem Metrum vorüber. Der Siebeneinhalbminüter steigt zum Ende noch einmal an, verliert seinen teifen Seelenfrieden aber nicht.
    Abermals kein Bruch zu Canada (Track #5), einem weiteren siebenminütigen Epos. Auch dieser Titel ist langsam, majestätisch und choral. Ob der Meister seiner Heimat eine neue Nationalhymne komponieren wollte? *grins*

    Zur Halbzeit gibt es das dreieinhalbminütige instrumentale Crescendo Down And Under (Track #6), das von einer perlenden Nylonklampfe zum saftigen Schieber anschwillt.
    The Fluke (Track #7) zieht munter und flott ab, Townsend darf zu heiteren Durakkorden klampfen und schreien, wie er will. Ausgefeilte Rhythmikkonstrukte beleben den Mittelpart des Songs, bevor das Arrangement einen langsam von allen Seiten erdrückt.
    Bei Nobody's Here (Track #8) geht es beängstigend friedlich und melancholisch zu. Ein sanfter Bass unterlegt Townsends tiefen und ruhigen Gesang. Im Chorus gibt es verzerrte Gitarren und etwas energischeren Gesang, aber der Song bleibt ein einziger epochaler Tränendrüsendrücker, bei dem man mit dem einsamen Townsend mitleiden muß.
    Zwar übernimmt Tiny Tears (Track #9) die Ausklänge des Vorsongs, er verdreht jedoch die Perspektive. Mit mitfühlendem Lächeln singt ein tröstender Townsend "wipe away your tears" und "in this life you get all that you deserve". Der Song trägt vom Arrangement fett auf, bleibt vom Tempo schön gemäßigt, ist sehr gebunden. Fürs Trösten nimmt sich der Komponist neun Minuten Zeit, ein herrliches Legato-Solo krönt die Mitte vorm bombastischen Ende.
    Ob beim letzten Song Stagnant (Track #10) noch einmal geprügelt wird? Nein - wieso denn! Es ist alles wieder gut, alles ist bestens: "summer's here, the sunlight greets the day, the winters gone, there's no more rain today...". Heitere fünf Minuten scheint einem die Sonne durchs Ohr bis ins Herz bei diesem melodiösen Albenschluß.

    Es scheint einige Versionen des Albums zu geben, auf meinem zumindest ist noch ein Bonustrack namens Humle, auf einigen Alben scheinen andere Songversionen zu sein - habs nur im Web bei Rezensionen oder Lyricseiten gesehen.
    Mein Bonustrack ist ganz nett und heiter, aber wenn man den nicht dabei hat, wird man dennoch nichts vermissen...

    Großartiger Townsend, tiefer Kniefall!

Physicist
Typ1 CD / Studio
Jahr2000
LabelHevy Devy Records / Inside Out Music
Songs
  1. Namaste
  2. Victim
  3. Material
  4. Kingdom
  5. Death
  6. Devoid
  7. The Complex
  8. Irish Maiden
  9. Jupiter
  10. Planet Rain
    Dieses Werk ist mir persönlich verschlossen geblieben, und vielen anderen Townsend-Fans ging es laut Feedback im Web ähnlich. Es ist deutlich härter als die beiden älteren Alben, hat einen rohen und martialischen Touch. Sicher eine interessante Spielart für Townsends Musik - ich jedoch vermisse die kryptische Tragik in diesem Werk. Die Stellen, in denen die typischen Spielereien und Abarten Townsends aufblitzen, sind mir zu selten. Außerdem ist die Spannbreite der Songs sehr eng beieinander, viel Abwechslung wird nicht geboten.

    Wer den Meister richtig abrockend erleben möchte, sollte sich - meiner Meinung nach - lieber in die Strapping Young Lad-Werke (s.u.) einarbeiten...

    Halbherzige Mischung zwischen Townsend und Strapping Young Lad.

