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Opeth : Alben

Die vollständige Diskographie bitte den offiziellen Links entnehmen!

Heritage
Typ1 CD / Studio
Jahr16.09.2011
LabelRoadrunner (Warner)
Songs
  1. Heritage
  2. The Devil's Orchard
  3. I Feel The Dark
  4. Slither
  5. Nepenthe
  6. Häxprocess
  7. Famine
  8. The Lines In My Hand
  9. Folklore
  10. Marrow Of The Earth

Watershed
Typ1 CD / Studio
Jahr2008
LabelRoadrunner (Warner)
Songs
  1. Coil
  2. Heir Apparent
  3. The Lotus Eater
  4. Burden
  5. Porcelain Heart
  6. Hessian Peel
  7. Hex Omega
  Drei Jahre nach dem großartigen Vorgänger gibt es also endlich wieder neues Material von den Schweden. Das Cover an sich ist im üblichen Stil der Band gehalten. Ähnlich wie das Titelbild des Covers gibt es im Inneren ein paar Bilder mit grün-weiss-schwarzen Waldsezene, menschlichen Figuren darin, all das lehnt sich an die Inhalte der Musik und Texte an, läßt viel Spiel für eigene Interpretationen. Was mich ziemlich überrascht - und zu einem Schmunzeln gebracht - hat: in diesem Booklet gibt es keine Texte. Zumindest keine entzifferbaren. Denn es gibt lediglich eine Seite mit krytischen Zeichen, die beim besten Willen nicht alle Lyrics der Platte enthalten können, egal was für eine mysreriöse Geheimschrift das sein mag. Nun, wer die Texte sucht, wird selbstredend im Netz fündig. Wie knüpft das Werk musikalisch an seinen Vorgänger an?

  Der Opener Coil (Track #1) startet extrem friedlich. Klare Akustikgitarren, eine weiche Stimme des Frontmanns Mikael Åkerfeldt, gedehnte Melodiebögen und sogar eine weibliche Gastvokalistin bestimmen das Klangbild des Dreiminüters. Der Bass ist deutlich, aber zurückhaltend, seichte Streicher füllen im Hintergrund dezent das Panorama. Es wird schwermütig im Duett von melancholischen Erinnerungen an eine schöne Vergangenheit und die Sorgen des Menschseins geschmachtet. Erst ganz am Songende droht Ungemach, als ein düsteres Grollen erklingt.
  Heir Apparent (Track #2) grollt pausenlos noch zwei Sekunden weiter, bis druckvolle Gitarren langsam riffen. Alles ebbt noch einemal kurz in eine Pianophrase ab, bis das Ensemble losgeht. Das Tempo ist zunächst noch getragen, aber die wuchtigen Gitarren und das straighte Schlagzeug zeigen, wo es hingeht. Die Growls des Frontmanns kommen mächtig und energisch dazu. In diesem Neunminüter wechseln die Parts immer wieder zwischen Metalpassagen mitsamt wüster Doublebassdrum, kurzen instrumentalen Soloteilen und stillen Flächen, die synthetisch-melodisch Ruhe geben. Es ist ein wahres Wechselbad der Klänge und Emotionen. Der Showdown ist mit rhythmischen Finessen gespickt, bevor der Song in einem breiten Klangpanorama, wieder mäßigem Tempo und letztlich a-tonal quietschend rückkoppelnden Gitarren ausklingt.
  The Lotus Eater (Track #3) täuscht einmal kurz in eine bizarr falsche Richtung an, denn zu Beginn summt Åkerfeldt begleitet von dünnen Synthiklängen eine Melodie, die sich fast nach einem Kinderlied anhört. Doch schnell heißt es: Knüppel aus dem Sack! Das Grundtempo und die Wucht der schnellen Parts ist deutlich höher als beim Vorsong. Aber der Titel bleibt gespickt mit melodischen Riffs, vielfach bricht alles in sich zusammen, Mellotronsounds fideln psychedelisch bindende Themen. In der Mitte gibt es eine längere Instrumentalstrecke aus Akustikgitarre und nachdenklich-dezenten Soloeinwürfen der Leadgitarre. Daran schließt sich eine rhythmisch ausgefeilte Bridge an, die zum kraftvollen und schnellen Songende überleitet. Dieser Song ist exakt so lang wie sein Vorgänger, ist genauso überraschend abwechslungsreich, hat seine brisanten Akzente aber auf anderen Schwerpunkten.
  Burden (Track #4) als Mittelteil des Albums ist wesentlich ruhiger. Zu einer nachdenklich Pianolinie flöten Leadgitarren ein, Streicher erklingen, der Gesang ist glatt und ein wenig anrührend. Alle Instrumente spielen sich gegenseitig die Einsätze zu, anstatt gegeneinander anzuwüten, das Gesamtbild ist eher balladesk. Gute siebeneinhalb Minuten kann der Zuhörer in gleichmäßigem Klang baden. In der Mitte solieren zwei Gitarren miteinander auf beinahe bluesigen Melodien. Nach einer minutenlangen Solostrecke hören alle Instrumente nach und nach auf, bis nur noch eine Nylongitarre ein paar klassische Themen spielt. Zum Songende lauert noch ein kleiner Haken: die klassische Gitarre wiederholt ein Thema mehrfach, plötzlich scheint sie sich nach unten zu verstimmen, spielt die melodische Phrase jedoch unbeirrt weiter, während sie sich tiefer und tiefer verstimmt. Ganz zum Schluß hören wir ein Lachen, das metallisch entfremdet und in einer unmenschlich geschnitten Repeatschleife den Song auf unerwartet psychedelische Weise ausklingen läßt.
  Porcelain Heart (Track #5) steigt wieder mit wuchtigen Gitarrenwänden ein, ist aber vom Tempo zunächst eher getragen. Auch hier gibt es akustische Klänge und zarten Gesang, die teilweise eng beieinander liegen. Unterm Strich ist auch dieser Titel friedlich, er nimmt seinen Vielfalt aus einem sehr ohrgängigen Leitthema, das von Anfang bis Songende durch eine Vielzahl von Arrangements variiert wird, sich leicht wandelt, aber immer erkennbar bleibt. Seine Struktur erinnert abermals an ein Kinderlied, und bezieht man Songtitel und Text in philosophische Überlegungen zu dem Song mit ein, wird er schnell zur tragisch-melancholischen Ode an die Kindheit.
  Hessian Peel (Track #6) ist mit elfeinhalb Minuten längster Song der Scheibe und einfach toll. Zunächst gibt es einen langgezogenen Basston, um den sich eine glasklare Westerngitarre schlängelt. Sie wird durch eine nur leicht verzerrte E-Gitarre ersetzt, die mit dem Bass eine einfache Melodie vorgibt, auf die der Gesang einsteigt. Ein schön akzentuierter Sechsachteltakt pendelt sich erst nach zweieinhalb Minuten ein, über den der Bass dezent und gleichmäßig hüpft. Eine perlende Akustikgitarre unterlegt harmonisch, der Gesang ist weich, mit deutlichem Hall unterlegt, es wird über Kindheitstragödien und herbstlich fallende Blätter gesungen. Nach einem Mittelteil aus einem einsamen Piano ändert sich die Stimmung. Mit flotten Drums, akzentuierten Licks der E-Gitarre und Growls wird es kurzzeitig ruppig. Das Grundthema der ersten Songhälfte steckt da irgendwo merklich drin, hat sich aber gewandelt. Doch es wird keinesfalls bis zum Ende des Longtracks durchgewütet. Gestreckte Synthiparts, die stark an Pink Floyd erinnern, binden, während mal mit wuchtigen Distortiongitarren gezimmert, dann wieder mit akustischen Westerngitarren ruhig phrasiert wird. Am Ende zaubert uns das synthetische Mellotron einen seltsamen Mix aus schrägen Akkorden und einem aufdringlichen Pedalton. Nicht nur wegen seiner Länge hat man nach diesem Song immer wieder das Gefühl, daß da mehr Fragen überbleiben als Antworten, die man gefunden zu haben glaubt.
  Hex Omaga (Track #7) ist der siebenminütige Albenschluß (zumindest auf der Fassung ohne Bonustitel). Er ist im Gros ruhig, hat eine überschaubare Leitphrase, um die sich - in ihrem orientalischen Hauch - Mellotronklänge, Leadgitarre und Gesang schlängeln. Es ist also zum Ende noch einmal ein entspannendes Bad im sphärischen Klang angesagt. Die letzten gut zwei instrumentalen Minuten schiesst sich das Ensemble aus Gitarren, Bass und langsamen Drums auf ein beinahe majestätisches Riff ein, das einige Male wiederholt wird. Als die Gitarren verklingen, meldet sich auf einmal - zuvor auf der Platte noch nicht dagewesen! - eine Kirchenorgel, die den letzten Akkord übernimmt und aushallen läßt. Und auf einmal stehen wir unvermutet und alleine inmitten der stillen Kathedrale...