Infinity
Typ1 CD / Studio
Jahr1999
LabelHevy Devy Records / Inside Out Music
Songs
  1. Truth
  2. Christeen
  3. Bad Devil
  4. War
  5. Soul Driven Cadillac
  6. Ants
  7. Wild Colonial Boy
  8. Life Is All Dynamics
  9. Unity
  10. Noisy Pink Bubbles
[ Bonus Tracks ]
  1. Sister (live acoustic)
  2. Hide Nowhere (live acoustic)
  3. Man (1996 demo)
    Und da lächelt uns ein nackiger Townsend vom weißen Cover seines zweiten Studioalbums Infinity aus an. Wie süß!
    Gleich kommt er bei Truth (Track #1) mit der blanken und ungeschönten Wahrheit heraus. Nach wenigen Takten triolischer Arpeggios auf der saftigen Klampfe steigt der Rest der Combo ein. Der Opener ist mit seinen knapp vier Minuten schwungvoll, verglichen mit der Düsternis der Ocean Machine (s.u.) schon erschreckend gut gelaunt.
    Und das geht noch besser: Christeen (Track #2) knüppelt im Anschluß noch breiter grinsend, Townsend strapaziert seine Stimmbänder bis zum Geht-Gar-Nicht-Mehr, dennoch bleibt der Song eine melodiöse, nette Ballade, das ganze auch nur knappe dreieinhalb Minuten.

    Aber Obacht: bei Bad Devil (Track #3) wird es schmissiger. Der Song ist subtil düster, flott, zwischendurch gibt es animalisches Gegrunze. Der Höhepunkt ist ein Trompetenpart ab der Hälfte, auf den Klänge folgen, die sich nach Kirmeskarussel anhören - das alles in sportlichem Affenzahn.
    Die Reise geht ohne Verschnaufpause in War (Track #4) über. Dieser Krieg ist ausgedehnt sphärisch, erst nach eineinhalb Minuten Gitarrenriffings und Echotröpfchen vom Keyboard wird gesungen und der Panzer schwerfällig aufs Kriegsfeld geschoben. Das Massaker ist mit seinen sechseinhalb Minuten der längste Song des Albums.
    Aus dem kriechenden Panzer wird in einem Guss der Soul Driven Cadillac (Track #5). Hier wird orchestral dick aufgetragen, schön ist, wie Gitarre, Keyborads und Drums um die bizarre Gesangsline herum gelegt werden. Der Song klingt in einem weihnachtsglockigen Reigen aus, bevor ein abstrakter Part mit animalischem Grunzen und Falsettgesang die Überleitung zu Ants (Track #6) bringt. Was soll man zu dem zweiminütigen Intermezzo sagen: ein Flohzirkus auf Drogen!
    Der Wild Colonial Boy (Track #7) tänzelt mit langsamen Gitarrenarpeggios daher, die irgendwo zwischen Blues und Hardrock anzusiedeln sind, ab der Hälfte kristallisiert sich ein Polka-Rhythmus heraus. Der Drogentrip hat sich scheinbar von der Ameise auf den Mensch übertragen.

    Eine kurze Stille, bevor Life Is All Dynamic (Track #8) startet. Der Anfang ist noch verwaschen und dünn arrangiert, die Distortions der Gitarre zerren stillos. Zum Chorus werden ein paar Instrumentalschichten draufgelegt: Kirchenorgel und Synthesizer verbreitern noch den Laufweg der sowieso schon platzraubenden Vocals. Das dynamische Leben wälzt sich fünf Minuten lang adipös beschwerlich dahin.
    Es quetscht sich noch in die Unity (Track #9) mit hinein. Aber dieser Titel wird schnell locker, tänzelt leichtfüßig, die größten Strecken bleiben instrumental.
    Das eigentliche Ende (der Rest sind ja Live-Bonustracks) ist Noisy Pink Bubbles (Track #10). Hier wird zunächst jede Harmonieskala außer Acht gelassen, zu den schrägen Instrumentarien kommen noch Kindergesangs-Einlagen, die allerdings unüberhörbar von Townsend himself stammen. Erst zum zweiten Drittel des Fünfminüters kommen lebendige Cleangitarren, ein treibender Bass und Gesang dazu.
    Der Trip endet also mit rosafarbenen Blasen im Ohr...