  Dieses Album hat mir - ebenso wie sein Vorgänger Ghost Reveries (s.u.) - auf Anhieb große Freude gemacht, die auch nach dutzendfachem Hören nicht nachlassen will. Der musikalische Stil ist sehr ähnlich, doch dieses Album spielt noch zwangloser mit Klangwelten, mischt vielfach akustische Gitarren wie selbstverständlich unter. Dafür kracht es, wenn es mal kracht, umso doller. Alles in allem ist es wieder ein sehr homogenes Konzeptalbum geworden, das jedem, der an den Voralben Gefallen gefunden hat, zusagen muß. Die inhaltlichen Veränderung, denn wie bei seinem mystisch-gespentischen Vorgänger geht es auch hier um Vergangenheit, Tragik und leicht düstere Lebensausschnitte, liegt für mich darin, daß sich die Themen näher am Menschlichen orientieren und das rein Übersinnliche zu dessen Gunsten ein wenig hinten anstellen. Aber das ist ja nur meine subjektive Auffassung.
  Jedenfalls hat sich die dreijährige Periode des Wartens ohne Zweifel bezahlt gemacht, denn das Werk ist musikalisch (mal wieder) einwandfrei und eine lohnenswerte Ergänzung -- zumindest meiner -- Progsammlung.

  Experimentelles, vielfach überraschendes Konzeptalbum!

Ghost Reveries
Typ1 CD / Studio
Jahr2005 ( Re-Release 2007 )
LabelRoadrunner (Warner)
Songs
  1. Ghost Of Perdition
  2. The Baying Of The Hounds
  3. Beneath The Mire
  4. Atonement
  5. Reverie / Harlequin Forest
  6. Hours Of Wealth
  7. The Grand Conjuration
  8. Isolation Years
    Von den Träumereien oder Schwärmereien eines Geistes will uns dieses schwedisch-progressive Konzeptalbum erzählen. Gleich das Äußere ist eine optische Einstimmung auf die vielschichtig bizarr-düstere Welt, in die wir eintreten. Das hier abgelichtete Cover ist nicht wirklich das, was uns in der Hülle des Albums erwartet, denn die Beschriftungen links oben und unten in den Ecken befinden sich als Aufkleber auf dem Plastik. Das dunkle Bild (Kompliment an den Zeichner!) mit dem gotischen Fenster und dem Kerzenständer im Vordergrund ist das einzige, was auf dem Booklet selbst zu sehen ist.
    Im Textbuch ändert sich nicht viel: überwiegend Schwarz, die Songtitel sind in verschnörkelter Schrift abgedruckt, aber die Lyrics sind in "normalem" Stil gehalten und ohne Augenzwinkern oder Lesebrille überall gut zu entziffern. Einige kryptische Zeichnungen im Stil des Frontbildes gibt es auch wieder, was jedoch bei geöffnetem Cover ins Auge sticht, ist die antrazitfarbene CD mit tiefschwarzem Aufdruck. Drücken wir uns nicht länger drum herum, Lade des CD-Players auf -- und ab dafür!

    Der Opener Ghost Of Perdition (Track #1) klotzt gleich mit satten zehn Minuten ran. Einige sanft-träumerische Akustikgitarrenchords klimpern an, doch bereits nach wenigen Sekunden geht das Gedonner los, volles Line-Up und animalisch düsteres Gegrunze von Frontmann Åkerfeldt peitschen uns um die Ohren. In vielen Sequenzen kippt das Ensemble in ruhige Phrasen, die Trommelfeuer vom Schlagzeug pausieren, die ruppigen Distortionäxte werden durch perlende Akustikgitarren ersetzt - und das Tier am Mikro singt rund und beinahe erschreckend sanft. Es kommen Passagen mit merklich orientalischen Skalen, zur Songmitte gibt es ein Highlight aus Staccatoriffings, das in einem glatten Crescendo und Legatolicks in einen wuchtigen Showdown des Openers ausläuft. Viele der musikalischen Phrasen und textlichen Inhalte werden uns im Verlauf des Albums wieder begegnen. Warum beim Songtitel der explizite Hinweis auf "Ouvertüre" fehlt? Keine Ahnung, vielleicht Understatement, vielleicht schickt sich das für ehemalige Deathmetaller nicht. Wie auch immer, so darf es gerne weitergehen!
    Zu The Baying Of The Hounds (Track #2) gibt es eine kurze Pause (ein oder zwei Sekunden), denn auch wenn der Stil derselbe bleibt, wechseln einige Nuancen. Der Beginn ist treibend, es wird wieder ins Miro gegrunzt, doch es dominieren orientalische Skalen, im Hintergrund quäkt eine Hammondorgel mit. Nach nicht einmal zwei Minuten werden Arrangement und Riffs straighter, die Orientalik klingt in einem kurzen E-Gitarrensolopart aus, der Gesang kommt melodischer, zur Mitte des (ebenfalls über zehn Minuten dauernden) Titels gibt es einen gebundenen, ja fast schwimmenden Teil, der vom Stil her stark an Porcupine Tree erinnert. Nun, wen wunderts - die Zusammenarbeit beider Bands wurde ja in der Biographie angesprochen. Aber geklaut wurde hier nichts, denn nach dem gut eingepassten Intermezzo, das eher wie eine Verschnaufpause wirkt, nimmt der Song Anlauf zum brachialen Endspurt.     Beneath The Mire (Track #3) geht mit einem trockenen Drumfill los, bevor sich die sauber getrennten Linien der Gitarren und Synthis dazuschlängeln. Zur ersten Strophe wird es gebundener, die melodischen Themen bleiben, werden nur ein wenig verwaschen. Plötzliche Metrumverschieber und Wechsel auf klare Melodiebögen werfen den Zuhörer ziemlich aus der Bahn, doch irgendein Instrument oder eine Melodie knüpft schlüssig an den Vorpart an. Zur Songmitte sind wir plötzlich ganz woanders: sanfte Klaviertöne, dezenter Gesang, der weiter nach hinten in den Klangraum gerückt ist, und flötende Gitarrensoli breiten eine sphärische Stimmung aus. Der rhythmische treibende Showdown des nur (!) knapp achtminütigen Titels verhindert zielsicher das versehentliche Einnicken *grins*.
    Atonement (Track #4) ist eine kuriose Überraschung. Das lange Intro wird von einem Synthisound unterlegt, wie wir ihn von Pink Floyd vielleicht erwartet hätten. Dazu gibt es einen Mischmasch aus orientalischen Melodien, über weite Strecken doppeln sich Gitarren, Synthesizer und Gesang, so daß man sich eher in einem akustischen Opiumvollrausch im vorderen Orient wähnt als auf einem schwedischen Progalbum. Zum Zenit des Albums also jede Menge Chill-Faktor über sechseinhalb Minuten. Erst in der letzten Minute gibt es gewohnte Instrument- und Melodievorbereitung auf den zweiten Teil.

    Reverie / Harlequin Forest (Track #5) nimmt dankbar die letzten Melodien des Vorsongs auf, übersetzt sie stufenlos in aalglatte Riffings mit "üblicher" Besetzung. Die Riffs und Melodien sind gradlinig, ohrgängig und zumindest die ersten Minuten wird friedlich gesungen. Nach und nach wird es ruppiger, es wird wieder mal gegrunzt, aber durchgängigen Terror gibt es nicht. Immer wieder kommen Ruhephasen, Melodiebögen, die wir zuvor schon gehört haben. Sieht man sich die Songtitel einmal an, hatten wir beim Albenopener bereits den Geist, die Schwärmereien bekommen wir also an dieser Stelle. Und diese Schwärmerei hier ist mit ihren über elfeinhalb Minuten auch längster Song des Werks. Der Songtitelzusatz Harlequin Forest erschliesst sich mir zunächst über die Harmonien, die an einigen Stellen wieder leicht östlichen Touch bekommen. Verbunden mit dem Hinweis auf die "Schwärmerei" ergibt sich ein schlüssiges Gesamtbild, denn der Mittelteil ist von Ruhe, gedehntem Frieden und besänftigen Melodien dominiert, die mich am ehesten an Fates Warning erinnern. Es kommen immer wieder Gangartwechsel, gelegentlich zieht der Druck an, kurz: für Abwechslung ist immer gesorgt. Dieser Song alleine ist ein toller Trip, der sich wunderbar ins Album einpasst, ohne dabei den Rest in den Schatten stellen zu können.
    Hours Of Wealth (Track #6) tröpfelt mit klaren Gitarren an, Streicher und Flötenklänge aus dem Synthi binden, dann perlt eine klare Westerngitarre zusammen mit Pianoläufen, all das bis zur Songmitte (wir haben es nur mit einem guten Fünfminüter zu tun) instrumental, plötzlich ein Schnitt. Nur eine dezente und kurz angebundene Orgel und die fast anrührende Stimme von Mikael Åkerfeldt geben sich ein nachdenkliches Stelldichein, in dessen Ende eine bluesig-weiche Gitarre einsoliert. Und ganz, ganz sachte klingen Solo und Synthi aus. Geil, geil, geil!
    The Grand Conjuration (Track #7) gibt natürlich noch einmal Gas, aber das instrumentale Intro ist gedehnt, es gibt keinen unvermittelten Knüppler nach dem ruhigen Vorsong. Die Nummer ist in weiten Passagen subtil, man spürt die Durchtriebenheit. Und wenn es ausbricht, dann ballern einem die Riffs mit animalischem Grunzen und die Doublebass der Schiessbude wieder in die Gehörgänge, es wird auch mal wüst soliert. Ein letztes Mal wird gute zehn Minuten alles von der Kette gelassen, was das gesamte Spektrum des Albums ausmacht. Der Abgang dieses Songs ist eine einzige wuchtige Orgie, die bei keinem Progfan mit ihren immensen Sprüngen innerhalb des Spannungsbogens, den rhythmischen Finessen und sphärischen Klangebenen der Instrumentalstrecken irgendwelche Wünsche offenlassen dürfte.
    Isolation Years (Track #8) ist der Ausklang, der sich in Frieden und Andacht präsentiert, mit nicht einmal vier Minuten kürzester Song des Albums. Es ist weich, rund, melodiös und wunderbar unspektakulär, was wir zum Abschied zu hören bekommen, eine melodische und textliche Ode an Einsamkeit und Schmerz des menschlichen Lebens. Ein glanzvoller Abgang für die Schwärmereien eines Geistes!

    Ich habe keine schlüssige Erklärung dafür, wie sich dieses Meisterstück zweieinhalb Jahre meiner Kenntnis entziehen konnte. Umso glücklicher bin ich, es noch entdeckt zu haben. Ich bin kein Anhänger der Düsterfraktion, zumal mir die zwanghafte Masche des "Satan, wir huldigen dir!" meist zu wenig Texttiefe bietet. Auch bin ich kein Freund von Dauergrunzer-Bands, denn das wichtigste Instrument, das die Inhalte transportiert, ist nunmal die Stimme. Sänger Mikael Åkerfeldt schafft so manchen Spagat mit seiner Stimme, der mich immer wieder mit unglaublichem Kopfschütteln in Ehrfurcht staunen läßt.
    Die düstere Note dieses Konzeptalbums ist unverkennbar, aber so filigran in das breitschichtige Werk eingebunden, daß mir kein vergleichbares Album einfällt. Jedem Progfan, der noch nicht Notiz von dieser Scheibe hat, kann ich ein Testhören nur dringend empfehlen. Auch Anhänger des Metal und düsterer Ableger sollten Gefallen an dieser Platte finden können. Dieses Werk peitscht einem mit Energie und Wucht so viele Facetten um die Gehörgänge, die alle irgendwie in pechschwarzer, verdorbener Erde wurzeln, aber es sprießt und gedeiht dennoch aller Orten, und dieses berechenbar unberechenbare Zauberspiel hat extremen Suchtfaktor. Eigentlich kennt man alle Themen und Phrasen nach dem ersten Hören, aber ich strahle jedesmal wieder, wenn die bekannten wie heißbegehrten Wendungen kommen.
    Nun, über Musik zu lesen ist die eine Sache, sie selbst zu hören die weitaus wichtigere. Als Fazit bleibt mir nur zu sagen:

    Düster schweden-proggiges Konzeptalbum: endgeil !

Damnation
Typ1 CD / Studio
Jahr2003 ( Re-Release 2007 )
LabelZomba (Sony BMG)
Songs
  1. Windowpane
  2. In My Time Of Need
  3. Death Whispered A Lullaby
  4. Closure
  5. Hope Leaves
  6. To Rid The Disease
  7. Ending Credits
  8. Weakness
  Für diese Platte gilt nun dieselbe Vorgeschichte wie für die Deliverance (s.u.), also möge der Interessierte sich einmal den ersten Absatz dort anschauen. Die musikalisch - na, sagen wir - "ruhigere" Ausrichtung wird schon optisch durch das hellere und nicht ganz so unheilsschwanger düstere Cover vorangekündigt. Aber zum musikalischen Inhalt...