    Wer noch neue Eindrücke braucht, sollte sich von den Bonustracks vor allem Man (Track #13) reinziehen. Da wird gitarrenlastig düster geprügelt, geknüppelt und geschrien, scheinbar schon eine absichtliche Vorbereitung auf den Nachfolger Physicist (s.o.).

    Musikalischer Drogentrip zwischen verspielter Heiterkeit und absolutem Kontrollverlust.

Ocean Machine - Biomech
Typ1 CD / Studio
Jahr1997
LabelHevy Devy Records / Inside Out Music
Songs
  1. Seventh Wave
  2. Life
  3. Night
  4. Hide Nowhere
  5. Sister
  6. 3 a.m.
  7. Voices In The Fan
  8. Greetings
  9. Regulator
  10. Funeral
  11. Bastard
    1. Not One Of The Better Days
    2. The Girl From Blue City
  12. The Death Of Music
  13. Things Beyond Things (Bonus Track)
    Eine effektverzerrte Stimme von Townsend spricht kurz von vergangenen düsteren Zeiten der Straßenkriege und Umbrüche, eine postmoderne Endzeitstimmung entfaltet sich, bevor ein breites Gitarrenriff die Seventh Wave (Track #1) beginnen läßt. Die Instrumentalisierung des beinahe sieben Minuten langen Openers ist deftig und druckvoll, daher braucht es nicht viel Tempo, um die Nummer wirken zu lassen. Zwischen der Düsterkeit der Texte blitzen immer wieder schöne Momente der kleinen Freuden auf, teilweise überschwappen den Zuhörer ganze Stimmchoräle.
    Es gibt keinen deutlichen Bruch im Übergang zu Life (Track #2), aber die Stimmung wechselt merklich. Nach einem pompösen Intro zieht der Song locker und gutgelaunt los. Während der Chorus dichter arrangiert munter schiebt, sind die Strophen synthesizerbetont und perlen in lebendigen Arpeggios dahin. Nach der anfänglichen Endzeit gibt es quirlige Lebensfreude pur in Durakkorden.
    Die kommende Night (Track #3) ist wieder flächig, ein wenig düsterer, bleibt dank der Staccatoriffings sehr lebendig ohne zu verschwammen. Hier läßt sich eindrucksvoll hören, was der kleine Kanadier aus seinen Stimmbändern drücken kann!
    Der Song scheint auf das fünfminütige Hide Nowhere (Track #4) vorzubereiten. Nach einem markigen Intro bricht alles bisherige über einen herein, neben den ungewöhnlichen Harmonien und Rhythmikfiguren des Songs ist der Gesang das Auffälligste. Gleich in dutzendfachen Spuren schlagen einem die Lyrics um die Ohren, daß es wirklich keinen Ort zum Verstecken gibt.
    Zwar bricht abermals das Epos nicht ab, als es zu Sister (Track #5) übergeht, aber die Stimmung wechselt wieder merklich. Neben einem betäuben Stimmgewirr im Intro erklingen Westerngitarren. Der knappe Dreiminüter bleibt ein Klangintermezzo, das mit eingespielten Gewitterklängen im Hintergrund ausfadet.

    Eine dreisekündige Ruhepause ist uns vergönnt, bevor 3 a.m. (Track #6) ganz sachte auflebt. Auch er unter zwei Minuten nur eine einzige Klangfläche aus Synthesizersphären und einer sanften Stimme Townsends, die in Voices In The Fan (Track #7) übergeht. Bei diesem Song erschlägt einen wieder die chronische gute Laune. Highlight ist eine Passage zu Beginn des letzten Songdrittels, bei dem man sich beinahe in einer Klosterkathedrale wähnt: in kirchenchoralem Falsett erklingen klassische Töne. Irrsinn!
    Die Greetings (Track #8) perlen mit hohen und dünnen Gitarrenarpeggios ein. Ganz langsam baut sich die Atmosphäre auf, doch auch wenn der Song gegen Ende schiebt, bleibt er friedvoll und nett.
    Eine Synthifläche spült den Zuhörer direkt zum Regulator (Track #9) weiter. Der ist ruppig und wüst. Das Basistempo ist nicht allzu hoch, aber Townsend schreit mächtig. Es wird unmißverständlich klargemacht, wer hier etwas zu melden hat und wer nicht!