  Der Opener Windowpane (Track #1) ist mit siebendreiviertel Minuten gleich der längste Song auf der Platte. Seine Basis sind fein ausgetüftelte und sauber einzeln wahrnehmbare Akustikgitarre, ein deutlicher aber friedlicher Bass und ein dezentes Schlagzeug. Alles scheint ohne Hektik zu schwimmen, ab und an mischen sich Synthi- und Streicherklänge unter, die bald wieder verschwinden, der Gesang ist weich und rund. Kurios sind die leicht hüpfende Sechsachtelrhythmik, die mal stärker durchkommt, mal in den schwimmenden Sphärenklängen komplett unterzugehen scheint. Ja, man wähnt sich wirklich beinahe auf einer älteren Scheibe von Porcupine Tree. So ungern ich dies bei anderen Rezensenten immer wieder lese und selbst erwähnen muß, so sehr trifft es speziell auf diese Platte dennoch zu. Zumindest für mich ist dies kein Negativum - das nur am Rande.
  In My Time Of Need (Track #2) behält die instrumentale Ausrichtung bei, hat aber ein glatteres Metrum. Er ist dafür ein wenig schleppender und spielt mit wunderbar krummen Harmonietricks. Gemäß dem Songtitel mischen sich Schwermut und Tristesse in den sehr gleichmäßigen, dünn instrumentalisierten Song, der nach fünfeinhalb Minuten langsam leiser und leiser wird, ohne Schlußpunkt, Clou oder Fazit abebbt.
  Death Whispered A Lullaby (Track #3) beginnt mit einer einsamen Akustikgitarre, die fluende Licks spielt. Bald baut sich das restliche Ensemble aus Schlagzeug, dominatem Bass und cleanen E-Gitarren um diese Licks herum. Weite Teile des Songs sind vom Arrangement sehr dünn gehalten, doch das stringente Tempo treibt subtil voran. Abgesehen von kurzen Soloparts und einigen Stellen, bei denen es mit mehrstimmigem Gesang und begleitenden psychedelischen Läufen auf der Leadgitarre etwas voller wird, kriecht der Song in seiner schauerlichen Mystik weiter. Er endet auf einem knappen Finalchord, jedoch ohne große Showdowneffekte und Überraschungsmomente.
  Closure (Track #4) ist nun ein ziemlicher Wolf im Schafspelz! Zu Beginn gibt es abermals eine klare Akustikklampfe und zweistimmigen Gesang, das Intro nimmt sich eine Menge Zeit. Und auf einmal erklingen dieselben psychedelisch-orientalischen Licks wie im Vorsong. Zusammen mit einem flötenden, aufdringlichen Mellotron reitet der Titel auf dieser Thematik herum, eine verzerrte E-Gitarre kommt dazu, und man riecht schon förmlich die Fortsetzung des Vorsongs. Doch genau in dem Moment, in dem man das breite Arrangement, vielleicht einen gedehnten Solopart vermutet, bricht alles zusammen. Wieder kommen nur eine Akutikgitarre und Gesang. Anschliessend kehrt das mysteriöse Hauptthema zusammen mit Percussions zurück, aber jeder Instrumentenzauber bleibt aus. Beinahe wie in einer Trance wiederholt sich das Leitthema konsequent - und bricht ohne Vorwarnung mitten in vollem Lauf ab. Ein sehr verwirrender und progressiver Titel, der es in sich hat!
  Hope Leaves (Track #5) ist sehr seicht und abermals schwimmend. Synthi und Mellotron braucht es für seine hauchzarte Stimmung jedoch nur sehr begrenzt. Zwar ist der Rhythmus wieder leicht vertrackt, aber im Grunde hat man sein Leitthema schnell im Ohr und kann sich überraschen lassen, wie sich das Thema immer wieder leicht wandelt, bis es nach viereinhalb Minuten ganz sachte verschwindet. Ein unspektakulärer aber zauberhaft verspielter Song.
  To Rid The Disease (Track #6) ist mein Favorit von der Scheibe, mit seinen sechseinhalb Minuten Dauer zweitlängster Titel des Albums. Fahrlässig könnte man ihn auch als "mainstreamigsten" Titel des Werkes beschreiben, denn zumindest am Anfang gibt es eine klare Struktur von Strophe, Bridge und Chorus, die sich mehrfach abspult. Es geht um Krankheit und Leid der Menschen, und das lyrische Ich stellt zunächst fest, daß der Schöpfer einen Fehler begangen haben muss. Stellt sich selbst und uns aber im selben Atemzug die Frage, ob man es wagen könne und solle, den Schöpfer darauf aufmerksam zu machen, ja, ihm womöglich noch Ratschläge erteilen könne. Der erste Songteil hat so einen fassbaren Inhalt, weiche Instrumentalisierung und Gesang sowie sehr ohrgängige und traumhafte Melodiebögen. Ziemlich genau zur Mitte wechselt der Song in einen instrumentalen B-Part, in dem Produzent Steven Wilson am Piano gastmusiziert. Dieser zweite Teil greift nicht auf die Harmonien des ersten Teils zurück, hat auch eine leicht gewandelte Instrumentalisierung, passt sich aber nahtlos an und erweitert das Klangprofil des charismatischen Songs. Prädikat: ein Schmuckstück!
Gleich reinhören und sehen?
Den Konzertmitschnitt von der DVD Lamentations (s.u.) gibt es bei YouTube:
Opeth - To Rid The Disease
  Ending Credits (Track #7) ist instrumental und mit seinen etwas mehr als dreieinhalb Minuten auch kürzester Titel der Platte. Neben einem Fadeout am Ende startet der Song komischerweise auch über ein Fadein. Man hat also beinahe das Gefühl, in einen kleinen Ausschnitt eines bereits laufenden Ganzen hineinzuplatzen. Zunächst soliert eine weich gespielte E-Gitarre unspektakuläre Solophrasen, bis sich eine zweite Gitarre dazugesellt. Harmonisch und klanglich arbeiten beide Instrumente eng zusammen. Ein schönes und verspielt andächtiges Intermezzo kurz vor dem Albenende.
  Weakness (Track #8) ist wohl der denkbar dezenteste Finalizer, den man sich bei diesem Album und speziell bei dieser Band überhaupt vorstellen kann. Im Grunde haben wir es nur mit einer filigranen Leitlinie des Mellotrons zu tun, das einige Akkorde dudelt, darüber singt - leise, verhalten und auch noch effektentfremdet - der Frontmann Mikael Åkerfeldt kraftlose, verzweifelte Zeilen, daß es sich beinahe wie ein Zusichsprechen oder -flüstern anhört. Die Schwäche und Zerbrechlichkeit dieses vierminütigen Albenendes hätte den Titel des Songs nicht besser umsetzen können.

  Das Album ist leicht und melodisch, oft von Akustikgitarren geprägt. Es gibt auf dem gesamten Werk nicht eine kraftvolle Gitarrenlinie, keinen wütend-energischen Gesang, keine Growls. Wie Frontmann Mikael Åkerfeld im Dokumentationsteil der DVD Lamentations (s.u.) selbst erklärt, war einfach die Ideenflut so groß, daß sie sich entschlossen haben, zwei getrennte Alben zu produzieren. Die Fans der "alten Schule" dürften mit der vorhergegangenen Deliverance (s.u.) wahrlich genug Material bekommen haben. Diese Platte hier ist nun einmal die komplett ruhige und melodische Seite der Band, die wunderbar umgesetzt wurde und trotz aller Ähnlichkeiten zu Porcupine Tree und der Mitproduktion von deren Frontmann eine sehr eigenständige Linie verfolgt.
  Diese Platte ist deutlich zu komplex aufgebaut, um in ihr den plumpen Versuch eines mainstreamigen Kassenfüllers zu vermuten. Vielmehr bewundere ich den Mut der Band, die sich bestimmt im Klaren darüber war, es sich mit großen Teilen des alten Fanstammes (zumindest vorübergehend) verhageln zu können. Daß diese Scheibe ein experimenteller Ausflug war, aber keine endgültige Umorientierung oder gar "Verweichlichung", zeigt der zwar wieder sehr melodische - aber auch streckenweise brachiale - Nachfolger Ghost Reveries (s.o.) später deutlich. Ein Testhören ist natürlich immer angesagt, nachdem man die sehr subjektiven Eindrücke eines (oder vielleicht auch mehrerer) Rezensenten gelesen hat. Für mich gab es keinen Zweifel, daß mir das Album gefallen würde - und einmal mehr hat mich die Band nicht enttäuscht...

  Ein komplexes, ruhig-melodisches und sehr experimentelles Album, einfach toll!

Deliverance
Typ1 CD / Studio
Jahr2002 ( Re-Release 2006 )
LabelZomba (Sony BMG)
Songs
  1. Wreath
  2. Deliverance
  3. A Fair Judgement
  4. For Absent Friends
  5. Master's Apprentices
  6. By The Pain I See In Others
    Diese Platte ist nun Werk Nummer zwei unter der Mitwirkung des Porcupine Tree Frontmanns Steven Wilson, das sich in seiner Ausrichtung vom Voralbum jedoch stark absetzt - und irgendwie doch auch nicht! Keine Angst, ich verrenne mich hier nicht in Relativierungen oder Widersprüche. Diese Scheibe ist eine Anknüpfung an die älteren Werke der Band aus ihren "reinen" Deathmetalzeiten. Für sich genommen jedenfalls. Das nachfolgende Werk Damnation (s.o.) erschien bereits wenige Wochen nach dieser Platte. Die Band - allen voran Frontmann Mikael Åkerfeldt - hatte eine scheinbar übergroße Flut an Ideen und Inspiration, hat sich untypischerweise dazu entschlossen, in besagtem Wochenabstand zwei getrennte Alben auf den Markt zu bringen, dieses nun als erstes. Diese Scheibe hier ist sozusagen die blanke Terroressenz - ja, natürlich wird am Rande auch jede Menge progressiver Stuff mitgeliefert - während die Damnation der gedehnt-melodische Weichspüler wurde. Das als grober Fahrplan vorweg...

    Das Cover hält sich in gewohntem Bandstil viel bzw. nichts sagend düster und spukig. Die musikalische Begrüßung bei Wreath (Track #1) fällt da entschiedener aus. Mit einem schnellen Trommelwirbel und einem Grunzer irgendwo zwischen Verachtung und Warmhassen von Frontmann und Sänger Mikael Åkerfeldt werden wir ohne Umwege in rasendes Gewüte geschmissen. Es dauert eine ganze Weile, bis sich das zappendüstere Chaos in etwas ruhigere Gitarrenriffs auflöst. Jedenfalls hat der Frontberserker seine Liebe zu den Growls scheinbar wiederbelebt, es wird kehlig gegrunzt, oft in übereinanderlaufenden Stimmen. Der Opener eröffnet gleich unverblümt mit elf Minuten, an den Stellen, wo nicht gewütet wird, geht es dunkel und epochal zu Werke, lediglich zu Beginn des letzten Songdrittels gibt es einen progressiven Lichtblick aus leicht synthetischen Flächensounds, Percussioneinwürfen, kurzen Soloparts und - man höre und staune - ungegrunztem Hintergrundgesang. Diese Albeneröffnung ist sehr gedehnt, was mich keinesfalls stört. Aber dabei ist sie verwirrend und betont düster, was mir nicht so gefällt. Mehrfach erwähnte ich, daß ich kein Fan der Grunzerbands bin, wobei dieser Schwede auf dem Vorgänger Blackwater Park (s.u.) und den Alben nach der Damnation (s.o.) das stets gut einbindet, ich möchte beinahe sagen: liebevoll growlt. Mögen mir alle Deathmetal-Fans verzeihen! Für meinen Geschmack ist die Vocallinie dieses Songs eine Spur zu brachial, und mich erschreckt besonders der Eindruck, daß hier nichts gekünstelt oder aufgesetzt wirkt, sondern dieser Terror echt ist.
    Eine knappe Sekunde Stille gibt es, dann bricht der Titelsong Deliverance (Track #2) los. Im Grunde wirkt diese Stille aber eher wie ein Break innerhalb eines Songs, denn das Intro dieses zweiten Tracks scheint (ich unterstelle, daß es sich um Absicht handelt!) wie ein Spiegelbild des Vorsongs. Auch hier kommen irrsinnige Trommelfeuer und Growls zu Beginn, das Klangpanorama gleicht zunächst dem Opener wie ein eineiiger Zwilling. Doch früh fahren ruhige Mellotronklänge zwischen die bulligen Riffs und Licks, es wird phasenweise sphärisch. Schon zu Beginn des Dreizehneinhalbminüters erklingen orientalische Licks und Phrasen der Leadgitarre. Dieser Titelsong verirrt sich nun nicht gänzlich in die Regionen des Voralbums, es wird am Mikro überdeutlich weiter gegrunzt und brachial an Rhythmus- und Melodieinstrumenten gewütet. Doch trotz seiner Länge und vielen verarbeiteten Themen hat dieser Song eine klarere Struktur und Nachvollziehbarkeit als der verwirrende Opener. Als Fazit möchte ich in den Raum stellen: in der Fülle und Vielfalt des Songs dürften alle Freunde der Düsternis ebenso wie alle Anhänger der progressiven Richtungen auf ihre Kosten kommen, dieser Song ist ein Meisterstück und wird seiner Funktion als Namensgeber der Platte ohne Abstriche gerecht!
    A Fair Judgement (Track #3) scheint damit irgendwie verbunden zu sein. Der Vorgänger endet in einer beeindruckenden Zaubervorstellung aus dem Genre "wir können rhythmisch auch gaaaanz anders!" - und einem Piano. Die Stille zu diesem Song beträgt abermals nicht einmal eine volle Sekunde. Tja, was soll ich sagen? Der Akkord, mit dem dieser Song beginnt, ist ein anderer, die Stimmung ist unendlich ruhiger. Naja, aber es ist dasselbe Piano, das den Schlußstrich unter den letzten Song ziehen durfte. Die Gemütslage hier ist ruhig, getragen, ohne Hektik, lange Strecken des abermals zehnminütigen Liedes sind instrumental. Nach dem aufwühlenden Beginn der Platte ist er ein schöner Abkühler, der ohne viel Text und gänzlich (!) ohne Grunzer auskommt - und am Ende sogar über eineinhalb Minuten auf gleichbleibendem, getragen-epochalem Riff zur Albenmitte ausfadet...
    For Absent Friends (Track #4) ist ein verwirrendes - ja, beinahe erschreckendes - Kleinod, das die zweite Albenhälfte beginnt. Zunächst peitscht er mit zwei Minuten und fünfzehn Sekunden die durchschnittliche Zeitmarke der Songs brutal nach unten: alle anderen Titel sind zwischen zehn und beinahe vierzehn Minuten lang. Noch radikaler als seine Zeit ist sein Inhalt! Ruhige Akustikgitarren plänkeln in dem instrumentalen Zweiminüter vor sich hin, bringen schon fast eine jazzige Note mit sich. Da sitzt man nun mitten in einer progressiven Deathmetalscheibe, bekommt einen melancholisch-nostalgischen Songtitel vorgesetzt, keine Texte oder gar Grunzer, und soll sich auf die friedlichen Tönchen einen schlüssigen Reim machen? Diese kleine Verirrung ist zur Gänze unspektakulär - aber ich liebe sie!
    Master's Apprentices (Track #5) kehrt nun zum guten Zehnminutenmaß zurück. Dürfen wir noch mehr Hoffnung in ihn setzen? Ohne Vorbehalte wird gleich zu Beginn am Schlagzeug trommelgefeuert, bei den enddüsteren Grunzern holt Satan sicherlich mit breitem Grinsen sein gutes Silberbesteck aus der Schublade. Der Song wandelt sich jedoch schleichend. Ohne merklich an Druck in der instrumentalen Ebene einzubüßen mischen sich melodisch runde Gesangslinien unter, es flöten Sphärenklänge im Hintergund, dann sind plötzlich die Growls weg, akustische Gitarren füllen den Mittelteil. Erst zu den letzten drei Minuten bricht es wieder unvermittelt heraus, bittere Grunzer und treibende Riffs brechenen durch die trügerische Andacht wie das schlüpfende Alien aus dem aufgebrochenen Brustkorb des unfreiwilligen Gastwirts. Das blutige Gekröse hält sich in Grenzen, auch gibt es wieder einen Fadeout für den Song, das Pendel zwischen Musikmassaker und Stille ist sehr ausgewogen. Erwähnt sei hier noch eben, daß es scheinbar unterschiedliche Auflagen des Albums gibt, denn bei manchen Listungen im Web sind dieser Song und der letzte in umgekehrter Reihenfolge angegeben.
    By The Pain I See In Others (Track #6) ist zumindest bei meiner Version der Schluß, mit seinen satten dreizehn Minuten und fünfzig auch wieder ein "dickes Ende". Als Abschlußtitel hat er im Grunde eine gut ausbalancierte Fazitfunktion, bringt noch einmal alles auf den Plan, was wir in den Songs zuvor erlebt haben. Temporeich knüppelt er an, hat seine ruhigeren, flächigen Teile. Er bringt zu guter letzt aber eine unverkennbar eigene Note, die mehr als eine schlichte Zusammenfassung der Restsongs beinhaltet. Die Growls sind nicht soooo energisch druckvoll wie an vielen anderen Stellen der Platte, dafür durch einen Vocaleffekt bizarr entfremdet. Im weitläufigen Mittelteil des Longtracks klimpern uns schräge und bizarre Töne um die Gehörgänge, daß man sich mitten in der Manege des Zirkus "Theatre Bizarre" wähnt. Für mich subjektiv bewegt sich die Instrumentallinie des Finalsongs zwischer perverser Schadenfreude und ungewollter Komik. Wer sich von den Lyrics Verbindlicheres verspricht, kann sich von mir aus gern an die Deutung der letzten Verse wagen, die nach einer Weile der Stille mit Hall versehen die Platte einsam beenden: "Htaed otni yaw eht dael / Won resolc / Peels rof gnol / Gnivael dna / Yawa gnidaf // Tuohtiw Od Nac I Tahw / Em Gniwohs / Thgil Laerehte / Raeppasid Dna / Edaf Sruoloc / Ecnart Gnihtoos". Nur eben hier noch den Hinweis für alle feedback- und hilfsfreudigen Leser dieser Rezension: ja ja, daß man da einen englischsprachigen Text rausbekommt, wenn man das umdreht, habe auch ich schon gemerkt... :-)