    Der Song Funeral (Track #10) bekommt Zeit. Er legt mit außerordentlichen Spielereien auf der Gitarre los (Hammering, Tapping, was auch immer der Meister da tut), bleibt im Grunde dünn und verspielt. Die achtminütige Beerdigungszeremonie ist friedlich und theatralisch-nostalgisch bittersüß - auch wenn Townsend ab und an ziemlich schreit. Scheinbar handelt es sich um seine Seebestattung: am Ende sind Möwen im Hintergrund zu hören. Ein zauberhafter Song.
    Der Bastard (Track #11) darf zehn Minuten sein Unwesen treiben. Es handelt sich um einen umtriebig verschlagenen Unhold, der zappenduster und langsam konstant seine Umtriebigkeit entfaltet. Von schnellem Gewüte ist jedenfalls keine Spur, Harmonien und Klangfülle sind bizarr.

    Und dann kommt der längste Track des Albums: The Death Of Music (Track #12) mit etwas mehr als zwölf Minuten. An diesem Beispiel kann man verdeutlichen, warum ich bei den Alben lieber von "Track" als von "Song" im Listing spreche. Denn einen Song haben wir hier nicht! Was mit dünnen Basshüpfern und Percussions, Stimmgewirr und leisen Vocals beginnt, schafft es bis zum Ende nicht zu einem Song. Für diese Nummer gibt es nur das Prädikat: vollkommen abgedreht!!!
    Um so schöner, daß das nicht das Ende ist. Der Bonustrack Thing Beyond Things (Track #13) empfängt uns mit offenen Armen. Dieser Ausklang ist so erschrecken straight, ruhig, süß, nett und friedlich, daß man geschlagene vier Minuten und fünfundvierzig Sekunden mit offenem Mund dasitzt und die Welt nicht mehr versteht. Nur Vorsicht: für die letzten zehn Sekunden hat sich der Maestro einen schockierenden Ulk in der Hinterhand behalten. Zum Schutz von Nerven und Trommelfell sollte man die Lautstärke arg reduzieren. Nach diesem Debüt-Schluß sind auch die letzten musikalischen Klarheiten zur Gänze beseitigt!

    Ein musikalischer und emotionaler Tieftauchgang, der kaum zu überbieten ist!

STRAPPING YOUNG LAD - Alien
Typ1 CD / Studio
Jahr2005
LabelCentury Me
Songs
  1. Imperial
  2. Skeksis
  3. Shitstorm
  4. Love?
  5. Shine
  6. We Ride
  7. Possessions
  8. Two Weeks
  9. Thalamus
  10. Zen
  11. Info Dump
    Das Cover und der Albentitel alleine lassen erahnen, daß es sich hier nicht um Kuschelrock handelt. Mit Strapping Young Lad hat Townsend das Bandprojekt, bei dem er sich körperlich und musikalisch austoben kann.
    Wer ultraharten Terror - mit Songtiteln wie Shitstorm (Track #3) - geniessen kann und will, kommt bei dieser Scheibe voll und ganz auf seine Kosten. Der kleine Mann aus Kanada stößt mit Gitarre und Stimme an die Grenzen des menschlich Machbaren.
    Gefaßt sollte man sein, daß einen gegen Ende des tonalen Massakers urplötzlich ein instrumentaler Ausrutscher mit Two Weeks (Track #8) überrennt -- quasi eine kurze und beinahe erschreckend friedfertige Verschnaufpause, bevor es zum Terrorfinale geht...
Mal eben reinhören? Den erschreckend ruhigen Audiotrack gibt es hier:
Strapping Young Lad - Two Weeks (Audio only)
    Es gibt weitere SYL-Alben, die sich bei Interesse schnell finden lassen! Check da Linxx...

    Testosteron, Adrenalin und Terror in Reinkultur.