    Das Album ist - wie alle anderen der Band, die ich habe - faszinierend und vielseitig. Und ich weiß, daß ich der Platte Unrecht tue, wenn ich sage "die ist mir zu wüst". Verglichen mit den anderen Scheiben ist sie es zweifelsohne, sie hat ihre ruhigen Teile, und so oft ich sie mir anhöre, gehen ihre brachialen Teile in der musikalischen Güte und Vielschichtigkeit unter, passen sich ein. Auch verglichen mit vielen anderen Bands aus dem progressiven Bereich, die ich mir sehr oft und sehr gerne anhöre, kann diese Scheibe einiges an Maßstäben in den Schatten stellen, aber in meine private Liste der Top Of The Progs habe ich sie nicht aufnehmen können.
    Wieder einmal ein Fall von "warum etwas anders sagen, wenn es schon jemand perfekt ausgedrückt hat", denn im Web las ich von einem anderen Rezensenten das Statement: "Dies ist wohl das schlechteste Album der Band, dennoch atemberaubend gut!"
    Jepp, der gute Mann bringt es auch meiner Meinung nach auf den Punkt. Für interessierte Zweifler empfehle ich das übliche Vorgehen: weitere Rezis übers Web abgrasen und in Internet oder Plattengeschäft nach Testhörmöglichkeiten Ausschau halten. Auch wenn ich diese Platte von den neuen der Band am wenigsten mag, hergeben würde ich sie niemals wollen!

    Vielschichtig und musikalisch perfekt - aber oft auch sehr, sehr ruppig!

Blackwater Park
Typ1 CD / Studio
Jahr2001 ( Re-Release 2006 )
LabelZomba ( Sony BMG )
Songs
  1. The Leper Affinity
  2. Bleak
  3. Harvest
  4. The Drapery Falls
  5. Dirge For November
  6. The Funeral Portrait
  7. Patterns In The Ivy
  8. Blackwater Park
  Dieses Album stellt einen kommerziellen und musikalischen Umbruch der Band dar. Die Truppe, die zuvor unter der Sparte Death-Metal einsortiert war, hat zu Beginn der Albenaufnahmen Kontakt zu Steven Wilson, seines Zeichens Frontmann, Songwriter, Instrumentalist und Sänger der britischen Progressiveband Porcupine Tree, aufgenommen. Dieser übernimmt sowohl die Rolle des Produzenten, wirkt an einigen Stellen als Gastmusiker am Piano mit. Ich selbst kenne die früheren Alben der Band nicht, bin auch erst über das spätere Album Ghost Reveries (s.o.) auf die Band gestoßen. Ich kann daher keine Vergleiche zwischen vorher und ab diesem Album ziehen. Die musikalischen Einflüsse - ob sie nun auf direkte Einwirkung von Steven Wilson zurückgehen oder auf der langfristigen Begeisterung des Bandfrontmanns Mikael Åkerfeldt beruhen - sind streckenweise auf diesem Album unüberhörbar. Auch auf den späteren Platten kommen in unterschiedlicher Ausprägung immer wieder Passagen, ganze Songs oder beinahe komplette Alben (siehe oben: Damnation), die sich hart an den Stil der britischen Kollegen von Porcupine Tree anlehnen. Aber diese Band hat parallel dazu einen unüberhörbar eigenen Stil, der ruppig, wilder und bitterer ist als das britische Pendant. Je nach Album (sie unterscheiden sich stark in ihrer Charakteristik!) fallen die Tendenzen mal auf die rohe Brachialseite, dann wieder auf die melodiös-tragisch-romantische Spielart. Auf diesem Album hier finden wir einen ausgewogenen Mix aus beidem. Wer Interesse hat, möge sich meine Rezensionen zu Gemüte führen, sich im Netz nach anderen Meinungen umsehen - und vor allem im Zweifel Testlauschen! Nun ist es aber genug des groben Genregeschwafels, was erwartet den Hörer dieses Albums konkret?

  Das Cover verrät in seinem typischen Opeth-Layout schon viel über die Grundstimmung, die den Hörer empfängt; eine herbstlich- bis winterlich triste Laune voller Melancholie und Weltschmerz. Ebenso gespenstisch verschwommen wie das Cover ist die Rückseite des Booklets, auf der ein knorriges Baumgerippe in demselben Zwielichtdunst sein trauriges Dasein fristet. Das Innenleben des Booklets ist (verglichen damit zumindest) ein wenig erhellender: ohne düstere Hintergrundgrafiken sind die Textseiten in einem angenehmen Beige gehalten. In der Mitte des Heftchens blickt uns die vierköpfige Truppe durch ein herbstliches Laubwäldchen an, als könnten sie kein Wässerchen trüben (kleines Wortspiel zum Albentitel am Rande...), könnten vom Outfit her auch durchaus von einem Beatles-Cover sein. Warum erzähle ich das jetzt so ausführlich? Das Booklet und die Songs der Platte haben sehr viel gemeinsam! Die Tristesse ist das Grundmaß, nach dem sich alles richtet. Doch die melodiösen Stellen, die instrumentalen Passagen, auch die wüst-ruppigen Parts bewegen das Gefühlspendel stets. Es ist ein konstanter Kampf gegen die Melancholie vorhanden, oder es wird gezielt darin verweilt, um den Schmerz zu verarbeiten. Nun aber endlich medias in res; die Songs gestalten sich wie folgt...

  Der Opener The Leper Affinity (Track #1), der gleich satte zehn Minuten dauert, waber einige Sekunden mit einem synthetischen Mischmasch ein, dann kracht er ziemlich schnell. Mit rohen Riffs, tierischem Trommelfeuer und gutturalem Gegrunze von Frontmann Åkerfeldt zieht der Song los. Nach guten zwei Minuten satten Wütens aus allen Richtungen wird das Klangbild geordneter, klare Riffs und Licks strukturieren sich, kleine Breaks lichten das Gewüte, das dennoch im selben Grundtempo durchatzt. Zur Songmitte wird es mit einem kleinen Solopart (zweistimmiges E-Gitarrensolo) immer ruhiger, eine perlende Akustikgitarre gibt die Grundharmonien an, das Schlagzeug nimmt sich sehr zurück, der zweistimmige Gesang kommt erstmals ohne Growls (das deutsche "Grunzen" hört sich für mich immer so animalisch herabwertend an, obwohl es dasselbe meint) aus. Dieser friedliche Mittelteil steigert sich sehr bald wieder merklich zu einem wüsten Showdown. Die letzten zwei Minuten hören wir plötzlich nur noch ein leicht mit Hall unterlegtes Piano, das schlüssig an das vorherige Massaker anknüpft, langsam und ohne Hektit den Opener abschließt - so ganz anders als alles Anfängliche und dennoch in einem Durchgang ohne merkliche Brüche. Die musikalische Marschrichtung für das Album beschreibt dieser Opener im klassischen Stil einer Ouvertüre schon ziemlich gut.
  Bleak (Track #2) hat einen schwimmenden Anfang. Mehrere Gitarrenlinien (elektrische und akustische) flöten zunächst ineinander, es bilden sich markige Riffs, es wird auch wieder gegrowlt. Aber alles in allem geht es tempomäßig wesentlich gesetzter zu als beim Opener. Die Leadgitarrenspuren bringen einen seltsam orientalischen Touch in den Song. Das zweite Songdrittel, insgesamt nimmt sich der Titel neun Minuten, wechselt wieder zu mehrstimmigem, ruhigem Gesang. In der Songmitte kehrt die klare Akustikgitarre wieder zurück, die wir zu Beginn schon im Hintergrund gehört haben, die sich nach einiger Zeit in den wüsten Riffs der E-Gitarren verabschiedet hatte. Weite Strecken des Songs werden nun schwimmend, melodiös und steigern sich nur langsam wieder zum Kreisschluß, so daß der Titel im selben Stil endet, in dem er begonnen hat, er schließt in einem grammophonisch verzerrten Spiel einer letzten E-Gitarrenlinie.
  Harvest (Track #3) dauert nun nur noch sechs Minuten. Mehrere akustische Gitarren geben eine schöne, weiche Akkordfolge vor. Nur weit im Hintergrund sorgt eine elektrische Leadgitarre für ein wenig Panorama. Die Drums sind unverschnörkelt, der deutliche Bass bindet toll zwischen den instrumentalen Ebenen. Die Harmonien des Songs sind sehr aussergewöhnlich, kurz nach der Songmitte gibt es ein schönes obwohl (oder gerade weil?) unspektakuläres Gitarrensolo einer nur leicht mit Overdrive versehenen E-Gitarre, das beinahe einen Hauch von Flamenco liefert. Dieser Titel taucht einen in eine besinnliche, melodisch bis unters Dach vollgestopfte, angenehm ruhige Stimmung, die weder unnötig aufwühlt, noch übertrieben langatmig wirkt.
  The Drapery Falls (Track #4) knüpft mit seiner anfänglichen Akustikgitarre an diese Stimmung an, doch es gesellen sich mehrere E-Gitarren hinzu, die sphärisch in mehreren Spuren die ganze Sache dichter und wuchtiger machen. Das Intro des Elfminüters nimmt über zwei Minuten ein. Die ersten Gesangslinien stehen deutlich vorne in einem dünn besetzten Klangraum, sind durch einen leichten Grammaphon-Effekt künstlich gealtert. Daß da noch jede Menge Platz ist, in den mehr Instrumente müssen, merkt man überdeutlich. Nur nach und nach wird das Arrangement dichter, wird schiebender, an den Grundharmonien ändert sich lange jedoch nichts. Der Showdown ist wuchtig, es wird auch gegrowlt, die Riffings und Rhythmen brechen mehrmals um, aber im Grunde marschiert der Song seine anfängliche Linie nur konstant weiter. So endet dieser Titel in einem majestätisch-epochachlen Part voller Druck, der zwischendurch immer wieder kleine Rückgriffe auf seinen Ursprung unternimmt, auch hier ist der Großteil der zweiten Songhälfte instrumental. Was besonders außergewöhnlich wirkt: der Song fadet ganz langsam aus. Zur Mitte des Albums gibt es also eine musikalische Schwarzblende.

  Dirge For November (Track #5) muß demnach den Vorhang der Bühne - bzw. den zweiten Albenteil - behutsam wieder öffnen, genau so geschieht es. Eine akustische Gitarre, die beinahe verträumt daherkommt, unterlegt dünn die im Vordergrund stehende Stimme von Mikael Åkerfeldt. Wie es dieser "Klagegesang an den November" verspricht, bleibt es melancholisch, fast romantisch schweglend. In den Lyrics geht es um Einsamkeit, den Rückblick auf die verflossene Vergangenheit und ein Suchen nach Heimat. Wie die wenigen ruhigen Textzeilen tröpfelt auch die Gitarre. Aber dieser Achtminüter hat es faustdick hinter den Ohren! Ehe man sich versieht, bricht das Ensemble auf denselben Harmonien auf einen druckvollen Stil um, es wird gegrowlt, mit den verzerrten Gitarren mächtig geschoben und auf der Schießbude getrommelt, der Walkingbass füllt das Segment dazwischen wasserdicht auf. Und dann? So unvermittelt wie der erste Umbruch kam, bricht auf einmal alles wieder in sich zusammen, eine klare E-Gitarre, die nur einen weitläufigen Hall bekommt, umspielt alleine die herbstlich-einsamen Phrasen des Anfangs. Ein toller, charismatischer Song!
  The Funeral Portrait (Track #6) gönnt uns zunächst zwei Sekunden absoluter Stille, bevor eine Arpeggiogitarre langsam einfadet. Sie fließt in klaren, durch das harte Edge-Anspiel beinahe spitz klingenden Läufen immer weiter auf uns zu. Ihre psychedelischen Harmonien nehmen die verzerrten Gitarren dankbar auf, während sich unsere Introgitarre nach und nach verabschiedet. In den brachialen Growls malt der Gesang uns ein Bild eines stillen, nebelig-feuchtkalten Wintermorgens. Die Harmonien haben einen merklich orientalischen Hauch, es prasselt harmonisch und rhythmisch aus allen Richtungen auf einen ein. Als kleines Intermezzo kehrt vor der Songmitte unsere harte Introgitarre noch einmal kurz zu uns zurück, bevor im dichten Arrangement soliert wird. In einem kurzen Zwischenteil fühle ich mich durch Harmonien und Gesangslinien einmal wieder stark an Porcupine Tree erinnert, doch das Ensemble bewegt sich schnell wieder zu den wüsten Orientalriffs zurück, blendet langsam aus.
  Patterns in The Ivy (Track #7) bringt an vorletzter Position einen komplett anderen Hauch in das Album. Eine weiche, runde Akustikgitarre spielt ruhig ihre Harmonien. Langsam gesellt sich ein Piano dazu, der sanfte Mix hat stellenweise etwas von Jazz oder Fusion. Auch wenn friedlich (erwähnte ich, daß dieser Song instrumental ist?) musiziert wird, wimmelt es nur so voll kleiner Überraschungen, kleiner Akzente und Leben. Wenn man den Songtitel mit einbezieht, sieht man beim Lauschen des Songs beinahe den herbstlichen Efeu rascheln. Dieser nicht einmal zweiminütige Einwurf ist ein zauberhaftes Stückchen Frieden, das wieder vollkommen anders als die anderen Songs ist. Aber er passt hervorragend in die Grundidee der Platte und beschreibt hevorragend die Vielfalt dieser Band.
  Als krönenden Abschluß gibt es mit Blackwater Park (Track #8) [*] den Titelsong der Scheibe und mit satten zwölf Minuten auch längsten Track des Werkes. Er ist musikalisch und textinhaltlich so etwas wie eine Zusammenfassung aller vorherigen Themen, es ist fast so, als hätten wir zuvor kleine Ausschnitte dieses herbstlich-düsteren Parks zu sehen bzw. zu hören bekommen und würden nun in einer langen Kamerafahrt von den Details weg über den gesamten Park in die Vogelperspektive wechseln. Das Intro ist gedehnt und über weite Teile instrumental. Aber schnell wird klar, daß neben der befremdlich orientalischen Ebene auch das Druckvolle seinen Platz bekommt. Zu den energischen Growls in der Mitte gibt es brachiale Gitarrenwände, ein wahres Feuerwerk am Schlagzeug, einen teilweise dreckig geslappten Bass. Das Pendel zwischen martialischen Stellen und ruhigen, andächtigen Momenten ist ausgewogen, und nach einem wirklich kraftvollen Mittelteil entläßt uns die mehrfach gehörte klare Akustikgitarre mit ruhigen Klängen, nachdem Mikael Åkerfeld ausgiebig über die menschlichen Tragödien, die im Kern jedes Menschen lauern, und dem Park des trüben Wassers gesungen hat, über dem für alle Ewigkeit die Sonne unterzugehen scheint...

  [*] Erwähnt sei, daß es von dieser Platte Fassungen gibt, bei denen nach dem ursprünglichen Finalizer Blackwater Park noch zwei Bonustracks namens Still Day Beneath The Sun und Patterns In The Ivy (Part 2) kommen. Ich habe jedoch nicht die Re-Release Fassung aus 2006, sondern die erstveröffentlichte Scheibe aus 2001. Daher kann ich zu den Bonussongs leider nichts sagen.

  Nachdem ich über die Platte Ghost Reveries (s.o.) zu der Band gefunden habe, habe ich mich von dort aus bis zu diesem Album zurückgearbeitet. So wie die Ghost Reveries und dessen Folgealbum Watershed (s.o.) hat auch diese Platte hier durch alle Songs hindurch einen ausgewogenen Spagat zwischen den brachialen Wurzeln der Band, dem Death-Metal, und dem Progressive zu bieten. Bei den folgenden zwei Alben (s.o.) nach diesem hier, war dies nicht so deutlich der Fall, da diese sich jeweils stark auf eine Richtung festlegen. Wie schon eingangs erwähnt: ja, es gibt viele Strecken, in denen ich überdeutlich die Einflüsse - oder eben Neigung des Frontmanns zur Musik - von Porcupine Tree heraushöre. Dennoch hat diese Band einen so eigenen Stil, der sich nicht allein durch das zeitweise "Grunzen" des Sängers Mikael Åkerfeldt auszeichnet, daß ich jeden Plagiatvorwurf von dieser Band weit abweisen würde. Vielmehr scheint es, als hätte diese musikalische Hochzeit zwischen den skandinavischen Death-Metallern und dem britischen Progger nur Positives hervorgebracht. Einen schönen Einblick über Geschichte und Verlauf dieser Zusammenarbeit geben uns die Beteiligten selbst im Bonusmaterial der DVD Lamentations (s.u.).
  Als erstes "Mischlingswerk" bringt diese Platte hier ohne Abstriche die zwei musikalischen Richtungen sauber und ohne merkliche Brüche unter einen Hut. Dieses Album ist ein nachdenkliches, gelegentlich melancholisches oder gar verbittertes, kraftvolles Werk in stimmigem Gesamtkonzept. Die Produktion und musikalische Qualität ist hierbei genauso gut wie bei den folgenden Werken, eine Scheibe, die sich jeder Fan des (bzw. aller angrenzenden) Genres auf jeden Fall anhören sollte!

  Herbstlich düsteres Konzeptalbum voller musikalischer Finesse!

Orchid
Typ1 CD / Studio
Jahr1995 ( Re-Release 2003 )
LabelPlastic Hd (Soulfood Music)
Songs
  1. In The Mist She Was Standing
  2. Under The Weeping Moon
  3. Silhouette
  4. Forest Of October
  5. The Twilight Is My Robe
  6. Requiem
  7. The Apostle In Triumph
  8. Into The Frost Of Winter

Opeth : DVD

The Roundhouse Tapes
Typ1 DVD / Live-Konzert
Jahr2008
LabelSPV
DVD • Bildformat: Pal/Widescreen 16:9 / 1.78:1
• Tonformat: Dolby Digital 5.1 (Stereo / Surround)
• Sprache: Englisch
• Regionalcodes: alle
• Spieldauer: ca. 61 Minuten
Tracks
  1. When
  2. Ghost Of Perdition
  3. Under The Weeping Moon
  4. Bleak
  5. Face Of Melinda
  6. The Night And The Silent Water
  7. Windowpane
  8. Blackwater Park
  9. Demon Of The Fall
Bonus-Material:
Interview mit der Band, Fan-Interviews, Soundcheck, Photogalerie

Lamentations
Live At Shepherd's Bush Empire (2003)
Typ1 DVD / Live-Konzert
Jahr2003
LabelSony BMG Music
DVD • Bildformat: Pal 16:9
• Tonformat: Dolby Digital 5.1 (Stereo / Surround)
• Sprache: Englisch
• Regionalcodes: alle
• Spieldauer: ca. 188 Minuten
Tracks
  1. Windowpane
  2. In My Time Of Need
  3. Death Whispered A Lullaby
  4. Closure
  5. Hope Leaves
  6. To Rid The Disease
  7. Ending Credits
  8. Harvest
  9. Weakness
  10. Master's Apprentices
  11. The Drapery Fals
  12. Deliverance
  13. The Leper Affinity
  14. A Fair Judgement
Bonus-Material:
Documentary - The Making Of "Deliverance" & "Damnation"
[ Das Konzert ]
  Mitgeschnitten wurde dieses Konzert in Shepherd's Bush Empire im Oktober 2003. Es ist eine stylishe Atmosphäre in dem rund gebauten Theater, die Bühne ist schwarz verhängt, nur das von hinten beleuchtete verschnörkelte "O", Markenzeichen der Band Opeth, prangert über den Musikern.
  Zwar haben die Musiker lange Mähnen, machen jedoch keinen ungepflegten oder absichtlich auf Wüstheit getrimmten Eindruck. Während der ersten Stücke spricht Frontmann Mikael Åkerfeldt des öfteren von Dingen wie "slightly mellow". Die Tour stellt die beiden aktuellen Alben Deliverance (s.o.) und Damnation (s.o.) vor - der DVD-Titel spricht irgendwie dafür. Die gesamte erste Hälfte des Konzerts ist musikalisch besinnlich, ruhig, sphärisch. Und irgendwie will nur eines nicht so ganz in das friedliche Bild des Gigs passen; immer wieder, wenn Frontmann Åkerfeld sich für den Applaus eines gerade gespielten Songs bedankt oder sich einige Sekunden nimmt, ein paar Gedanken zum kommenden Song zu erzählen - auch diese kleinen, familiär anmutenden Momente sind dankbarerweise auf der DVD gelandet -, brodelt es im Publikum, irgend jemand schreit oder grunzt ein energisches "Opeth" in den Raum.
  Nach einer bereits beachtlichen Konzertdauer voller melodisch schöner Songs verläßt die Band die Bühne, auch auf der DVD gibt es eine Schwarzblende von einigen Sekunden, dann betritt die Combo abermals die Bühne. Unter einer kurzen Ansage des Frontmanns, die im übertragenen Sinne sagt "...aber wir können ja auch anders" und enthusiastischem Gejubel der anwesenden Fanmasse bricht ein wahres Massaker los. Die Schweden zeigen ihre ruppige Seite, ihre einstiegen Ursprünge aus dem Death-Metal inklusive knochentrockener Gitarrenriffs, Schlagzeugtrommelfeuer und reichlich Grunzen desselben Mannes, der zuvor so friedlich und wunderbar gesungen hat.
  Und - nein, es ist nicht bloß eine Zugabe! Im Grunde spielen Opeth hier zwei Gigs in einem. Nun, die zwei im Mittelpunkt stehenden Alben hätten eine andere Reihenfolge verlangt, aber nach der Ochsentour, die die Band als zweiten Teil dieses Konzerts abreisst, wäre der erste Teil nicht mehr machbar gewesen. In erster Linie hätte Sänger Åkerfeld das stimmlich so nicht hinbekommen.
  Kurzum: für alle Fans von Opeths Stilrichtungen wird etwas geboten. Ein für die Band sicher kräftezehrender Auftritt, für alle Fans ein umso schöneres Angebot und Zeugnis der unglaublichen Vielfalt der Schwedentruppe.

[ Das Bonusmaterial ]
  Gezeigt werden Mitschnitte aus dem Studio von den Recordings der zwei Alben Deliverance (s.o.) und Damnation (s.o.), jeder Musik bekommt seinen Raum, erzählt einige Dinge zu Entstehung und Fertigstellung der Songs. So weit nichts Unübliches für die Dokumentation eines "Making Of".
  Interessanter noch finde ich persönlich die Geschichten wie die einstigen Death-Metaller aus Schweden zum britischen Produzenten und Frontmann der Band Porcupine Tree gekommen sind. Nach monatelanger Arbeit in - sagen wir - traditionell bestückten Studios mitsamt nervenraubenden technischen Schwierigkeiten inklusive Bandsalat und der Vernichtung mehrer Tage knochenharter Recordingarbeit waren die Jungs von Opeth nervlich am Ende, an kreative Arbeit war kaum noch zu denken - und alle waren kurz davor das Bandprojekt an die Wand zu fahren. Erst nach mehrfachem Bitten des Prog-Briten konnten sie in sein Studio einziehen und dort unter modernster Technik und zudem musikalisch hervorragend passender Hilfestellung ihre Aufnahmen beenden.
  So sprechen nicht nur die Musiker von Opeth in höchsten Tönen von der Versiertheit von Steven Wilson. Auch er kommt in der Dokumentation mehrfach zu Wort und erklärt die zunächst nicht zu passen scheinende Zusammenarbeit, die für alle Beteiligten nur Positives gebracht hat. Unter anderem lobt er Sänger Mikael Åkerfeldt - nicht zu Unrecht! - als sehr vielseitigen und stimmgewaltigen Sänger. Er vergleicht ihn unter anderem mit dem verstorbenen Jeff Buckley. Wenn dieser Vergleich, auch die Genre-Unterschiede einmal beiseite gelassen, etwas hoch gegriffen scheint, zeigt es doch, wie viel diese Musiker in ihrer fruchtbaren Zusammenarbeit von einander lernen konnten.

  Musikalisch durch das Doppelkonzert und mit der umfangreichen und sehr persönlichen Dokumentation bekommt jeder Fan der Düster-Schweden mehr als drei Stunden bestes Material in Bild und Ton an die Hand, das sicher immer wieder Freude macht.

  Über drei Stunden voll toller Musik und umfrangreicher Hintergrundinfo !